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Besessenheit: Wann ist die Grenze überschritten?

Geht das Engagement einer Person für etwas über das normale Maß hinaus, wird von außen betrachtet gerne von Besessenheit gesprochen. Zumeist kennen wir Besessenheit aus dem religiösen Kontext. Wir verbinden damit häufig sogleich Exorzismus, das Austreiben von Dämonen, von denen eine Person besessen zu sein glaubt. Allgemeiner gesprochen kann eine Person genauso gut von einer fixen Idee überzeugt sein, sich für etwas im Beruf oder im Hobby so stark interessieren und einsetzen, dass er sich in jeder freien Minute damit beschäftigt. Wenn jemand mit Feuereifer einer Sache nachgeht, hat er scheinbar eine Grenze überschritten. Aber wer definiert das normale Maß? Woran lässt sich erkennen, dass jemand nicht mehr nur besonders engagiert ist?



Besessenheit: Wann ist die Grenze überschritten?

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Besessenheit Definition: Was bedeutet es?

Dem Wort Besessenheit haftet wenig Positives an. Der Duden nennt Synonyme wie Fanatismus, Manie, Sucht und Zwang. Wer besessen ist, der ist der Kontrolle einer Sache völlig unterworfen.

Das klingt schon nach Marionette und Unfreiheit, ferngesteuert sein. Im Volksglauben und einigen religiösen sowie spirituellen Gemeinschaften glauben manche bis heute, dass ein Mensch von etwas Bösem völlig beherrscht werden kann. Auch wenn es hier nicht um religiöse Extremzustände gehen soll, gibt es eine Parallele.

Geht es auf der einen Seite um Religion und etwaige Widersacher, soll es in der folgenden Betrachtung um den Job gehen. Sich mit Freude und Spaß einer Tätigkeit zu widmen, ist das Ideal vieler Arbeitnehmer. Die Arbeit wird dann als sinnvoll empfunden, geht leicht von der Hand.

Wer darüber noch die Zeit vergisst, ist im sogenannten Flow. Es gibt zwar eine herausfordernde Komponente in dem, was getan wird. Gleichzeitig ist das Ziel völlig klar und wird konzentriert verfolgt.

Üblicherweise enthält jedoch jeder Beruf auch langweilige Anteile. Niemand ist acht Stunden am Stück, fünf Tage die Woche im Flow. Zumal Phasen der Regeneration notwendig sind, um sich mit erneuter Kraft und Engagement einer Sache widmen zu können, egal wie gerne man sie macht.

Wenn der Job allerdings quasireligiösen Charakter annimmt, ist der Gedanke an Besessenheit naheliegend. Für solche Personen scheinen wenig Themen neben der Arbeit zu existieren und Routine ein Fremdwort zu sein. Das Unverständnis darüber, dass jemand über die Norm hinaus sich mit etwas beschäftigt, schlägt sich dann in Formulierungen wie Von allen guten Geistern verlassen nieder.

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Unterschied zwischen Arbeitssucht und Ehrgeiz

Es stellt sich die Frage, was noch normal ist und was schon Besessenheit? Bezogen auf die Arbeit haben viele Menschen immer noch die Vorstellung von einer klaren Trennung zwischen Privatleben auf der einen und beruflichem Alltag auf der anderen Seite. Begriffe wie Work-Life-Integration mögen für Teile der Arbeitnehmerschaft gelten, aber nicht für die Mehrheit.

Umso unverständlicher mag es dann einigen erscheinen, wenn ein Kollege am Arbeitsplatz mehr als nur Dienst nach Vorschrift macht. Jemand, der von einer Sache beseelt ist, mag es gar nicht so sehr als Arbeit empfinden. Für Außenstehende – das zeigt allein der Begriff aus dem religiösen Kontext erneut – ist es etwas, das in eine andere Sphäre gehört.

Es gibt graduelle Unterschiede in dem, was noch als normal oder schon als extrem bezeichnet wird. Leidenschaft und Engagement werden noch als positiv bewertet. Ehrgeiz ist bereits ambivalent, Arbeitssucht und Besessenheit hingegen lassen vermuten, dass die Arbeit stellvertretend für etwas anderes im Leben steht.

Dabei sollte die Bewertung desjenigen entscheidend sein, der sich in etwas hineinkniet. Wer Pläne hat, große Ziele verfolgt und unablässig daran arbeitet, auch Rückschläge in Kauf nimmt, sich aber unbeirrt wieder dem eigenen Vorhaben widmet, muss das gar nicht als belastend empfinden. Viele Leistungssportler kennen das zum Beispiel.

Wird so einer Person von Kollegen Besessenheit unterstellt, könnten daraus ebenso gut Neid und Missgunst sprechen.

Selber wollen sie beruflich vielleicht ebenfalls vorankommen – allein: Der innere Schweinehund hat sie fest im Griff. Sie können sich nicht aufraffen, stecken Niederlagen vielleicht nicht so leicht weg.

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Anzeichen für Besessenheit

Je nachdem, wer also nach seiner Einschätzung befragt wird, kommt zu einer unterschiedlichen Bewertung. Eine große Rolle spielen dabei auch die Motive und das Verhalten im Rahmen dessen, was als extrem angesehen wird.

Aus Sicht des Betroffenen spricht einiges für Besessenheit, wenn es nicht mehr nur um das Erfüllen von Wünschen geht, sondern ein regelrechter Druck auf der Person lastet. Das Leben besteht hauptsächlich aus Arbeit, daneben werden notgedrungen die lebenserhaltenden Funktionen wie Schlaf, Essen und Waschen betrieben.

Das soziale Umfeld spielt – sofern überhaupt vorhanden – eine untergeordnete Rolle, das bisschen Freizeit schrumpft durch Überstunden massiv zusammen.

In diesem Extrem zeigen sich irgendwann körperliche Symptome:

Besessenheit ist außerdem, wenn jemand gewillt ist, diese Beeinträchtigungen hinzunehmen beziehungsweise unfähig ist, seinen eigenen Anteil daran zu erkennen. Spätestens, wenn sich dieses Verhalten auf den Umgang mit den Kollegen auswirkt, leidet die Arbeitsatmosphäre.

Denn wer verbissen sein Ziel verfolgt, geht bildlich gesprochen auch über Leichen. Teamgeist und Kollegialität leiden, weil jemand rücksichtslos sein Ziel verfolgt und jede Gelegenheit zu seinem eigenen Vorteil nutzt, womöglich bis zum Ideenklau.

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Tipps: Das können Betroffene tun

Auch wenn sich Arbeit und Freizeit nicht immer die Waage halten, bestimmte Arbeitsanteile vielleicht sogar in den Freizeitbereich hineinragen (etwa weil Bereitschaftsdienst ein Bestandteil ist), können körperliche Beschwerden und erboste Kollegen Merkmale für Besessenheit vom Job sein.

Spätestens, wenn Sie nicht nur vorübergehend auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten – beispielsweise eine Beförderung -, sondern andauernd unter Strom stehen und oben genannte Probleme auftauchen, sollten Sie etwas tun. Denn wer zu seiner Arbeit keinen Ausgleich mehr findet, gefährdet nicht nur seine Gesundheit, sondern ebenso seine Karriere.

Kein Mensch kann dauerhaft mit Schlafmangel die Leistungen erbringen, die ein erholter Arbeitnehmer schafft. Ein Burnout ist langfristig die logische Konsequenz.

  • Überprüfen Sie die Situation

    An erster Stelle steht immer die kritische Selbstreflexion. Welche Merkmale für Besessenheit treffen zu? Gibt es Anzeichen, dass Sie Ihre körperliche und mentale Gesundheit aufs Spiel setzen? Arbeiten Sie dauerhaft über das normale Maß hinaus, ohne dass es dafür einen triftigen Grund (beispielsweise nahendes Projektende, Personalnotstand) gäbe?

  • Definieren Sie Ihre Werte

    Ebenso sollten Sie Ihre Werte überprüfen. Sind Ihnen noch die gleichen Dinge wichtig wie zu Beginn dieser Tätigkeit? Haben sich Prioritäten verschoben? Welches konkrete Ziel verfolgen Sie momentan? Lässt sich absehen, dass das Erreichen dieses Ziels die gewünschte Zufriedenheit und den Stolz bringt?

  • Nehmen Sie Abstand

    Je schwerer es Ihnen fällt, diese Fragen für sich zu klären, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Abstand in Form eines Urlaubs brauchen. Erholung hilft Ihnen dabei, die Lebensqualität für sich wieder neu zu entdecken und zu definieren. Gleichzeitig tanken Sie Kraft für die nächste Runde, wenn Sie klar vor Augen haben, was Sie erreichen möchten.

  • Entwerfen Sie eigene Ziele

    Bei alledem sollten Ihre Wünsche und Ziele im Vordergrund stehen. Wer beispielsweise feststellt, dass er in der Vergangenheit irgendwelchen überholten Idealen hinterhergerannt ist, sollte Verantwortung für sich selbst übernehmen. Es ist sinnlos, etwas zu tun, nur weil andere es sich wünschen. Der Klassiker: Kinder, die ein bestimmtes Studium ergreifen, weil die Eltern es sich so wünschen. So etwas kann auf Dauer nur scheitern, da Sie dann nicht mit Ihrem ganzen Herzblut bei der Sache sind. Zumal Ihre Existenzberechtigung nicht darin besteht, die Dinge auszuführen, die anderen verwehrt blieben oder nicht gelungen sind. Um wahres Glück zu empfinden, müssen Sie Ihre ganz eigenen Ziele verfolgen.

[Bildnachweis: Lumen Photos by Shutterstock.com]