Was ist ein Aussteiger?
Aussteiger sind Menschen, die radikal mit ihrem bisherigen Leben brechen. Sie lehnen für sich die Normen und Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens ab und probieren eine andere, individuelle Art des Lebens. Sie wollen sich nicht den Zwängen der Gesellschaft unterwerfen, sondern einen eigenen Lebensweg gehen. Aussteiger kehren ihrem Umfeld innerlich – mit ihrer Einstellung und Denkweise – sowie äußerlich – durch die Wahl des Ortes – den Rücken.
Ein Leben als Aussteiger kann als Form der Selbstverwirklichung betrachtet werden. Es gibt aber auch Kritikpunkte. Aussteiger verweigern sich den Verpflichtungen im gesellschaftlichen Leben. Sie ziehen sich in eine Scheinwelt ohne Realitätsbezug zurück – oft in ländlichen, abgeschiedenen Gegenden. Der Ausstieg ist für viele eine Kritik an der Leistungsgesellschaft. Es ist die Abkehr vom gegenwärtigen und zukünftigen Leben, das ohne Ausstieg vor Betroffenen liegen würde.
Ausstieg wird individuell interpretiert
Das typische Bild vom Aussteiger: zurückgezogen, weit entfernt von der Zivilisation, als Selbstversorger mit Konsumverzicht. Doch so muss der Weg nicht aussehen. Für einen Topmanager kann schon ein Downshifting einem Ausstieg gleichkommen. Beruflich ein paar Gänge zurückschalten, mehr Zeit mit der Familie, endlich Freizeit für Hobbys und mehr Lebensqualität.
Es ist ein radikaler Bruch mit dem bisherigen Leben – aber keine Abkehr von der Gesellschaft. Ein Ausstieg muss eben nicht fernab der Zivilisation erfolgen. Manch Aussteiger kündigt seinen Job, gibt die Wohnung auf und lebt als Weltenbummler.
Ausstieg aus der Gesellschaft: Ein neuer Trend?
Abkehr von gesellschaftlichen Normen und Verzicht auf Konsum – man könnte glauben, Aussteiger seien ein Phänomen der letzten Jahre und erst durch Digitalisierung und steigenden Leistungsdruck entstanden. Falsch! Ein Beispiel: Der Apothekenhelfer August Engelhardt machte sich im 19. Jahrhundert auf in die Südsee, um dort eine neue religiöse Gemeinschaft zu gründen. Ein Vorläufer moderner Aussteiger.
Selbst in der Antike finden sich Beispiele. So soll der griechische Philosoph Diogenes zeitweise in einer Tonne gehaust haben, um das Leben der Armen zu führen. Das Konzept ist somit alles andere als neu. In der modernen Gesellschaft ist es lediglich häufiger verbreitet.
Gründe: Warum werden Menschen zum Aussteiger?
In besonders stressigen Phasen haben viele kurz den Gedanken, aus dem Hamsterrad auszusteigen und alles hinzuschmeißen. Aber kaum jemand setzt es wirklich um. Was aber sind die Gründe für Aussteiger, die alles hinter sich lassen? Hinter dem Schritt können mehrere Ursachen stehen
Flucht aus dem bisherigen Leben
Für einige Aussteiger ist es eine Flucht aus ihrem bisherigen Leben. Sie leiden oft an Überforderung und wollen den Erwartungen nicht mehr entsprechen. Durch Zwänge, Pflichten und Normen fühlen sie sich fremdbestimmt. Sie entscheiden, dass sich etwas grundlegend ändern muss – ohne genau zu wissen, wie dieses „anders“ überhaupt sein soll.
Aussteiger flüchten vor Problemen, aber auch vor sich selbst. Statt Konflikte anzugehen und Probleme zu lösen, wählen sie eine völlig neue Lebensform. In der Hoffnung, dass es dort besser läuft.
Unzufriedenheit
Unzufriedenheit und Selbstzweifel sind häufige Motivatoren für Aussteiger. Betroffene sind mit sich und dem eigenen Leben unglücklich. Damit verbunden sind zentrale Fragen zum eigenen Lebensweg:
- Wer bin ich?
- Was sind meine Ziele?
- Was habe ich erreicht?
- Was will ich noch machen?
Es wird Bilanz des bisherigen Lebens gezogen. Mit dem Ergebnis, dass es so nicht weitergehen kann und soll.
Lebenskrisen
Ob Midlife Crisis, eine Erkrankung oder andere persönliche Krisen: Einschneidende Erlebnisse können Auslöser für den Ausstieg sein. In diesen Phasen werden das eigene Leben und die eigenen Wünsche kritisch reflektiert. Der Leidensdruck kann zudem so groß sein, dass drastische Veränderungen eingeleitet werden.
Erfahrung
Aussteigen muss keine endgültige Entscheidung sein. Für manche ist es eine persönliche Erfahrung – beispielsweise im Gap Year oder Sabbatical. Der Ausstieg ist von Anfang an zeitlich begrenzt. Ziel kann es beispielsweise sein, sich selbst besser kennenzulernen oder die eigenen Grenzen auszutesten.
Tipps für Aussteiger: So kann es klappen
Einfach alles hinschmeißen und als Aussteiger neu anfangen? Klingt einfach, ist in der Praxis aber gar nicht so leicht. Abhängig davon, wie endgültig oder radikal Ihr Ausstieg werden soll, müssen Sie vorab einige Fragen klären. Die folgenden Tipps liefern Anregungen und Hinweise. Da es keine allgemeingültige Lösung geben kann, können die Prioritäten und Schwerpunkte individuell verschieden sein.
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Klären Sie Ihre Finanzen
Auch als Aussteiger müssen Sie von irgendetwas leben. Eine zentrale Frage lautet deshalb: Wie sehen Ihre Finanzen aus und wie viel Geld brauchen Sie überhaupt? Kalkulieren Sie, welche Kosten auf Sie zukommen – sowohl einmalige Kostenpunkte als auch fortlaufende Ausgaben – und stellen Sie Ihre Ersparnisse gegenüber. So sehen Sie, wie lange Sie mit Ihren finanziellen Mitteln auskommen.
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Reflektieren Sie Ihre Bedürfnisse
Wie soll Ihr Ausstieg aussehen? Das kann bedeuten, dass Sie in einem Zelt schlafen oder nur eine Hütte haben. Andere benötigen als Minimalanforderung wenigstens eine kleine Wohnung. Im Vorfeld müssen Sie sich mit Ihren Bedürfnissen auseinandersetzen. Was brauchen Sie – was kann weg? Es ist eine Form von Minimalismus. Sie behalten nur, was wirklich unerlässlich ist.
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Informieren Sie sich über Bedingungen
Wenn Sie für den Ausstieg keine großen Summen zurückgelegt haben, müssen Sie irgendwann Geld verdienen. Sonst ist das Ersparte nach einiger Zeit aufgebraucht und Sie wissen nicht, wie es weitergehen soll. Informieren Sie sich frühzeitig, welche Bedingungen und Regelungen für die Arbeit im Ausland gelten. Wollen Sie etwa Work and Travel machen, muss dies entsprechend vorbereitet sein.
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Lernen Sie loszulassen
Aussteiger stellen sich den Schritt oft leichter vor, als er ist. Konsumverzicht und Einschränkungen im Komfort sind schon eine Herausforderung. Besonders schwierig ist das Loslassen im sozialen Umfeld. Wenn Sie sich für einen zurückgezogenen Ausstieg entscheiden, werden Sie Freunde und Familie für eine lange Zeit nicht sehen. Solche Trennungen sind hart, auch wenn das Gefühl von Freiheit lockt. Bereiten Sie sich auf dieses Loslassen vor. Sonst kann gerade die erste Zeit schwierig sein und als soziale Isolation empfunden werden.
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