Lerntypen: Welche gibt es nach Vester? Kritik & Alternativen

Lernen ist ein individueller Prozess. Die eine lernt Vokabeln durch wiederholtes lesen, der andere sagt sie sich laut auf… Lerntypen beschreiben diese Unterschiede. Wir zeigeb die vier Lerntypen nach Vester – und die Kritik daran – sowie einen Test mit dem Sie herausfinden, wie Sie am besten lernen…

4 Lerntypen Uebersicht Mischtypen Grafik

Definition: Was sind Lerntypen?

Lerntypen beschreiben, wie Menschen bevorzugt neues Wissen aufnehmen und verarbeiten. Die Grundannahme dahinter ist, dass Menschen besser lernen, wenn sie Lernmethoden nutzen, die zu ihrem bevorzugten Lernstil passen.

Durch die verschiedenen Lerntypen können Sie das eigene Lernen besser verstehen sowie individuell passende Lernstrategien wählen, die den Lernprozess fördern und Ihre Motivation steigern.

Was sind die Annahmen hinter dem Lerntypen-Konzept?

  • Es gibt keinen allgemein richtigen Lernweg, der für alle gleich funktioniert.
  • Menschen nehmen Wissen über verschiedene Sinneskanäle auf.
  • Jeder hat Vorlieben oder Stärken in einem oder mehreren Kanälen.
  • Passen Lernmethoden zum Lerntyp, wird Wissen effektiver aufgenommen.
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4 Lerntypen nach Vester

Das bekannteste Modell zu den Lerntypen in Deutschland ist das von Frederic Vester. Es stammt aus seinem 1975 erschienenen Bestseller „Denken, Lernen, Vergessen“. Hier stellt er die Hypothese auf: Menschen bevorzugen beim Lernen einen von vier Sinneskanälen.

Die vier Lerntypen nach Vester stellen wir genauer vor:

  1. Visuelle Lerntypen

    Visuelle Lerntypen müssen Dinge sehen, um die Informationen verstehen zu können. Sie prägen sich Wissen besonders gut über die bildliche Darstellung und das Lesen ein.

  2. Auditive Lerntypen

    Der auditive Lerntyp lernt über das Zuhören. Mündliche Erklärungen finden ihren Weg schnell ins Gedächtnis. Gehörtes wird gut und schnell abgespeichert und ins Langzeitgedächtnis übertragen.

  3. Haptische Lerntypen

    Der haptische Lerntyp (auch: motorischer oder kinästhetische Lerntyp) muss selbst aktiv werden und braucht praktische Anwendung oder Erfahrung, um bestmöglich zu lernen. Dieser Typ profitiert vor allem vom Learning by doing. Theorielastige Ausbildungen und Studiengänge fallen ihm jedoch schwer.

  4. Kommunikative Lerntypen

    Der kommunikative Lerntyp (auch: auch kognitiver, intellektueller oder abstrakt-verbaler Lerntyp) braucht den Austausch mit anderen. Dieser Typ gestaltet zum Beispiel den Unterricht aktiv mit, stellt viele Fragen und sucht andere Ideen und Meinungen. Das Wissen wird sozial verarbeitet und gefestigt.

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Welche Methoden passen zu den Lerntypen?

Jeder Lerntyp nimmt Informationen anders auf. Entsprechend gibt es passende Methoden für jeden dieser Typen – etwa beim Auswendig lernen. Unsere Übersicht zeigt die besten Ansätze:

    Für visuelle Lerntypen

  • Bilder und Grafiken
  • Mindmaps oder Concept Maps
  • Tabellen und Diagramme
  • Sketchnotes und Zeichnungen
  • Lernposter
  • Notizen und Schaubilder
  • Videos und Animationen
  • Praxis-Tipp: Verwenden Sie Farben und Symbole, um Inhalte visuell zu strukturieren.

    Für auditive Lerntypen

  • Lernstoff laut wiederholen (siehe: Feynman-Methode)
  • Podcasts und Hörbücher
  • Vorträge anhören
  • Diskussionen führen
  • Audioaufnahmen des eigenen Vortrags erstellen
  • Praxis-Tipp: Lesen Sie sich Texte und Inhalte laut vor oder lassen Sich sich Lernstoff erklären und diskutieren Sie darüber.

    Für haptische Lerntypen

  • Experimente und Praxisübungen
  • Simulationen oder Modellbau
  • Rollenspiele und -übungen
  • Bewegung und Aktivität
  • Gesten oder haptische Elemente
  • Praxis-Tipp: Verbinden Sie den Lernstoff mit aktiven Handlungen, zum Beispiel Gesten beim Sprachenlernen oder Memory-Steine, die Sie in die Hand nehmen können.

    Für kommunikative Lerntypen

  • Fragen und Debatten
  • Gruppenarbeit und Partnerinterviews
  • Lerngruppen und gegenseitige Erklärungen
  • Praxis-Tipp: Größte Hilfe sind Lerngruppen und gemeinsame Bearbeitung oder Vorbereitung von Themen. Je mehr über Inhalte gesprochen wird, desto besser.

Kritik an den Lerntypen nach Vester

Laut Vesters Lerntypen reicht der richtige Sinneskanal aus, um effektives Lernen zu fördern. An seiner Lerntheorie gibt es aber viel Kritik:

  • Die meisten Menschen sind Mischtypen

    Schon Vester merkte, dass keiner seiner Lerntypen in Reinform vorkommt. Die meisten Persönlichkeiten sind Mischtypen. Genauso wichtig ist die Art des Lernstoffs: Wer eine Fremdsprache lernen will, greift auch als visueller Lerntyp auf Audiomaterial zurück, um die korrekte Aussprache zu erlernen. Ebenso unverzichtbar ist z.B. das Haptische für Architekten, wenn Studierende Modelle von Gebäuden erstellen.

  • Die Kategorisierung ist nicht stimmig

    Beim visuellen, auditiven und haptischen Lerntypen steht jeweils ein Sinnesorgan (Auge, Ohr, Tastsinn) im Zentrum. Der vierte Lerntyp hingegen beschreibt den Verstehens- und Verarbeitungsprozess. Das wirft Fragen auf: Mit welchem Sinnesorgan wurde zuvor das Wissen aufgenommen? Werden die Informationen der anderen Lerntypen nicht kognitiv verarbeitet?

  • Informationenen aufnehmen ist nicht gleich Lernen

    Die Theorie der Lerntypen macht keinen Unterschied zwischen der Aufnahme von Informationen und dem tatsächlichen Lernen. Kognitive Prozesse bei der Verarbeitung, individuelle Merkfähigkeit, Auffassungsgabe sowie die Geschwindigkeit beim Lernen werden ignoriert.

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Sind die Lerntypen widerlegt?

Es ist unbestritten, dass es verschiedene Lerntypen sowie Vorlieben und Stärken bei der Aufnahme von Wissen und Informationen gibt. Es gilt inzwischen aber als wissenschaftlich widerlegt, dass die Nutzung des bevorzugten Sinneskanals messbare Auswirkungen auf den Lernerfolg hat.

Studien zeigen: Effektiver ist das Lernen über mehrere Kanäle (sog. Multimodalität). Der aktuelle Forschungsstand geht davon aus, dass der Lernerfolg entscheidend vom Inhalt, der Methodenvielfalt und strategischem Lernen abhängt.

Was bedeutet das für die Praxis?

Nutzen Sie die Lerntypen als Orientierungshilfe, lassen Sie sich davon aber nicht begrenzen. Suchen Sie stattdessen nach Methoden und Lerntechniken, mit denen Sie das Lernen abwechslungsreicher und vielfältiger gestalten. Verwerfen Sie keine Methoden, sondern ergänzen Sie unterschiedliche Strategien und mixen Sie diese. Je mehr Sinneskanäle Sie einbeziehen, desto größer die Behaltenskurve!

Lerntypen nach Vester – Vorteile
Lerntypen nach Vester – Nachteile
  • Starke Vereinfachung komplexer Prozesse
  • Wissenschaftlich widerlegt
  • Gefahr von Schubladendenken
  • Bessere Lerneffekte durch Kombination

Lerntypen Test zum Ausdrucken mit Auflösung

Sie wollen wissen, welcher Lerntyp Sie selbst sind? Dann absolvieren Sie noch unseren kostenlosen Lerntypentest. Der ersetzt natürlich keine tiefenpsychologische Analyse, gibt Ihnen aber eine erste, wertvolle Orientierung und Selbsteinschätzung:

Zum Lerntypentest mit Auswertung

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Was sind die Lernstile nach Kolb?

Neben den bekannten Lerntypen gibt es die Lernstile des amerikanischen Psychologen und Bildungstheoretikers David Kolb. Die Lernpsychologie beschäftigt sich mit der Frage, welche kognitiven und psychologischen Prozesse beim Lernen ablaufen. Kolb geht davon aus, dass das Lernen ein Prozess in vier Lernschritten ist.

Mittels der vier Lernschritte leitet Kolb vier Lerntypen und Lernstile ab:

  1. Diverging – Der Entdecker

    Der Entdecker sammelt Erfahrung und lernt aus der Reflexion gemachter Erfahrungen.

  2. Assimilating – Der Denker

    Ausgangspunkt sind reflektierte Beobachtungen, aus denen der Denker Theorien und Begriffe bildet.

  3. Converging – Der Entscheider

    Abstrakte Begriffsbildung, aber auch aktives Ausprobieren der Theorien zeichnet den Entscheider aus.

  4. Accomodating – Der Praktiker

    Durch aktives Experimentieren gelangt der Praktiker an seine Erfahrungen.

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Lerntypen im 4-Mat-System

Basierend auf den vier Lerntypen nach Kolb entwickelte die amerikanische Lernforscherin Bernice McCarthy das „4-Mat-System“. McCarthy nutzte für ihr Modell mehr als 25 Jahre Lehrerfahrung und konnte es durch Studien in der Schule belegen. Demnach lassen sich diese vier Lerntypen ausmachen:

  1. Der WARUM-Lerner

    Dieser Lerntyp hinterfragt, warum etwas zu Lernendes für ihn relevant sein soll. Prozentual gehören die meisten Menschen (35 Prozent) zu diesem Typus. Bleibt eine für ihn plausible Erklärung aus, verliert er schnell das Interesse. Am besten fängt man diesen Lerntypus mit gutem Storytelling und praktischen Beispielen ein.

  2. Der WAS-Lerner

    Zahlen, Daten, Fakten: 20 Prozent aller Menschen zählen zu diesem Lerntyp – unter Wissenschaftlern kommt er besonders häufig vor. Der WAS-Lerner interessiert sich für Abläufe, Prozesse, Hintergründe und bohrt kritisch nach. Ohne Beweise in Form von Statistiken oder Studien, die Aussagen belegen, lässt er sich kaum überzeugen.

  3. Der WIE-Lerner

    WIE-Lerner sind Macher und versuchen, Dinge in die Praxis umzusetzen. Wie funktioniert etwas? Testen, Ausprobieren und Herumtüfteln sind typische Vorgehensweisen. Dieser Lerntyp ist ebenfalls mit 20 Prozent vertreten. Die Theorie hinter einer Sache interessiert ihn weniger, wichtig ist die Umsetzung.

  4. Der WAS-WÄRE-WENN-Lerner

    Die restlichen 25 Prozent im 4-Mat-System verteilen sich auf die WAS-WÄRE-WENN-Lerner. Sie brauchen den konkreten Zukunftsausblick, wie sich das Gelernte anwenden lässt und welche Auswirkungen es hat. Dafür nehmen diese Lerner zunächst Informationen auf, reflektieren und probieren anschließend aus. Oft verlassen sie sich dabei auf ihr Bauchgefühl.


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