Was ist Spazieren – einfach erklärt?!
Spazieren, wandern oder Walking – alle drei nutzen das Gehen zum Zeitvertreib, zur Muße und Erholung. Ein Spaziergang braucht in der Regel kein konkretes Ziel. Die körperliche Bewegung selbst ist das Ziel. Und das geht im Wald, im Park, im Naherholungsgebiet oder auf einem Feldweg genauso wie in einem Geschäftsviertel in der Stadt. Dann nennt man es aber meist „Schaufensterbummel“ oder „Flanieren“ – und nicht mehr „Spazieren gehen“.
Spazieren und Wandern sind in Deutschland beliebt. Studien zufolge gehen rund 35 Millionen Deutsche regelmäßig wandern. Einer Studie des Deutschen Wanderverbandes nach gehört dazu aber nicht nur das einfache Spazieren (51%), sondern auch Trekking (44%), Nordic Walking (43%), Pilgern (42%) oder Geocaching (15%). Häufige Synonyme sind zudem Bummeln, Lustwandeln, Promenieren, Schlendern oder Umherlaufen. Und je nach „Schweregrad“ werden dabei zwischen 400 und 700 Kalorien pro Stunde verbrannt. Eine gut 3-stündige Wanderung in Garmisch-Partenkirchen kann schon mal bis zu 1700 Kalorien verschlingen.
Wie Spazieren das Denken beflügelt
Schon immer haben große Denker und Philosophen die Weite der Natur gesucht, um ihren Geist zu durchlüften und zu beflügeln. Friedrich Nietzsche zum Beispiel galt als ausdauernder Spaziergänger, der die grandiose Kulisse des Engadins regelmäßig zur Zerstreuung nutzte. Theodor W. Adorno wiederum verbrachte jeden Sommer zwischen 1955 und 1966 mit seiner Frau im „Waldhaus“. Dabei wanderte das Paar durch das Fex-Tal, zur Halbinsel Chasté oder auf die Laret-Höhe. Weitere berühmte Spaziergänger waren:
- Ludwig van Beethoven
Immer nach dem Mittagessen pflegte der Komponist einen längeren Spaziergang zu unternehmen, zu dem er auch Papier und Stift mitnahm. - Charles Dickens
Der Schriftsteller lustwandelte am Nachmittag regelmäßig bis zu drei Stunden an der frischen Luft. - Sören Kierkegaard
Der Philosoph kehrte von seinen Spaziergängen derart beseelt zurück, dass er sich gleich mit Hut, Spazierstock und Regenschirm an den Schreibtisch setzte und losschrieb.
Ob Flaneur, Lustwandler, Exkursionist oder einfach nur Zuschauer, der die Welt aus einer erhabenen Perspektive beobachtet: Wenn wir spazieren, geht unser Geist ebenfalls auf Wanderschaft, öffnet den Horizont, entdeckt und lernt. Schon der Philosoph Michel de Montaigne erkannte: „Mein Geist geht nicht voran, wenn ihn nicht meine Beine in Bewegung setzen.“
Spazieren ist gesund!
Spazieren und ganz allgemein regelmäßige Bewegung sind enorm gesund. Eine EU-Studie mit mehr als 334.000 Teilnehmenden kam zu dem Ergebnis, dass schon geringfügige körperliche Aktivität das Leben verlängert und das frühe Sterberisiko um bis zu 30 Prozent reduzieren kann. Untersuchungen an der Yale-Universität wiederum ergaben, dass bei regelmäßiger Bewegung Proteine wie VEGF, IGF1 oder BDNF ausgeschüttet werden, die sowohl die Bildung neuer Blutgefäße im Gehirn (und damit dessen Sauerstoffversorgung) fördern als auch das Wachstum frischer Nervenzellen im Hippocampus anregen. Zudem helfen die Bausteine, die grauen Zellen besser miteinander zu vernetzen.
Was passiert wenn man spazieren geht?
Es gibt inzwischen zahlreiche Studien und medizinische Untersuchungen, die die positiven Effekte von Spaziergängen untermauern. Dass das gemächliche Gehen an der frischen Luft gesund ist, ist allerdings noch die langweiligste Erkenntnis. Wesentlich bemerkenswerter ist, was alles dabei in unserem Kopf und Gehirn passiert. Beispiele…
1. Die Sinneswahrnehmung wird gefördert
Wer spaziert, nimmt mit allen Sinnen wahr. Der Körper bewegt sich, wir spüren den Wind im Gesicht oder den Boden unter den Füßen, hören Vogelstimmen oder das Rauschen der Blätter oder Wellen. Wir riechen Erde oder schmecken salzige Meeresluft. Das alles schärft unsere Sinne und lässt uns unsere Umwelt danach wesentlich aufmerksamer und achtsamer wahrnehmen.
2. Spazierengehen hebt die Stimmung
Laut einer internationalen Studie von Jeffrey Conrath Miller und Zlatan Krizan wirkt sich schon gelegentliches Spazierengehen positiv auf unsere Stimmung aus – sogar wenn wir zuvor keine Lust darauf haben. Das wiederum beugt langfristig psychischem Erkrankungen wie Depression oder Burnout vor. Das untermauern auch Studien am Robert Koch Institut. Danach könne Spazieren nicht nur die Symptome psychischer Krankheiten lindern – es sei „in ähnlichen Maße wirksam“ wie eine medikamentöse Therapie.
3. Spazieren steigert kognitive Leistungen
Und zwar um stolze 23 Prozent. Das ist das Ergebnis von Untersuchungen um Marily Oppezzo und Daniel L. Schwartz. Ihr Kollege Charles Hillman von der Universität von Illinois konnte wiederum zeigen, dass schon 20-minütige Pausen mit körperlicher Bewegung die Hirnaktivität anregen (siehe Grafik). Anschließend verbesserten sich Reaktionszeiten, Konzentrationsvermögen und die Fähigkeit, schnell zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her zu wechseln.
4. Spazieren fördert frische Ideen
Forscher um Simone Ritter, Rick van Baaren und Ap Dijksterhuis von der Radboud Universität im holländischen Nijmegen konnten bei ihren Versuchen eindruckvoll nachweisen, wie das Spazierengehen spektakuläre Ideen förderte und kreative Einfälle nur so sprießen ließ. Mehr noch: Wer sich während eines kreativen Schaffensaktes kurz durch einen Spaziergang ablenkt, findet gut doppelt so viele gute Ideen. Nachdem die Psychologen Ruth Ann und Paul Atchley wiederum ihre Probanden vier Tage lang in der Natur spazieren ließen, hatte deren Problemlösungskompetenz danach um satte 50 Prozent zugenommen.
5. Spaziergänge steigern die Konzentration
Studien um die Psychologin Sabine Schäfer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung konnten nachweisen, dass Probanden, die parallel zum Lernen auf einem Laufband spazierten, nicht nur schneller, sondern auch besser Neues lernten als die Kontrollgruppe im Sitzen. Auch bei schwierigeren Aufgaben erzielten die Spaziergänger hinterher bessere Ergebnisse. Der Neurologe Kirk I. Erickson wiederum konnte durch Langzeitstudien belegen, dass das Gehirnvolumen bei Senioren so besser erhalten bleibt. Wer wöchentlich zwischen 10 und 16 Kilometer zurücklegte, hatten sich ein höheres Hirnvolumen bewahrt als die inaktiven Stubenhocker.
6. Das Körpergefühl verbessert sich
Spazieren trägt wie jede Form der Bewegung dazu bei, dass Glückshormone ausgeschüttet werden. Wer über das Spazieren hinaus regelmäßig Wandern geht, verbessert zudem seine Motorik. Muss beispielsweise in gebirgigen Gegenden geklettert werden, tun Sie auch noch etwas für Ihre Rücken- und Bauchmuskulatur. So wird die Körperhaltung verbessert und Rückenschmerzen vorgebeugt.
Wie viel sollte ich täglich spazieren?
Um es gleich vorweg zu sagen: Eine allgemein gültige und feste Minutenzahl am Tag gibt es nicht. Sportwissenschaftler und Mediziner empfehlen in der Regel, sich dreimal pro Woche rund 20 bis 30 Minuten lang körperlich zu bewegen. Das kann leichter Ausdauersport wie Joggen, Schwimmen, Radfahren oder auch eine Spaziergang sein.
Bestätigt wird das unter anderem durch Untersuchungen der US-Wissenschaftlerinn Mary Carol R. Hunter. Danach sinkt die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut bereits nach 20 bis 30 Minuten Aufenthalt in der Natur. Dazu müssen Sie nicht einmal spazieren – Sitzen im Freien habe einen vergleichbaren Effekt. Ebenso zeigen medizinische Studien, dass Menschen mit Zugang zur Natur, eine höhere Anzahl an natürlichen Killerzellen im Blut haben und seltener an Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes leiden.
Arbeitsrecht: Ist der Spaziergang versichert?
Leider nein. Die gesetzliche Unfallversicherung unterscheidet bei einem Arbeitsunfall genau, ob der Unfallort im Zusammenhang mit der Tätigkeit steht. Wer beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit ist, ist unfallversichert. Wer aber nach dem Mittagessen einen Verdauungsspaziergang macht oder in seiner Pause eine kreative Runde um den Block dreht, ist nicht mehr versichert und muss für die Kosten einer Verletzung selber aufkommen. Wobei es immer andere Einzelfallentscheidungen geben kann.
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