Gerechtigkeitsempfinden: Psychologie & Beispiele

Manchmal ist das Leben einfach unfair. Die Beförderung geht nicht an den Kollegen, der sie verdient oder unverschämtes Verhalten wird nicht bestraft. In solchen Situationen meldet sich Ihr Gerechtigkeitsempfinden. Sie erkennen die Ungerechtigkeit, spüren Frust und wollen die ungleiche Behandlung nicht einfach akzeptieren. Wir erklären, was Gerechtigkeitsempfinden ist und wie der Sinn für Gerechtigkeit entsteht…

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Definition: Was bedeutet Gerechtigkeitsempfinden?

Gerechtigkeitsempfinden (auch: Gerechtigkeitssinn) beschreibt das sensible Gespür für eine unvoreingenommene, unparteiische und gerechte Behandlung von Menschen.

Das Empfinden von Gerechtigkeit zeigt sich immer im Vergleich. Es wird zum Beispiel verletzt, wenn einzelne Personen oder Gruppen scheinbar grundlos bevorzugt oder benachteiligt werden.

Hinter dem dem Gerechtigkeitsempfinden steht das tiefverwurzelte, menschliche Bedürfnis nach Fairness und Gerechtigkeit. Beide bilden die Grundlage des sozialen Miteinanders.

Welche positiven Folgen hat Gerechtigkeit?

  • Allgemeine Chancengleichheit
  • Toleranz & Respekt
  • Gegenseitige Wertschätzung
  • Freiwillige Rücksichtnahme
  • Solidarität & sozialer Friede

Das Gerechtigkeitsempfinden spielt eine wichtige Rolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gleichzeitig ist der Gerechtigkeitssinn etwas höchst Subjektives: Was als gerecht wahrgenommen wird, kann von Person zu Person variieren – beeinflusst durch Meinungen, Erfahrungen, moralische Werte, den Kulturkreis und den eigenen gesellschaftlichen Status.

Gerechtigkeitsempfinden Synonym

Ähnliche und verwandte Begriffe für Gerechtigkeitsempfinden sind zum Beispiel: Fairness, Gerechtigkeitssinn, Gerechtigkeitsgefühl, Objektivität, Unvoreingenommenheit, Vorurteilslosigkeit oder Redlichkeit. Im Englischen heißt es „sense of justice“ oder „justice“ (= Gerechtigkeit).

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Gerechtigkeitsempfinden in Deutschland

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hat die Mehrheit in Deutschland (79 Prozent) das Gefühl, im Land gehe es nicht gerecht zu. Das betrifft die Verteilung von Vermögen und Gütern zwischen Bürgern und Generationen genauso wie die empfundene Fairness bei Bildungs- und Aufstiegschancen oder dem eigenen Gehalt.

Seit Jahren existiert z.B. ein Gender Pay Gap in Deutschland, wonach Frauen – selbst nach statistischer Bereinigung – im Schnitt 6 Prozent weniger verdienen als Männer in gleicher Position und mit gleicher Qualifikation.

Beispiele für Ungerechtigkeit

Ungerechtigkeit gibt es überall – im Beruf, im Privatleben, beim Sport. Einige Beispiele:

  • Bewerber werden aufgrund ihres Namens oder Alters abgelehnt.
  • Die Beförderung geht an einen Kollegen, der sie nicht verdient.
  • Der Kollege klaut die Idee und wird dafür auch noch gelobt.
  • Generell: Jemand bekommt etwas, das ihm oder ihr nicht zusteht.
  • Die Fußballmannschaft gewinnt das Spiel durch falsches Elfmeter.
  • Ein Partner kümmert sich allein um den ganzen Haushalt.

Gemeinsame Regeln können zwar Gerechtigkeit fördern – müssen sie aber nicht! Dazu braucht es stets noch ein faires Verhalten und den Willen, die Regeln einzuhalten.

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Fairness und Gerechtigkeit im Job

Fairness Gerechtigkeit Modell Greenberg Colquitt

Equity-Theorie zum Gerechtigkeitsempfinden

Der amerikanische Sozialpsychologe John Stacey Adams entwickelte die sogenannte Equity-Theorie (auch: Gleichheits- oder Billigkeitstheorie), wonach Menschen in sozialen Austauschsituationen nur dann Leistung (= Input) bringen, wenn sie über kurz oder lang eine gleichwertige, gerechte Gegenleistung (= Outcome) erhalten.

Die Theorie bezieht sich nicht nur auf den Job. Sie gilt für alle Situationen, bei denen eine Art Tauschbeziehung besteht. Beispiele:

Input

Output

Bildung Gehalt
Erfahrung Respekt
Leistung Beförderung
Zeitaufwand Anerkennung
Erfolg Status
Liebe Treue
Attraktivität Sympathie
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Wann entwickelt sich Gerechtigkeitsempfinden?

Stand heute ist unklar, ob das Gerechtigkeitsempfinden angeboren und genetisch bedingt ist. Fest steht aber: Der Gerechtigkeitssinn entwickelt sich früh in der Kindheit. Kinder lernen vor allem von dem Vorbild der Eltern, was gerecht ist und was nicht, und orientieren sich an wichtigen Bezugspersonen.

Studien zeigen, dass Kinder bereits mit 15 Monaten einen Gerechtigkeitssinn und Empfinden für gerechtes Teilen entwickeln. Mit 2-3 Jahren setzen sich die Kinder dann schon dafür ein, dass jeder gleich viel erhält.

Pubertät macht kurz egoistisch

Je älter wir werden, desto stärker wächst das Gerechtigkeitsempfinden für andere. Im Alter von 4-5 Jahren erkennen Kinder, ob andere weniger haben und sind bereit, freiwillig abzugeben und zu teilen. Einen Rückschritt macht diese Entwicklung im Alter von 12-14 Jahren: Jugendliche werden kurzfristig egoistisch – als Grund vermuten Wissenschaftler die Pubertät und die Veränderung des Gehirns.

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Was tun bei Ungerechtigkeit?

Wenn Sie Ungerechtigkeit erleben oder selbst davon betroffen sind, können Sie immer etwas tun. Falsch wäre es natürlich, selbst mit unfairem Verhalten zu reagieren. Das führt nur in eine Abwärtsspirale und eskaliert den Konflikt. Besser sind diese drei Schritte:

  1. Hinterfragen Sie Ihre Gefühle

    Zunächst müssen Sie analysieren, ob wirklich eine Ungerechtigkeit vorliegt. Es ist leicht, sich ungerecht behandelt zu fühlen. Das entspricht aber nicht immer der Wahrheit. Kennen Sie wirklich alle Fakten? Haben Sie wirklich nichts versäumt? Ihr Gerechtigkeitsempfinden sollte nicht vorschnell urteilen, bevor Sie sich ein umfassendees Bild gemacht haben.

  2. Suchen Sie das Gespräch

    Ein offenes 4-Augen-Gespräch mit allen Beteiligten schafft Klarheit. Verfahren werden transparent; Sie können Gründe nachvollziehen. Dabei geht es aber zunächst nicht um Vorwürfe, sondern allein um ein besseres Verständnis!

  3. Schlagen Sie eine Lösung vor

    Liegt tatsächlich eine Ungerechtigkeit vor, sollten Sie eine Lösung vorschlagen. Ist zum Beispiel die Bezahlung ungerecht, können Sie eine Gehaltsanpassung verhandeln. Verhält sich eine Freundin unfair, können Sie Besserung verlangen.

Gleichzeitig gilt: Nicht jede Ungerechtigkeit lässt sich aus der Welt schaffen. Das Leben spielt nicht immer fair. In dem Fall hilft nur: Machen Sie das Beste aus Ihren Möglichkeiten!


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