Selbstbeherrschung lernen: Nerven aus Stahl

Wir leben in einer Instant-Gesellschaft. Am liebsten hätten wir alles jetzt, sofort, ohne Wartezeit. Fehler! Selbstbeherrschung und Besonnenheit sind der wahre Schlüssel zu Glück und Erfolg. Geduld und Disziplin schlagen sogar Intelligenz. „Jemand ohne Intelligenz, aber mit viel Geduld bringt es ungefähr so weit wie jemand ohne Geduld, aber mit viel Intelligenz“, sagt zum Beispiel Matthias Sutter, Professor an der Universität Köln. Hier erfahren Sie, was Selbstbeherrschung ausmacht und wie Sie die wichtige Eigenschaft lernen…

Definition: Was ist Selbstbeherrschung?

Selbstbeherrschung ist die Fähigkeit, den eigenen Impulsen zu widerstehen und die Kunst, Emotionen, sein Verhalten und seine Wünsche zu kontrollieren – auch dann, wenn akute Versuchungen oder Belohnungen verlockend wirken. Damit steht Selbstbeherrschung mit Willenskraft (Fachjargon: Volition) auf einer Stufe. Psychologen sprechen auch von Impulskontrolle oder Selbstregulation.

Der Selbstbeherrschte kann keine kurzfristigen Bedürfnisse zurückzustellen – zugunsten einer Handlungsalternative, die er moralisch oder ökonomisch höher bewertet. Vor allem aber langfristig als besser erachtet. Wer sich selbst, seine Triebe und Lüste beherrscht, kann:

  • Ärger kanalisieren.
  • Konsum kontrollieren.
  • Kalorien reduzieren.
  • Süchte demontieren.
  • Neue Fähigkeiten trainieren.

Selbstbeherrschung-Versuchung-widerstehen

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Selbstbeherrschung schlägt Intelligenz

Selbstbeherrschung ist für den Erfolg wichtiger als der Intelligenzquotient. Diese These haben Wissenschaftler an der Universität von Pennsylvania mit einer Studie unter Schülern belegt. Ergebnis: Teilnehmer, die ihr Verhalten anpassen und impulsive Reaktionen unterdrücken können, zeigten in einem späteren Test deutlich bessere Noten, fehlten seltener und zeigten bessere Leistungen. Der gemessene IQ hatte einen viel geringeren Einfluss wie die Selbstkontrolle.

Ähnliches Ergebnis unter Studenten: Wer auf kurzfristige Freuden (Partys, Freizeit…) verzichtete, um sich für das Ziel des Studienerfolgs zu quälen, erreichte seine akademischen Ziele jedes Semester. Intelligentere, aber weniger disziplinierte Kommilitonen fielen häufiger durch. Ein hoher IQ sagt somit nichts über einen guten Abschluss aus. Es braucht Selbstbeherrschung, Durchhaltevermögen und Disziplin.

Gefühlte Selbstbeherrschung macht anfällig für Versuchungen

Die Ironie der Selbstbeherrschung: Gerade das Gefühl, uns selbst gut im Griff zu haben, macht uns anfällig für Verlockungen. Wir überschätzen regelmäßig unseren eisernen Willen. Eine Studie zeigt: Menschen, die glauben, über ein hohes Maß an Selbstkontrolle zu verfügen, setzen sich vermehrt Versuchungen aus – und erliegen diesen schließlich.


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Overconfidence-Effekt: Das süße Gift des Hochmuts

Der größte Feind der Selbstbeherrschung ist ein psychologischer Mechanismus, den die Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Amos Tversky entdeckt und Overconfidence-Effekt getauft haben. Vereinfacht gesagt: Wir überschätzen unsere Fähigkeiten – in allen möglichen Lebenslagen. Ob in Job, Hobby, Handwerken, Autofahren – alles können wir (nach eigener Ansicht) ein bisschen besser als die anderen.

Je schwieriger eine Aufgabe wird, desto größer ist unsere Selbstüberschätzung. Bei einfachen Aufgaben hält es sich in Grenzen. Haben wir erstmal Selbstvertrauen getankt, kommt der Übermut. Und der tut bekanntlich selten gut.

Selbsteinschaetzung-Loesungskompetenz

Es ist ein wie beim Dunning-Kruger-Effekt: Je größer die tatsächliche Inkompetenz, desto größer der Hang zur Selbsttäuschung, Schönfärberei und Selbstgerechtigkeit.

Dunning-Kruger-Effekt-4-Stufen-Phasen

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Von der Selbstbeherrschung zur Selbstüberschätzung

Mit einem derart gefährlichen Halbwissen ausgestattet, werden zahlreiche Entscheidungen. Die kosten uns mitunter viel Renommee, im schlimmeren Fall sogar Arbeitsplätze. Eine Studie von Mathew Hayward und Donald Hambrick sagt: Wenn in einem Unternehmen alles glatt läuft, sieht der CEO das als eigene Leistung – selbst wenn er damit nichts zu tun hatte. Und wo die Selbstverliebtheit grassiert, blüht schon bald die Selbstüberschätzung.

Kommt es dann zu echten Problemen und richtungsweisenden Handlungen, überschätzt der Chef sich maßlos. Man verirrt sich leicht, wie wenn man glaubt, den Weg zu kennen. Oder wie es Georg Christoph Lichtenberg treffend auf den Punkt gebracht hat: „Der Mensch ist verloren, der sich früh für ein Genie hält.“

Selbstbeherrschung macht müde

Der Psychologe Roy Baumeister („Die Macht der Disziplin“) stellte fest: Selbstkontrolle nimmt im Laufe der Zeit ab. Je mehr Selbstdisziplin wir aufbringen, desto weniger ist für weitere Aufgaben und Vorhaben übrig. Anders formuliert: Wer sich zu vielen Versuchungen hintereinander aussetzt, erliegt der letzten irgendwann. Auf der anderen Seite gilt: Der Blutzuckerspiegel und die Willensstärke korrelieren.

Erhielten Probanden zuckerhaltige Limonaden, konnten sie ihre Impulse besser kontrollieren und spontanen Gefühlsregungen widerstehen. Kurz: Sie hatten mehr Selbstbeherrschung. Glukose ist also nicht nur Treibstoff für das Hirn, sondern auch für die Willenskraft.


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Selbstbeherrschung lernen: So geht das!

Die gute Nachricht ist: Selbstbeherrschung zwar zum Teil angeboren und in der Persönlichkeit verankert, der weitaus größere Teil lässt sich aber lernen und trainieren. Mit den folgenden Tipps können Sie an Ihrer Selbstbeherrschung arbeiten, um Impulse zu kontrollieren, Versuchungen zu widerstehen und sich auf das langfristige Ziel zu konzentrieren:

1. Durchatmen

Wenn Sie einen starken Impuls spüren, sollten Sie erst einmal tief durchatmen. Schon diese Verzögerung verhindert Kurzschlusshandlungen. Eine Möglichkeit ist die 4-6-8-Methode: Langsam und tief einatmen, bis vier zählen, die Luft anhalten, bis sechs zählen, langsam durch den Mund ausatmen und bis acht zählen. Das Ganze wiederholen Sie mindestens fünf Mal. So atmen Sie nicht nur Stress und Ärger weg, sondern unterdrücken den ersten Impuls.

2. Analysieren

Machen Sie jetzt einen gedanklichen Schritt zur Seite und fragen Sie sich, warum Sie diese starke Lust verspüren oder unbedingt so handeln möchten. Das Gegenteil von Selbstbeherrschung ist Fremdbeherrschung. Fragen Sie sich: Hat Sie jemand in diese Richtung gedrängt – und warum? Der gedanklich Abstand schärft den Blick für das große Ganze und gibt Ihnen die Souveränität und Handlungskontrolle zurück.

3. Einordnen

Denken Sie stets langfristig. Rache ist zum Beispiel oft der erste Impuls auf ein Ärgernis. Rache hat aber noch nie ein Unrecht gut gemacht, sondern hat sich eher selbst gerächt. Wenn Sie Ihren Blick in die Zukunft, auf die Konsequenzen und Folgen richten, werden Sie sehr schnell erkennen, welche Reaktion die beste ist. Allein diese Perspektive und Denkweise erleichtert Selbstbeherrschung enorm.

4. Umdenken

Unsere Wahrnehmung ist alles andere als objektiv, sondern meist einseitig und selektiv. Wer anfängt, hinter seine eigenen Macken zu blicken oder hinter den Menschen Motive zu entdecken und sich in deren Lage versetzt, entwickelt eine viel klarere Sicht der Dinge und gewinnt Verständnis.

5. Üben

Üben. Üben. Üben. Wie gesagt: Impulskontrolle bleibt eine Frage des Trainings. Arbeiten Sie also an sich, trainieren Sie bei möglichst vielen Gelegenheiten Ihre Selbstbeherrschung und widerstehen Sie Versuchungen. Das klappt nicht immer, doch durch Wiederholung werden Sie besser. Mit der Zeit wird dann die Selbstbeherrschung zur Gewohnheit und fällt leichter.


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