Definition: Was ist Cheffing?
Der Begriff Cheffing ist ein Kunstwort. Gemeint ist die Führung von unten – also vertauschte Rollen im Job. Doch auch wenn das zunächst negativ und nach Palastrevolte klingt – im Kern hat Cheffing das Ziel, im Sinne der gemeinsamen Sache positiv auf den Vorgesetzten einzuwirken.
Mitarbeiter, die Cheffing betreiben, versuchen die Führungskraft zu beeinflussen und bestimmte Entscheidungen oder Verhaltensweisen hervorzurufen. Dabei muss es nicht um den eigenen Vorteil der Angestellten gehen, Ziel beim Cheffing ist es meist, eine insgesamt bessere Führungsarbeit zu erreichen, von der am Ende alle profitieren.
Zugegeben, Cheffing bleibt trotzdem eine Form der gezielten Manipulation. Mit dem Unterschied, dass der Mitarbeiter prinzipiell nichts Böses im Schilde führt oder heimlich die Führung übernehmen will. Natürlich will er seinen Einfluss vergrößern, den Chef gewissermaßen „erziehen“. Im besten Fall entsteht daraus aber eine Win-win-Situation.
Was ist Cheffing, Bossing oder Staffing
Nicht zu verwechseln ist Cheffing übrigens mit zwei anderen Begriffen, die zwar ähnlich klingen, aber unbedingt zu differenzieren sind:
- Bossing: Von Bossing wird gesprochen, wenn der Chef seine Mitarbeiter mobbt.
- Staffing: Dies bezeichnet andersherum die Situation, dass Mitarbeiter ihren Chef mobben.
Gründe: Wann kann Cheffing sinnvoll sein?
Führung im Unternehmen geht in der Regel vom Chef aus, doch zeigt sich in der Praxis immer wieder: Nur weil jemand in der Position einer Führungskraft arbeitet, sind nicht automatisch die benötigten Fähigkeiten vorhanden. Viele Mitarbeiter müssen die leidvolle Erfahrung machen, dass Chefs die Führungsaufgaben nicht ernst nehmen oder gänzlich vernachlässigen.
Verständlich, dass Mitarbeiter mit der beruflichen Situation nicht glücklich sind, wenn von Führungskräften nichts kommt außer Einbahnstraßen-Kommunikation und gelegentliche Wutausbrüche, wenn ein Projekt nicht wie geplant abläuft. Ärgern allein bringt jedoch wenig, Cheffing hingegen kann die Situation verbessern und tatsächlich Abhilfe schaffen. Die Gründe und möglichen Ursachen für Cheffing können dabei verschieden sein:
-
Schlechte Entscheidungen
Wichtige Entscheidungen fallen in den Aufgabenbereich von Führungskräften. Solche Entscheidungen können großen Einfluss auf das gesamte Team haben – und nicht selten möchte man bei der Wahl nur mit dem Kopf schütteln und fragt sich: Was hat der Chef sich dabei nur gedacht? Neigt ein Vorgesetzter dazu, schlechte Entscheidungen zu treffen oder bahnt sich eine fehlerhafte Wahl an, kann Cheffing genutzt werden, um die Entscheidung in eine andere Richtung zu lenken.
-
Fehlende Kommunikation
Einige Führungskräfte halten Kommunikation scheinbar für überflüssig, zumindest lässt das völlige Fehlen dieser darauf schließen. Für Mitarbeiter eine schwierige Situation, wenn Ziele und Erwartungen nicht klar kommuniziert werden oder Informationen nur in Teilen im Team ankommen.
-
Kein Delegieren
Ein anderer Grund, warum Mitarbeiter zum Cheffing greifen: Nicht jeder Chef kann Aufgaben und Verantwortungen delegieren. Obwohl im Team hochqualifizierte Experten sind, wollen Vorgesetzte alles selbst machen und entscheiden. Darunter leiden die Ergebnisse und die Zufriedenheit der Angestellten.
-
Geringe Kompetenz
So hart es klingt: Mancher Chef ist schlichtweg schlecht in seinem Job. Es fehlen wichtige Führungskompetenzen und für alle anderen ist es fraglich, wie die Person es in eine Führungsrolle geschafft hat. Wer unter einen schlechten Chef leidet, kann durch Cheffing die Führung von unten übernehmen.
Cheffing: Die Risiken der Einflussnahme
Gelingt das Manöver, kann sich das Arbeitsklima und die Produktivität im Unternehmen nachhaltig erhöhen. Allerdings bringt Cheffing auch Nachteile mit sich.
Beispielsweise dann, wenn das Cheffing so weit geht, dass ein starker Mitarbeiter eine schwache Führungskraft informell in der Hierarchie überflügelt, dessen Autorität untergräbt oder gar dessen Führungsaufgaben de facto übernimmt. Wenn jemand beginnt, an Stelle des Vorgesetzten zu koordinieren, zu delegieren oder als Ansprechpartner für noch höhere Hierarchiestufen aufzutreten, kann es gefährlich werden. Das kann dazu führen, dass derjenige, der das Cheffing betreibt…
- letztlich den Vorgesetzten gegen sich aufbringt.
- für Unruhe und Irritationen im Unternehmen sorgt.
- keine Zeit mehr für seine eigentlichen Aufgaben findet.
- den Neid und Unmut der Kollegen auf sich zieht.
Bevor Sie sich also auf diesen Pfad begeben, wägen Sie die Risiken genau ab und agieren Sie hierbei mit größter Sorgfalt und Behutsamkeit.
So können Sie durch Cheffing Einfluss nehmen
Gemeinsamkeiten suchen
Wie tickt Ihr Chef? Möglicherweise ist er jemand, der keine Briefings erstellt, aber hinterher sauer ist, wenn die Aufgaben nicht zu seiner Zufriedenheit erfüllt wurden. Oder jemand, der immer unterwegs und nie erreichbar ist. Choleriker, Narziss, Geheimniskrämer?
Die erste Regel: Wer Einfluss auf seinen Chef nehmen will, muss ihn zunächst kennen. Darum: Seien Sie ein guter Beobachter. Wie verhält er oder sie sich, welchen Tagesrhythmus pflegt er, wie reagiert er auf Druck usw.? Konkret zunutze machen können Sie sich dann die Spiegeltechnik, auch als „Chamäleon-Effekt“ bekannt. Er besagt: Wenn Sie Ihr Verhalten dem Ihres Gegenübers anpassen, dann wirken Sie auf ihn sofort sympathischer.
Anliegen nachgehen
Die Erfahrung zeigt: Wer nicht nachfasst, hört nie wieder etwas vom Unternehmen. Das gilt etwa für Vertriebler, manchmal auch für Bewerber. Und das gilt auch für Mitarbeiter im Umgang mit ihrem Chef. Denken Sie daran: Ihr Chef erhält täglich mehr Input als ein gewöhnlicher Facebook-Account. Wichtig daher: Nachfassen, nachhaken, nachlaufen – auch wenn es Ihren Stolz verletzt. Lassen Sie Ihre Anregungen nicht aus Höflichkeit ins Leere laufen.
Wenn Sie eine interne Präsentation vorgestellt haben, bitten Sie um ein Feedback. Wenn Sie eine Idee per Mail verschickt haben, rufen Sie hinterher an. Wenn Sie eine Gehaltserhöhung ausgemacht haben, pochen Sie auf den Termin. Irgendwann wird Ihr Chef merken, dass Sie sich nicht abwimmeln lassen – und sein Verhalten (hoffentlich) ändern.
Verlässlichkeit einfordern
Eine Umfrage des Institus für Demografie in Allensbach förderte vor einigen Jahren zutage, welche Eigenschaften die Deutschen am meisten schätzen. Die drei Kardinaltugenden sind demnach: Ehrlichkeit, Offenheit und Verlässlichkeit.
Verlässlichkeit ist auch ein Markenzeichen eines guten Mitarbeiters. Zeigen Sie Ihrem Vorgesetzten, dass Sie verlässlich und verbindlich sind. Zum Beispiel, indem Sie Deadlines einhalten, pünktlich sind oder keine Aufgaben vergessen. Aber fordern Sie im Gegenzug auch Verlässlichkeit von Ihrem Chef ein. Eine Spitze hier und da könnte weiterhelfen:
- Kann ich mit dem Briefing heute noch wie abgemacht rechnen?
- Diesmal bleibt es ja bei unserem Termin, oder?
- Da ist doch wohl hoffentlich nicht schon wieder etwas schiefgegangen?
Anerkennung ausdrücken
Laut Meinungsforschungsinstitut Gallup sind schlechte Vorgesetzte wahre Produktivitätskiller für die deutsche Wirtschaft. Der gehen angeblich 105 Milliarden Euro jährlich durch die Lappen, weil so viele Mitarbeitern die Freude an der Arbeit vergrätzt werde. Die Folge bei vielen: innere Kündigung und Dienst nach Vorschrift. Experten empfehlen daher Mitarbeiter fair und respektvoll zu behandeln, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. Nach dem Motto: Auch mal loben!
Was oft vergessen wird: Auch Chefs wollen Wertschätzung erfahren. Sorgen Sie dafür! Zeigen Sie Anerkennung, wenn Ihr Chef eine gute Leistung gebracht oder Sie unterstützt hat. Ein Mitarbeitergespräch ist dafür beispielsweise eine gute Gelegenheit.
Alternativen anbieten
Was tun, wenn der Chef Ihnen ein sinnentleertes Projekt überträgt? Verweigern, jammern, meckern – das sind schlechte Lösungen. Bringen Sie sich lieber als konstruktiver Ideengeber ein. Und bearbeiten Sie ihn subtil. Zum Beispiel so:
- Das könnte funktionieren, aber ich wüsste, was NOCH besser anschlagen würde…
- Was halten Sie davon, wenn ich stattdessen A und X mache?
- Ich hätte da einen besseren Vorschlag…
Wenn Ihre Bemühungen ins Leere laufen, müssen Sie einen Gang hochschalten. Überträgt Ihr Chef Ihnen also eine neue Aufgabe der Kategorie „Husch, husch, mach die mal schnell bitte!“, dann könnten Sie entgegnen:
- OK, aber welches von meinen alten Projekten soll ich dafür stoppen?
- Welche meiner anderen Aufgaben ist nicht so wichtig wie diese?
- Gut, dann höre ich so lange mit XY auf…
Eine Erziehungsmaßnahme, die meistens wirkt.
Stärke zeigen
Verhandlungen sind wie Weihnachten: Sie stehen mit schöner Regelmäßigkeit vor der Tür. Manchmal freut man sich über das, was einem da auf den Gabentisch gelegt wird, manchmal ärgert man sich. Und auch die Atmosphäre ist entweder heiter bis freundlich oder extrem angespannt. Die Gehaltsverhandlung ist eine wunderbare Gelegenheit, um Ihren Vorgesetzten zu bearbeiten.
Ihre Prämisse muss sein: Verhandeln Sie so, dass sich beide Seiten am Ende gut fühlen. Hoch pokern, aber am Ende Kompromisse anbieten und Alternativen ins Spiel bringen. Dienstwagen, Boni, Zuschüsse. Bereiten Sie sich daher professionell auf die Verhandlung vor. Ihr Chef soll Sie als guten, harten, aber fairen Verhandlungspartner kennenlernen. Das schindet Eindruck und zeigt, dass Sie sich nicht so leicht abkochen lassen. Und könnte sogar dafür sorgen, dass er Ihnen hinterher mehr Verantwortung überträgt.
Timing perfektionieren
Gut getaktet ist halb gewonnen. Ihre Chancen auf Erfolg sind größer, wenn Sie sich an den Dienstplan Ihres Vorgesetzten anpassen. Haben Sie ein Anliegen, tragen Sie das nicht zwischen Tür und Angel vor, sondern verabreden einen Termin. Das signalisiert unterbewusst Relevanz. „Mein Anliegen ist zu wichtig, um mal eben zwischendurch besprochen zu werden.“
Suchen Sie generell günstige Zeitpunkte, um Ihren Chef zu bearbeiten. Dann, wenn sein oder ihr Kalender weniger voll ist, wenn wichtige Termine abgehakt sind oder die Auftragslage ruhiger ist. Anderes Beispiel: Sie schieben Überstunden und sitzen um 21 Uhr noch vor Ihrem Rechner. Ihr Vorgesetzter ebenfalls, sonst aber ist kaum noch jemand da. Tragen Sie ihm jetzt eine gute Idee vor. Signal: „Ich bin der einzige Mitarbeiter, der jetzt noch da ist – und ich bin es wert, dass man mir mehr Verantwortung überträgt.“
Cheffing: Den Boss dressieren?
Bitte verstehen Sie uns nicht falsch: Natürlich sollen Führungskräfte nicht mit Tieren verglichen und schon gar nicht so behandelt werden. Allerdings lassen sich Parallelen ziehen, wenn es um die Beeinflussung des Verhaltens geht – und schon sind wir wieder beim Thema Cheffing.
Amy Sutherland ist eigentlich eine erfolgreiche Tiertrainerin, in ihrem Buch „What Shamu Taught Me About Life, Love, and Marriage“ kommt sie jedoch auf die Idee, Erkenntnisse der Dressur auf Menschen, genauer gesagt einen Ehemann, zu übertragen. Und es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszurechnen, dass dieselben Prinzipien genauso gut auf den Bürodschungel anwendbar sind und damit auf das wildeste Tier im Busch: den Boss.
Viele Mitarbeiter handeln falsch: Angenommen, Ihr Chef gibt Ihnen regelmäßig unklare Anweisungen, weil er vielleicht ein Bauchmensch ist, impulsiv entscheidet und keine Pläne mag. Jedes Mal, wenn Sie das stillschweigend hinnehmen und ausgleichen, bringen Sie ihm bei: „Ich bin ein guter Entscheider, denn am Ende kommt stets etwas Gutes dabei heraus.“ Sie verstärken negatives und schlechtes Führungsverhalten, wahrscheinlich aus Angst, dem Chef zu widersprechen. Da es in einer Hierarchie verständlicherweise oftmals schwierig ist, den Chef auszuschimpfen, bleibt Ihnen aber in jedem Fall der zweite Weg:
Verstärke vor allem positives Verhalten!
Beschweren Sie sich nicht über das Negative, sondern loben Sie und machen Sie Komplimente, wenn Ihr Chef wirklich gutes Führungsverhalten an den Tag legt. Die Kommunikation war gut, Informationen wurden frühzeitig und vollständig an alle Beteiligten übermittelt? Lassen Sie Ihren Chef wissen, wie gut alles geklappt hat. Eine gute Entscheidung hat das Team voran gebracht? Bekräftigen Sie den Schritt noch einmal und verdeutlichen Sie, dass es der richtige Weg war.
Dabei müssen Sie nicht schleimen, sondern lediglich ehrlich und offen Wertschätzung zeigen. So macht der Chef die Erfahrung, was wirklich gut war und auch im Team gut ankommt – und wird sich in Zukunft daran orientieren.
Was andere dazu gelesen haben