Psychologie: Was ist die Provokationstechnik?
Provokationstechnik ist eine Kreativitätstechnik von Edward de Bono, dem Vater der De-Bono-Denkhüte. Kreativitätstechniken verfolgen neue Ansätze, um neue Ideen zu generieren. Bei der Provokationstechnik geht es um einen überraschenden Perspektivwechsel. Dabei werden bisherige Gesetzmäßigkeiten auf den Kopf gestellt und Aspekte wahrgenommen, die anderenfalls verborgen geblieben wären. Die Provokationstechnik ist ein Mittel des lateralen Denkens.
Mit dem Begriff „Provokation“ wird selten etwas Positives verbunden. Vom Wortsinn her verstehen wir es als Herausforderung oder Kampfansage. Provokation kann aber in einer weiteren Bedeutung meinen, etwas hervorzurufen – zum Beispiel Ideen oder ein neues Denken, das bisherige Annahmen und Erfahrungen infrage stellt.
Ideenfindung mit der Provokationstechnik
Innovative Ideen scheitern häufig an bewährten Denkweisen – charakteristisch dafür ist eine Sichtweise, wie „Das haben wir schon immer so gemacht!“ Hierin steckt zwar Erfahrungswissen, aber häufig auch ausgetretene Pfade. Nutzen Sie die Provokationstechnik zum Beispiel im Brainstorming, „provozieren“ Sie die Teilnehmer bewusst dazu, anders zu denken – Expertise oder Naturgesetze zu ignorieren. Stattdessen sind unlogische, verrückte Aussagen geradezu willkommen (siehe: Kopfstand-Methode).
De Bono empfiehlt dazu, den jeweiligen Provokationen das Kunstwort „PO“ voranzustellen. Es dient als Signal, dass die folgende Aussage bewusst allem Bekannten widerspricht – und trotzdem diskutiert und durchdacht werden soll, damit das Brainstorming nicht (wieder) in eine Sackgasse führt. Dadurch entstehen neue Gedanken und Anregungen für neue Lösungen. Kurz: Die Provokation fördert die Kreativität.
Wie funktioniert die Provokationstechnik?
Ein typisches Beispiel für eine solche Provokation ist der Satz: „PO Der Regen fällt nach oben.“ Sie können die mentalen Provokationen auch mit dem Satz „Was wäre, wenn…?“ einleiten. Beispiel: „Was wäre, wenn der Regen nach oben fiele?“
Natürlich ist das im ersten Moment unsinnig – Regen fällt nicht nach oben! Aber was wäre, wenn? Bräuchten wir dann völlig neue Regenkleidung? Würden sich die Flüsse, Seen und Meere noch füllen? Sie merken, wohin das führt… De Bono erklärt in seinem Buch „Serious Creativity“, dass die Provokationstechnik und Aussage „PO Autos haben quadratische Räder“ letztlich Auslöser für heutige Stoßdämpfer war.
5 Arten von Provokationen
Klassisch haben Sie fünf verschiedene Techniken, um Provokationen zu nutzen und zu generieren:
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Umkehrung
Eine Regel oder ein Gesetz wird umgedreht beziehungsweise komplett auf den Kopf gestellt. Beispiel: „PO Der Hund geht mit dem Frauchen Gassi.“
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Annahme
Eine weitere Methode der Provokationsgewinnung ist, gängige Annahmen aufzuheben. Beispiele: „PO Im Meer gibt es kein Wasser“; „PO Juristen kennen keine Gesetze“; „PO Im Schlaf wird gearbeitet“.
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Idealfall
Für den sogenannten Idealfall formulieren Sie eine Situation, die zwar theoretisch möglich, aber in der Realität unwahrscheinlich ist. Beispiele: „PO Süßigkeiten machen nicht dick“; „PO Jeder See hat Trinkwasserqualität“; „PO Alle Menschen verstehen sich hervorragend miteinander“.
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Übertreibung
Provokationen durch Übertreibung können Sie gewinnen, indem Sie eine quantitative Eigenschaft verändern. Beispiele: „PO Jeder Arbeitnehmer hat 3 Monate Urlaub„; „PO In Deutschland gibt es hundert Bundesländer“, „PO Der Arbeitstag dauert 30 Stunden“.
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Verfälschung
Während Sie bei Übertreibungen quantitative Eigenschaften verändern, wird bei Provokationen durch Verfälschung die Sache qualitativ umgestaltet. Beispiele: „PO Auf Sonntag folgt Dienstag“; „PO Fußball wird mit zwei Bällen gespielt“; „PO Examenszeugnisse werden ohne Prüfungen einfach ausgehändigt“.
Wie wende ich die Provokationstechnik an?
Zur Anwendung der Provokationstechnik formulieren Sie zunächst die Problemstellung, beispielsweise: „Wie können wir unser Hotel am See für Kunden interessanter machen?“ Laut Graham Horton, Informatikprofessor an der Uni Magdeburg, wird die Provokationstechnik anschließend in drei Schritten umgesetzt:
- Beobachtungen sammeln
Sie sammeln erst einmal Beobachtungen zur Ausgangssituation. - Aussagen umkehren
Nun werden die Information mittels obiger Methoden in Provokationen umformuliert. - Ideen ableiten
Schließlich gewinnen die Teilnehmer aus dem Brainstorming neue Ideen.
In Anlehnung an das obige Hotel Beispiel könnte das so aussehen:
- „Unsere Gäste buchen vor allem nur das Wochenende.“
- „PO Auf Samstag folgt Montag.“
- Ableitung: Das Hotel bietet seinen Gästen besonders günstige Übernachtungspakete an, wenn sie bis Montag bleiben.
Die Umsetzung der Provokationstechnik klingt simpel, ist aber in der Praxis nicht immer einfach. Voraussetzung für den erfolgreiche Einsatz der Technik ist die Fähigkeit zum Querdenken.
Hier offenbaren sich dann auch die Vor- und Nachteile der Provokationstechnik: Gelingt es den Anwendern, die vertrauten Denkmuster zu durchbrechen, kommen innovative Gedanken heraus. Fällt den Teilnehmern der Umgang mit den Provokationen hingegen schwer (weil sie zu realitätsfern sind), entstehen häufig auch nur wenig bis keine Ideen oder Inspirationen.
Weitere Kreativmethoden zur Unterstützung
Bei Kreativitätstechniken geht es fast immer darum, die Perspektive zu wechseln, weil das bisherige Denken das bestehende Problem nicht lösen konnte.
Die 6 Denkhüte
Eine weitere Technik, die ebenfalls von Edward De Bono stammt, sind die sechs Denkhüte. Dabei werden den sechs Hüten (und Farben) sechs Denkweisen zugeordnet. Je nachdem, welchen Hut Sie bekommen, füllen Sie folgende Rolle aus:
⚪️ Der weiße Denkhut steht für analytisches Denken. Hier zählen nur Fakten. Als Träger sammeln Sie Informationen und verschaffen sich einen Überblick.
🔴 Der rote Denkhut steht für emotionales Denken. Als Träger dieses Hutes handeln Sie emotional, intuitiv und hören auf Ihre innere Stimme.
⚫️ Der schwarze Denkhut steht für kritisches Denken. Die vorhandenen Informationen werden gesichtet und bewertet: Wo lauern Risiken und Gefahren? Was spricht gegen das Projekt?
🟡 Der gelbe Denkhut steht für optimistisches Denken. Dieser Träger sieht das bestmögliche Ergebnis, sucht und formuliert Chancen. Jedoch ohne Euphorie. Die obliegt allein dem Typ Rot.
🟢 Der grüne Denkhut steht für kreatives Denken. Als der Träger sprudeln Sie vor Ideen. Die können verrückt und unrealistisch sein. Hauptsache, sie führen zu Geistesblitzen bei den anderen.
🔵 Der blaue Denkhut steht für ordnendes Denken. Als solcher ordnen, moderieren und dirigieren Sie die Ergebnisse. Sie suchen nach dem bestmöglichen Ergebnis, das nicht zwangsläufig Ihren Gedanken entsprungen sein muss.
Damit Teammitglieder nicht nur dieselbe Aufgabe haben, können die Hüte wechseln. Dabei sollte sich aber niemand nur seinen Lieblingshut herauspicken. Idealerweise weist ein neutraler Moderator die Hüte zu. Anderenfalls könnte das sonst wieder zu festgefahrenen Denkpfaden führen.
Walt-Disney-Methode
Eine verwandte, aber abgespecktere Methode ist die Walt-Disney-Methode, die auf den gleichnamigen US-Filmproduzenten zurückgeht. Hier schlüpfen die Teilnehmer in nur drei verschiedene Rollen:
- Der Träumer
Er ist chaotisch, aber auch visionär und enthusiastisch. - Der Realist
Er überprüft die vorgestellten Ideen positiv auf ihre Umsetzbarkeit, also zieht Kosten in Erwägung und identifiziert die Bedingungen. - Der Kritiker
Er stellt das Ganze auf den Prüfstand, schaut nach Fehlerquellen und trägt durch konstruktives Vorgehen zur Verbesserung bei.
Diese Methode kann die Provokationstechnik gut ergänzen, weil auch hier jeder Teilnehmer aus einer speziellen Sichtweise argumentiert. Da die Rollen getauscht werden und der Prozess wieder von vorne beginnt, sollte die Teamgröße der Gruppe neun Personen nicht übersteigen.
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