Aufmerksamkeitssucht – eine Persönlichkeitsstörung?
Schnell unterstellt man Kollegen, die sich ständig in den Vordergrund drängeln eine Aufmerksamkeitssucht. Eine wirkliche Aufmerksamkeitssucht ist jedoch selten.
Die Psychologie bezeichnet Aufmerksamkeitssucht als „histrionische Persönlichkeitsstörung“ – histrionisch bedeutet: schauspielernd, übertreibend oder theatralisch.
Zu unterscheiden ist diese Störung von Narzissmus oder Borderline: Während Narzissten uneingeschränkte Bewunderung fordern, zeichnen sich Borderliner durch ein geringes Selbstwertgefühl aus.
Aufmerksamkeitssucht: Männer seltener als Frauen
Von 100 Personen leiden etwa ein bis drei an einer histrionischen Persönlichkeitsstörung. Untersuchungen zufolge trifft das Verhalten häufiger bei Frauen, seltener bei Männern auf.
Aufmerksamkeitssucht Symptome
Aufmerksamkeitssüchtige überzeichnen gerne, fallen durch eine fast schon absurd wirkende Steigerung der Emotionalität auf und wollen unbedingt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gelangen. Der Kern des gesamten Verhaltens basiert auf einer einfachen Prämisse: Auffallen um jeden Preis. Hinzu kommt oftmals manipulatives Verhalten, die Aufmerksamkeitssucht führt also auch dazu, dass andere gezielt beeinflusst werden, um sich selbst aufzuspielen.
Aufmerksamkeitssucht Ursachen und Gründe
Die Ursachen für dieses Verhalten können genetischer Natur sein. In anderen Fällen liegen die Gründe in der Kindheit. So kann der übersteigerte Wunsch nach Beachtung eine Reaktion auf eine Vernachlässigung in jungen Jahren sein. Durch eine Überkompensation überschreiten die Betroffenen das normale Maß weit. Ebenso sind andere Faktoren denkbar. Beispielsweise wenn es nie Kritik oder eine angemessene Reaktion gab, wenn sich jemand durch theatralisches Verhalten in den Mittelpunkt drängt.
Folgen von Aufmerksamkeitssucht
Wer mit aufmerksamkeitssüchtigen Personen zu tun hat, weiß aus eigener Erfahrung, wie anstrengend der Umgang mit ihnen ist. Reines Ignorieren hilft nur bedingt, ebenso wie wenn Sie darauf eingehen. Die Aufmerksamkeitssucht lässt sich ohnehin nur kurzfristig befriedigen – und dann meist auch nur durch direktes Feedback, sei es Bestätigung, Anerkennung und Lob oder auch Ablehnung. Der Aufmerksamkeitssüchtige provoziert ständige Reaktionen seines Gegenübers.
Genau hier liegen zwei Probleme: Niemand will sich zu dauerhaftem Beifall hinreißen lassen, nur um seine Ruhe zu haben. Erschwerend kommt hinzu, dass Aufmerksamkeitssucht das Verhalten anderer beeinträchtigt. So wird es Ihnen beispielsweise viel schwerer fallen, sich selbst positiv in Szene zu setzen, wenn ständig jemand anders versucht, Ihnen die Show zu stehlen. Im privaten Rahmen mag das lediglich ärgerlich sein und darin münden, dass Sie die Person in Zukunft meiden. Aber im Job geht Ihnen möglicherweise die Chance verloren, sich für eine Beförderung oder Gehaltserhöhung zu qualifizieren.
Histrionische Persönlichkeitsstörung Test: Aufmerksamkeitssüchtige erkennen
Einen aufmerksamkeitssüchtigen Kollegen (oder Kollegin) erkennen Sie zielsicher daran, dass er oder sie immer den Weg in den Vordergrund findet. Er präsentiert sich und sorgt mit dramatischen Mitteln dafür, dass man noch lange im Nachhinein über ihn spricht. Einige Kollegen schaffen es aber, ihre Aufmerksamkeitssucht subtiler zum Ausdruck zu bringen.
Die folgenden Punkte können Sie als eine Art Test sehen und Zutreffendes direkt im Browser abhaken. Treffen mehr als drei Aussagen zu, spricht viel dafür, dass ein Kollege nicht ohne ständige Aufmerksamkeit glücklich werden kann:
- Bei wirklich jeder einzelnen Gelegenheit meldet er sich zu Wort.
- Ungefähr alle fünf Minuten sucht er nach Bestätigung.
- Sein Aussehen ist ihm sehr wichtig.
- Für andere empfindet er maximal oberflächliche Gefühle.
- Sein Stil kann durchaus als exzentrisch beschrieben werden.
- Haben andere kritische Anmerkungen, ist er schnell gekränkt.
- Er ist bereit zu lügen, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
- Übertreibung in jeder Lebenslage ist als Beschreibung für ihn noch untertrieben.
- Sein Verhalten ist provokant, dem anderen Geschlecht gegenüber oftmals bewusst verführerisch.
- Er wechselt im Sekundentakt seine Emotionen.
- Schnell fühlt er sich vernachlässigt und benachteiligt, wenn andere mehr Aufmerksamkeit bekommen.
- Ihm wird schnell langweilig, weshalb er Abwechslung und Abenteuer sucht.
Achtung: Der obige Test ersetzt keine psychologischen Testverfahren. Psychologisch geschulte Experten greifen zu standardisierten Tests, um krankhafte Aufmerksamkeitssucht beziehungsweise eine histrionische Persönlichkeitsstörung zu ermitteln. Beispielsweise führen sie strukturierte Interviews, fragen mithilfe von Checklisten Persönlichkeitsmerkmale ab oder geben Fragebögen zur Selbstbeurteilung an Betroffene aus.
Wie lässt sich mit Aufmerksamkeitssucht umgehen?
Gerät die Aufmerksamkeitssucht eines Kollegen für Sie persönlich zum Problem, braucht es eine Lösung. Dabei sei auch gesagt: Sollten Sie es mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung im psychologischen Sinne zu tun haben, können Sie selbst kaum etwas tun. Der Betroffene braucht in diesem Fall therapeutische Unterstützung. Selbst dann ist es ein langwieriger Prozess, da Aufmerksamkeitssüchtige ihr Verhalten oftmals nicht als falsch erkennen.
Bei einem gesteigerten Aufmerksamkeitswunsch des Kollegen hingegen gibt es Wege, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Wir haben einige Tipps, die Ihnen im Umgang mit Aufmerksamkeitssucht helfen können:
1. Sprechen Sie das Verhalten an
Gesteigerter Aufmerksamkeitsdrang kann zur Gewohnheit werden, wenn nie darauf reagiert wird und Menschen immer damit durchkommen. Eine mögliche Reaktion ist deshalb die direkte Konfrontation. Machen Sie deutlich, wie das Verhalten auf Sie wirkt und dass Sie es absolut nicht in Ordnung finden, dass Ihr Gegenüber versucht, sich bei jeder Gelegenheit zu profilieren. Das kann funktionieren, möglicherweise fühlt eine aufmerksamkeitssüchtige Person sich aber auch einfach nur im eigenen Verhalten bestätigt – immerhin bekommt sie jetzt genau das, was sie von Anfang an wollte: Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
2. Ignorieren Sie alle Versuche
Genau aus dem obigen Grund kann auch das genaue Gegenteil eine sinnvolle Reaktion sein: Gehen Sie über jeden Versuch hinweg, Ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Lassen Sie sich nicht dazu provozieren, Ihre Meinung zu äußern oder mit einer anderen Form der Aufmerksamkeit zu reagieren. Das klingt allerdings deutlich einfacher, als es in Wahrheit ist. Wer wirklich auf der Suche nach Aufmerksamkeit ist, wird nahezu alles versuchen, um diese auch zu bekommen. Bis ein Lerneffekt eintritt, kann es daher einige Nerven kosten.
3. Setzen Sie klare Grenzen
Hin und wieder braucht jeder etwas Zuspruch und Aufmerksamkeit. Vermeiden Sie weitere Fragen, die das Gespräch in die Länge ziehen könnten. Wenn Sie von einem Kollegen wissen, dass er besonders gern und ausschweifend redet, setzen Sie klare Grenzen. Beispielsweise könnten Sie ein zeitliches Limit direkt zu Beginn des Gesprächs setzen. Ist das erreicht, sollten Sie das Gespräch beenden. Alternativ können Sie an Ihrem Handy ein Alarmsignal für die Dauer Ihrer Unterhaltung einrichten.
4. Suchen Sie sich Verbündete
Die Aufmerksamkeitssucht eines Kollegen wird sicherlich nicht nur Ihnen, sondern auch einigen anderen negativ auffallen. Nutzen Sie dies zu Ihrem Vorteil: Suchen Sie sich einige Gleichgesinnte, mit denen Sie gemeinsam handeln können. Wichtig ist dabei, dass Sie nicht in der Gruppe die kollektive Aufmerksamkeit auf die betreffende Person richten – das wäre nur kontraproduktiv. Zusammen sollten Sie deshalb lieber den zweiten Weg wählen und versuchen, die Aufmerksamkeit komplett zu entziehen.
5. Drängen Sie selbst in den Vordergrund
Dieses Verhalten liegt nicht jedem. Doch es kann eine gute Maßnahme sein, um dem Kollegen sein eigenes Verhalten zu spiegeln. Immer wenn Sie merken, dass der Kollege wieder einmal auf die Aufmerksamkeit des gesamten Teams aus ist, machen Sie dem einen Strich durch die Rechnung, indem Sie sich selbst in den Mittelpunkt stellen. Berichten Sie von einem Ihrer aktuellsten Erfolge, verbreiten Sie wichtige Informationen oder machen Sie irgendwas anderes, damit Augen und Ohren auf Sie gerichtet sind. Besonders gut funktioniert dies, wenn es im Vorfeld mit den anderen Kollegen abgesprochen ist.
6. Lassen Sie sich nicht auf Spielchen ein
Eine der wichtigsten Grundregel im Umgang mit Aufmerksamkeitssucht lautet: Bleiben Sie in jedem Fall ruhig, nehmen Sie es nicht persönlich und lassen Sie sich nicht auf Manipulationsversuche ein. Wer Aufmerksamkeit sucht, kann schnell höchst emotional reagieren: laut werden oder in Tränen ausbrechen – darauf reagiert schließlich fast jeder. In genau diesen Situationen sollten Sie hingegen ganz bewusst rational und ruhig agieren. Beachten Sie die Schauspielerei und Übertreibung nicht, sondern bewahren Sie einen kühlen Kopf.
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