Was bedeutet das D in m/w/d?
In immer mehr Jobbörsen und Stellenanzeigen findet sich die Abkürzung (m/w/d). Die Bedeutung:
(m/w/d) steht für „männlich/weiblich/divers“. Der Zusatz „d“ für „divers“ ist für intersexuelle Arbeitnehmer gedacht und soll dokumentieren, dass die Bewerberauswahl grundsätzlich geschlechtsneutral erfolgt.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az 1 BvR 2019/16), das feststellte, dass bisherige, binäre Geschlechtsbezeichnungen (männliche/weiblich) gegen das Persönlichkeitsrecht und das Diskriminierungsverbot verstoßen. Entsprechend seien Gesetzgeber und Unternehmen angewiesen, die Diskriminierung von Intersexuellen zu verhindern. Zum Beispiel indem sie Stellenanzeigen geschlechtsneutraler formulieren und „das dritte Geschlecht“ mit angeben.
Achtung: Die Abkürzung (m/w/d) steht keinesfalls für „männlich/weiß/deutsch“. Manche Rassisten interpretieren sie aber leider so.
Geschlechtsneutrale Abkürzungen in Stellenanzeigen: Was bedeuten sie?
In Stellenanzeigen findet sich heute längst nicht nur die Abkürzung m/w/d. Zum Kürzel-Wirrwarr gesellen sich auch Fomulierungen wie m/w/i oder m/w/i/t. Um für mehr Transparenz und Klarheit bei Bewerbern zu sorgen, hier eine Übersicht der meist genutzten Abkürzungen und deren Bedeutung:
- (m/w/d) = männlich/weiblich/divers
- (m/w/i) = männlich/weiblich/intersexuell
- (m/w/i/t) = männlich/weiblich/intersexuell/transsexuell
- (m/w/a) = männlich/weiblich/anders
- (m/w/x) = männlich/weiblich/undefiniertes Geschlecht
- (m/w/gn) = männlich/weiblich/geschlechtsneutral
- (m/w/*) = männlich/weiblich/Asterisk oder „siehe Fußnote“
Selbst diese Liste ist nicht vollständig. Parallel zu den üblichen Abkürzungen (m/w) kursieren – insbesondere bei internationalen Arbeitgebern – zudem die Kürzel (m/f). Mit „f“ für das englische „female“, also weiblich. Entsprechend finden Bewerber neben der obigen Kürzel-Liste mit (m/w/d) in Stellenanzeigen auch Abkürzungen wie (m/f/d) beziehungsweise (m/f/x) oder (m/f/i/t).
Weil sich manche daran stören könnten, dass das Adjektiv „männlich“ beziehungsweise „m“ zuerst genannt wird, ist auch eine andere Reihenfolge möglich: w/m/d oder d/m/w. Die am wenigsten diskriminierende wäre vermutlich die alphabetische Reihenfolge.
Hintergrund: Was ist das dritte Geschlecht?
In Deutschland fühlen sich 80.000 bis 120.000 Menschen keinem Geschlecht zugehörig. Sie werden in der Regel als „Intersexuelle“ bezeichnet. Laut Definition sind das Menschen, die sich genetisch, anatomisch oder hormonell bedingt nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Viele davon wurden mit weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen geboren. Frühere (wenig schmeichelhafte) Bezeichnungen dafür lauteten „Zwitter“ oder „Hermaphrodit“. Transsexuelle Menschen wiederum lassen sich eindeutig einem Geschlecht zuordnen und tun dies auch selbst. Nur entspricht dies nicht dem Geschlecht, mit dem sie biologisch geboren wurden.
m/w/d in Stellenanzeigen: Ist das Pflicht?
Eine (m/w/d)-Pflicht in Stellenanzeigen gibt es nicht. Zwar dürfen Arbeitgeber laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) keine Bewerber aufgrund ihres Geschlechts benachteiligen. Für den Zusatz „d“ in Stellenanzeigen und in m/w/d für das dritte Geschlecht besteht unserer Auffassung nach aber keine Pflicht. Das gilt auch für das frühere (m/w), das ebenfalls nie verpflichtend war.
Das AGG will Diskriminierung verhindern. Es macht aber keine Formulierungsvorgaben. Entscheidend ist, dass die Stellenanzeige selbst hinreichend klar macht, dass die Stelle von Menschen jeglichen Geschlechts besetzt werden kann. Tatsächlich findet sich das (m/w/d) in Stellenanzeigen meist nur, weil Personaler auf Nummer sicher gehen und die Stellenangebote rechtskonform in alle Richtungen absichern wollen. Wenn der Rest aber nicht stimmt, reicht auch ein „d“ für das dritte Geschlecht nicht aus.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Das eigentliche Problem besteht in der Beweislast und sogenannten „AGG-Hoppern“. Das sind Scheinbewerber, die darauf spekulieren, abgelehnt zu werden und das Unternehmen anschließend wegen Diskriminierung verklagen. In dem Fall muss der Arbeitgeber beweisen, dass der ansonsten persönlich und fachlich geeignete Bewerber nicht wegen seines Geschlechts abgelehnt wurde. In der Praxis ist das nicht leicht.
Die Abkürzung (m/w/d) in Stellenanzeigen ist also keinesfalls ein Universalschutz gegen Diskriminierungsklagen. Das Kürzel entwickelt sich vielmehr zu einer Art Konvention. Sie soll Bewerbern jedes Geschlechts signalisieren, dass dem Arbeitgeber bei der Besetzung der Stelle das Geschlecht egal ist.
Wer sich wirklich gegen eine Klage auf Basis des AGG absichern will, dem raten Rechtsanwälte dazu:
- Legen Sie vorab objektive Auswahlkriterien für Bewerber fest.
- Dokumentieren Sie den Bewerbungs- und Auswahlprozess lückenlos.
- Sorgen Sie für mindestens zwei Unternehmensvertreter im Bewerbungsgespräch.
- Formulieren Sie die Bewerbungsabsage so neutral wie möglich.
- Bewahren Sie alle Unterlagen mindestens noch drei Monate nach der Absage auf.
Tipps für einen geschlechtsneutralen Bewerbungsprozess
Das (m/w/d) in Stellenanzeigen ist nur der Anfang. Unternehmen und Arbeitgeber, die dies nicht nur als Alibi nutzen, sondern wirklich einen gender- und geschlechtsneutralen Bewerbungsprozess in ihrer Unternehmenskultur etablieren wollen, sollten dies auch an weiteren Stellen umsetzen. Hierzu ein paar Tipps und Anregungen:
Berufsbezeichnungen
Wählen Sie generell neutrale Berufsbezeichnungen und Jobtitel. Oft werden diese schon durch den Plural geschlechtsneutral. Zum Beispiel „Kaufleute“ statt des Singulars „Kaufmann“ beziehungsweise „Kauffrau“. Oder „Assistenten“ statt „Assistent“ oder „Sekretärin“. Sollte das unmöglich sein, können Sie sich mit einem expliziten Zusatz behelfen. So schreiben manche Unternehmen beispielsweise: „Wir suchen Kaufleute – Hautfarbe, Herkunft oder Geschlecht spielen für uns keine Rolle, solange Sie zu uns passen und Ihre Motivation stimmt.“
Bewerbungsprozess
Wer digitale Auswahlverfahren wie etwa die E-Mail-Bewerbung oder Online-Bewerbung nutzt, sollte darauf achten, dass es in den Auswahlmenüs und Klickfeldern entsprechende Menü-Punkte für Bewerber gibt. Heißt: Kandidaten sollten mehr als nur „männlich“ oder „weiblich“ angeben beziehungsweise ankreuzen können.
Anrede
Bei der offiziellen Korrespondenz sollten Sie auf eine neutrale Anrede achten. Vor allem aber beim Absageschreiben. Die klassische Anrede „Sehr geehrter Herr / sehr geehrte Frau“ kann hier bereits als diskriminierend empfunden werden. Auch hier hilft der Plural in der Anrede wie zum Beispiel „Liebe Bewerber“, „Sehr geehrte Kandidaten“. Alternativ dazu eignet sich auch der Einsatz des sogenannte Asterisk: „Sehr geehrte*r Frau*Herr“. Dritte Alternative – die allerdings zur Unternehmenskultur passen muss: Duzen. Anreden mit Vornamen – „Hallo Max“ – sind immer unverfänglich.
Arbeitsplätze
Sorgen Sie für eine genderneutrale Umgebung. Das geht bei den Toiletten los. Die Arbeitsstättenverordnung schreibt ab mehr als neun Mitarbeitern vor, Toiletten nach Geschlecht zu trennen. Unisex-Toiletten sind nur erlaubt, wenn die Zahl der Beschäftigten unter neun Mitarbeitern liegt. Es könnte ein deutliches Zeichen sein, einen dritten Toilettenraum für Intersexuelle einzurichten. Auch der Dresscode im Unternehmen sowie etwaige Arbeitsuniformen sollten so neutral wie möglich gehalten werden. Kurz: Machen Sie überall, wo es sich eignet, deutlich, dass Mitarbeiter jeden Geschlechts willkommen sind und Geschlechtsneutralität kein Lippenkenntnis oder eine Abkürzung wie (m/w/d) in Stellenanzeigen ist.
Diversität nutzen: Mehr Chancen durch Vielfalt
Auch wenn das (m/w/d) in Stellenanzeigen schrecklich bürokratisch und wie eine juristische Finesse wirkt: Man kann darin auch Vorteile und Chancen für das eigene Unternehmen sehen. Allen voran die Mahnung zu mehr Diversität und Vielfalt in der Belegschaft (siehe Grafik mit Diversity Dimensionen).
Funktionierende Gesellschaften waren und sind nicht homogen. Unternehmen sollten es folglich auch nicht sein. Sogar aus guten Gründen. So hat mehr „Diversity“ in der Unternehmenskultur mehrere Vorteile:
- Mitarbeiterzufriedenheit: Diversity kann das Arbeitsklima nachhaltig verbessern. Laut einer Studie des Personaldienstleisters Michael Page sind 64 Prozent der Mitarbeiter in einem vielfältigen Arbeitsumfeld zufriedener und motivierter. Ganze 44 Prozent fühlen sich verbundener mit dem Unternehmen und 28 Prozent gaben sogar an, durch Diversität weniger Stress bei der Teamarbeit zu empfinden.
- Umsatzsteigerung: Es lässt sich nachweisen, dass eine höhere Identifikation mit dem Arbeitgeber verbunden mit starker Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit zu mehr Produktivität und Umsatz führt. Schon allen mehr Frauen in der Führungsetage sorgen laut Studien dafür, dass die Unternehmen eine um 42 Prozent höhere Umsatzrendite erwirtschaften und das Risiko einer Insolvenz um 20 Prozent sinkt.
- Arbeitgeberattraktivität: Beide Faktoren wirken zudem extrem anziehend auf Talente und Top-Fachkräfte. So wie Erfolg allgemein sexy macht. Eine weitere Michael-Page-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass für 73 Prozent der Bewerber gelebte Diversity ein wichtiges Bewerbungskriterium darstellt. So entsteht eine Spirale nach oben: Dokumentierte Diversität – nicht nur per (m/w/d) in Stellenanzeigen – lockt Top-Talente an, die arbeiten besser und sorgen für Wachstum, was wiederum mehr talentierte Fach- und Führungskräfte anlockt. Ein echter Pluspunkt beim Employer Branding und im „War for Talent“.
Die Diskussion um eine (m/w/d)-Pflicht in Stellenanzeigen mag den Rekrutierungsprozess verkomplizieren und manchen Personaler oder Bewerber verunsichern. Durch die Notwendigkeit einer geschlechtsneutralen Beschreibung in Jobanzeigen bleiben juristische Fallstricke bestehen. Gleichzeitig ergeben sich daraus aber nachhaltige Chancen für alle vier: Arbeitgeber, männliche, weibliche und „diverse“ Bewerber.
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