Scheinarbeit: Was ist das überhaupt?
Scheinarbeit – der Name deutet schon an, womit wir es zu tun haben: Sie sieht wie echte Arbeit aus, hat damit aber nichts zu tun. Während uns produktive Arbeit zu einem Ziel führt, also das Projekt voranbringt und die Aufgaben erledigt (für die wir bezahlt werden), sieht Scheinarbeit nur danach aus. Zum Kern unserer Arbeit trägt sie nicht bei.
Das verflixte an der Sache: Die meisten Mitarbeiter sind davon überzeugt, dass sie produktive Arbeit verrichten, während sie sich in Wirklichkeit in Scheinarbeit verlieren: Das E-Mail-Postfach leeren oder Ordner und Dateien neu organisieren ist in der Regel nichts, was das Unternehmen langfristig voran bringt. Sicher, auch solche Dinge müssen manchmal erledigt werden.
Problematisch aber wird es, wenn wir die Mehrheit unserer Arbeitszeit in nutzlosen Meetings, mit irrelevanten Mails oder reiner Beschäftigungstherapie verbringen.
Und genau hier liegt die Gefahr von Scheinarbeit.
Im Arbeitsalltag ist wohl jedem schon einmal Scheinarbeit begegnet. Wenn Sie zum Beispiel über den Spruch „Ich habe ein weiteres Meeting überlebt, das eigentlich eine E-Mail sein sollte…“ lachen können, wissen Sie schon ziemlich gut, was damit gemeint ist: quälend lange Besprechungen, E-Mails mit inhaltslosem Blabla und weitere Dinge, die uns Zeit rauben, ohne dass wir uns unsere eigentliche Arbeit erledigen (können).
Nahezu die Hälfte (andere Schätzungen sprechen sogar von zwei Drittel) des Arbeitstages besteht aus dieser Arbeit, die den Namen streng genommen nicht verdient. Das ist nicht nur ärgerlich, weil das zu Überstunden führen kann. Mehr noch: Es beraubt uns unserer Produktivität.
Wie entsteht Scheinarbeit
Ursachen und Auslöser für Scheinarbeit gibt es viele, und sie können sich sogar gegenseitig bedingen. Wer zum Beispiel Probleme damit hat, sich selbst zu organisieren, kann sich leicht in Nebenbeschäftigungen wie dem Umorganisieren des E-Mail-Postfachs verlieren. Aber auch das Führungsverhalten der Vorgesetzten kann ein Grund dafür sein, dass Mitarbeiter weniger von ihrer Kern-Arbeit erledigen, als sie eigentlich könnten und sollten.
Folgende Ursachen führen immer wieder zu Scheinarbeit:
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Falsches Selbstmanagement
Zeitmanagement und Selbstorganisation müssen gerade bei kreativen Aufgaben und Berufen sitzen. Hier ist die Gefahr am höchsten, dass man sich im Klein-Klein verliert. Ist auch nicht weiter verwunderlich, lässt sich doch gerade bei kreativen Tätigkeiten die Grenze zwischen Inspiration und Abschweifen (von der eigentlichen Aufgabe) nur schwer ziehen.
Ein anderes Problem: Menschen nutzen die falschen Methoden, um ihren Arbeitstag zu strukturieren – oder besser gesagt, um es zu versuchen. Die gute, alte To-do-Liste ist eben nicht für alle Personen und schon gar nicht für alle Aufgaben das Mittel der Wahl. In der Realität nutzen viele Mitarbeiter aber immer noch dieses Tool (meist auch fast ausschließlich) mit der einfachen Begründung, dass sie es immer schon so gemacht haben. Ein sicherer Weg in die Scheinarbeit.
Apropos falsche Methode: Das beliebte und immer noch propagierte Multitasking ist ebenfalls keine gute Idee, wenn Sie produktiv und vor allem auch fokussiert arbeiten möchten. Es fördert nämlich genau das Gegenteil. Es ist (nahezu) unmöglich zwischen zwei verschiedenen Aufgaben ohne Reibungsverluste hin und her zu wechseln. In Wirklichkeit müssen sich die meisten Arbeitnehmer in den neuen Vorgang wenigstens kurz wieder eindecken. Genau das kostet aber eine Menge Zeit, die sinnvoller eingesetzt werden kann. Zum Beispiel dafür, die erste Aufgabe zu erledigen und mit der zweiten erst zu beginnen, wenn erstere abgeschlossen ist. -
Mikromanagement der Vorgesetzten
Ohne Frage gibt es verschiedene Führungstypen und damit auch Vorgesetzte, die es eher locker angehen lassen und auf der anderen Seite diejenigen, die jeden Schritt ihrer Mitarbeiter durchorganisieren möchten. Mikromanagement nennt sich das und kann ein starker Indikator dafür sein, dass die Scheinarbeit im Unternehmen Einzug gehalten hat. Denn kommt Mikromanagement nicht gut bei den Arbeitnehmern an, zeigen sich schnell die gefürchteten Folgen der Scheinarbeit: Ellenlange Reportings und inhaltslose Meetings ohne ein heheres Ziel, nämlich den Unternehmenserfolg, zu verfolgen.
Nicht nur das: Mitarbeiter lassen sich von diesem Führungsstil auch schnell entmutigen. Der vermittelt nämlich den Eindruck, dass der Vorgesetzte dem Arbeitnehmer eben nicht zutraut, sich selbst zu organisieren oder die Aufgabe ohne Hilfe zu erledigen. Oder warum sonst gibt er seinem Mitarbeiter jeden Schritt vor?
Ist das Mikromanagement erst einmal im Unternehmen etabliert, nimmt die Scheinarbeit zu. Mitarbeiter gehen nicht mehr proaktiv an Aufgaben heran, sondern warten darauf, dass der Befehl von oben kommt, was nun als nächstes zu tun ist. Die Zeit zwischen den verschiedenen Anweisungen will natürlich irgendwie überbrückt werden – und was bietet sich da besser an als die Scheinarbeit mit ihren vielfältigen Ausprägungen? -
Falsche Prioritäten
Die Gründe für Scheinarbeit können natürlich auch bei den Mitarbeitern selbst liegen. Wer wenig oder gar keine Lust hat, bestimmte Aufgaben zu erledigen, wird diese immer weiter vor sich her schieben und sich stattdessen mit typischer Scheinarbeit beschäftigen. Der Vorgesetzte und die anderen Mitarbeiter sollen schließlich nicht merken, dass man nichts tut. So werden unwichtige Aufgaben und Lückenfüller vorgezogen statt sich um das eigentliche Projekt zu kümmern.
Natürlich haben wir alle hin und wieder einmal diese Phasen. Wird es jedoch zur Regel und besteht die tägliche Arbeit hauptsächlich daraus, dass wir andere Aufgaben erledigen, als wir sollten, ist es Zeit für Selbstreflexion. Möglicherweise könnte der Job nicht der richtige sein.
Scheinarbeit: Warum sie für Arbeitnehmer schlecht ist
Ebenso wie die Scheinarbeit verschiedene Ausprägungen haben kann, kann sie sich auf Arbeitnehmer ganz verschieden auswirken:
Wer sich ständig mit seinen Aufgaben verzettelt, wird nie zum Ziel kommen. Die Folge: Ein Berg von unerledigter Arbeit häuft sich an, der jeden Tag ein Stückchen größer wird.
Das setzt einen Teufelskreis aus Stress und hoher Arbeitsbelastung in Gang, der weitreichende Folgen haben kann. Angefangen dabei, dass man nur noch ungern zur Arbeit geht, über Einschlafprobleme und Schlafstörungen bis hin zu einem handfesten Burnout.
Stellen Sie sich die Frage, ob sich bei Ihnen diese Spirale schon in Gang gesetzt hat? Dann halten Sie nach folgenden Warnzeichen Ausschau:
- Sie wollen morgens nicht aufstehen. Statt ausgeruht und voller Tatendrang morgens aus dem Bett zu hüpfen, können Sie sich kaum aufraffen. Natürlich kann es sein, dass Sie einfach schlecht geschlafen haben oder reif für einen kurzen Erholungsurlaub sind. Kommen Sie jedoch regelmäßig nur schwer aus dem Bett, kann das ein Warnzeichen sein.
- Der Gedanke an die Arbeit bereitet Ihnen Bauchschmerzen. Es ist schon länger her, dass Sie sich auf die Arbeit gefreut haben. In letzter Zeit ist es aber noch schlimmer geworden. Wenn Sie nun am Wochenende daran denken, dass Sie am Montag wieder auf der Arbeit erscheinen müssen, dreht sich Ihnen der Magen um.
- Sie werden auf der Arbeit nicht herausgefordert. Statt sich spannenden Aufgaben und neuen Projekten zu widmen, beschäftigen Sie sich mit eintönigen Aufgaben und unkreativer Arbeit. Die Folge: Langeweile und Unproduktivität auf ganzer Linie.
- Sie bekommen keine Anerkennung für Ihre Arbeit. Wenn wir schon den ganzen Tag Dinge tun, die uns nicht zu 100 Prozent interessieren, dann möchten wir wenigstens Wertschätzung und Anerkennung dafür erfahren. Bleibt die aus, sinkt die Motivation noch weiter nach unten.
- Nach der Arbeit haben Sie keine Energie mehr für Freunde und Hobbys. Nach der Arbeit fahren Sie am liebsten schnell nachhause und verbringen Ihren Feierabend vor dem Fernseher. Das ist gefährlich, denn gerade ein Ausgleich zum dem täglichen Arbeitstrott ist so wichtig, um weiterhin gesund zu bleiben.
- Sie haben Probleme, abzuschalten. Statt Ihren Feierabend zu genießen und den Kopf frei zu bekommen, denken Sie ständig an die Arbeit und vor allem daran, wie ungern Sie am nächsten Tag dort wieder erscheinen. Hin und wieder kann das natürlich vorkommen, sollte es allerdings zu einem Dauerzustand werden, ist Vorsicht geboten.
- Sie beschweren sich immer häufiger über den Job. Vielleicht fällt es Ihnen zunächst nicht auf, aber spätestens wenn Sie Freunde und sogar Kollegen darauf hinweisen, dass Sie sich permanent über die Arbeit beschweren, sollten Sie etwas ändern.
Scheinarbeit: Warum sie für Unternehmen schlecht ist
Die erste Folge, die man bei Scheinarbeit immer im Auge behalten sollte, ist, dass Scheinarbeit eine Menge Geld kostet. Mitarbeiter, die mit Mikromanagement oder dem Leeren Ihres E-Mail-Postfaches beschäftigt sind, leisten in der Zeit keine produktive Arbeit. Damit zahlt das Unternehmen seinen Mitarbeitern Gehalt für Dinge, die sie nicht tun müssten und die sie von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten.
Aber nicht nur das: Wenn die Mitarbeiter mit unproduktiver Arbeit beschlagnahmt werden, haben sie weniger Zeit für die Aufgaben, die Ihr Unternehmen voranbringen. Im schlimmsten Fall bedeutet das jedoch wiederum, dass Sie weitere Mitarbeiter einstellen müssen, die die Aufgaben erledigen, wofür die Scheinarbeit-Arbeitnehmer keine Zeit mehr haben. Eben weil sie zu sehr mit Scheinarbeit statt tatsächlicher Arbeit beschäftigt sind.
Damit verlieren Sie nicht nur das Geld, das unnötiger Weise für Scheinarbeit zahlen, sondern auch das Geld, das die neuen Arbeitnehmer verdienen. Kurzum, Scheinarbeit kostet doppelt – mindestens. Oder anders ausgedrückt: Scheinarbeit kostet Geld, während wir mit echter, produktiver Arbeit Geld verdienen.
Neben einer Menge Geld, geht aber auch die Kreativität der Mitarbeiter und daher ein wichtiger Motor für Innovationen verloren. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass gleichförmige Arbeit, die wenig Platz für Selbstbestimmung lässt, nicht förderlich für Kreativität ist.
Wie kann man Scheinarbeit verhindern?
Nach all den warnenden Worten noch ein paar gute Nachrichten zum Abschluss: Gegen Scheinarbeit und ihre Folgen kann man etwas unternehmen. Das zum Beispiel:
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Das können Sie gegen schlechtes Selbstmanagement tun
Wenn Sie merken, dass die Mutter all Ihrer Probleme das ständige Verzetteln ist, sollten Sie hier ansetzen:
- Setzen Sie sich klare zeitliche Vorgaben für Aufgaben. Kennen Sie das Parkinsonsche Gesetz? Falls Sie Probleme haben, Deadlines einzuhalten, ist es Ihnen sicherlich schon einmal begegnet. Es besagt, dass wir umso länger für eine Aufgabe brauchen, je mehr Zeit wir uns dafür geben. Damit ist aber auch der Ausweg ganz einfach: Legen Sie feste Zeitlimits für Aufgaben fest. Sie werden sehen, dass Sie sich nach einiger Zeit daran gewöhnen können und Aufgaben schneller erledigen.
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Das können Sie gegen Mikromanagement tun
Da Mikromanagement in der Regel mit Ihrem Vorgesetzten zusammenhängt, sollten Sie äußerst behutsam vorgehen. Schließlich möchten Sie unter keinen Umständen den Eindruck vermitteln, dass Sie ihn maßregeln oder sich über ihn beschweren möchten.
Am besten üben Sie wichtige Punkte Ihrer Argumentation schon zuhause. Entweder vor dem Spiegel oder mit einem Bekannten, der Ihnen Feedback geben kann. Suchen Sie dann ein Gespräch unter vier Augen mit Ihrem Vorgesetzten und bleiben Sie dabei durchgehend freundlich und höflich. Beschreiben Sie, was das Mikromanagement bei Ihnen auslöst und wie es zu Scheinarbeit führen kann. Unterbreiten Sie im Idealfall schon Lösungsvorschläge. So zeigen Sie sich engagiert und Ihr Vorgesetzter merkt, dass Sie im Sinne des Unternehmens argumentieren. -
Das können Sie sonst noch tun
Sollten die Gründe für Ihre Scheinarbeit ausschließlich bei Ihnen liegen und schlechtes Selbstmanagement damit nichts zu tun haben, heißt es Karten auf den Tisch: Ist der Job wirklich der richtige für Sie? Beantworten Sie sich selbst ganz ehrlich die Frage, warum Sie den Job machen. Sind Sie durch Zufall in die Branche gerutscht? Machen Sie den Job nur, weil Sie Geld verdienen müssen? Wollen Sie in Wirklichkeit etwas ganz anderes machen? Dann ist der Punkt für eine berufliche Neuorientierung gekommen, bevor Sie noch länger Zeit mit Scheinarbeit verschwenden.
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