Definition: Was ist Moral Hazard?
Moral Hazard (deutsch: moralisches Risiko) beschreibt verantwortungslose, fahrlässige oder opportunistische Verhaltensmuster von Menschen beziehungsweise Vertragspartnern, die aufgrund falscher Anreize entstehen.
Der Begriff stammt ursprünglich aus der Public-Choice-Theorie. US-Wissenschaftler erkannten, dass zum Beispiel der Abschluss einer Feuerversicherung dazu führte, dass die Versicherten fahrlässiger mit Feuer im Haus umgingen oder gar Brandstiftung begingen.
Was ist das Moral Hazard Problem?
Das generelle Problem von opportunistischem Verhalten entsteht immer dann, wenn ein besser informierter Marktteilnehmer die Nachteile oder Kosten der schlechter Informierten ausnutzt bzw. negativ beeinflusst. Kurz: Handlung und Haftung stimmen nicht überein.
Das Individuum muss nicht für die Folgen seines Handelns einstehen – den Schaden bezahlt die Allgemeinheit. Was dann entsteht, nennen Fachleute „individuelle Rationalität“ bzw. wohlfahrtsökonomische Irrationalität.
Moral Hazard Beispiele
Moral Hazard führt im Alltag immer wieder zu leichtfertigem oder fahrlässigem Verhalten. Oft sogar zu Opportunismus, bei dem Betroffene den eigenen Vorteil zu Lasten anderer suchen (siehe: Prinzipal- Agent-Theorie).
Hier einige Moral Hazard Beispiele, die das Problem in der Praxis beschreiben…
Moral Hazard Versicherung
Der Begriff „Moral Hazard“ wurde zuerst in der Versicherungswirtschaft beschrieben und im Zusammenhang mit US-Feuerversicherungen genutzt. So wurden zum Beispiel in Mietshäusern weniger Feuerlöscher installiert, wenn eine Brandschutzversicherung vorlag. Ähnliches lässt sich bei KFZ-Vollkasko-Versicherungen beoachten: Die Autofahrer fahren leichtsinniger und risikobereiter oder parken nicht im bewachten Parkhaus, weil sie für etwaige Schäden nicht selbst aufkommen müssen, Motto: „Bin ja versichert!“ Der negative Effekt ist allerdings, dass die Versicherungsbeiträge für alle steigen.
Moral Hazard Gesundheitswesen
Insbesondere im Gesundheitswesen und bei Krankenversicherungen besteht das moralische Risiko darin, dass sich die Versicherten weniger um eine gesunde Ernährung und ihre körperliche Fitness kümmern oder gar risikoreichen Freizeitbeschäftigungen nachgehen, weil sie mögliche Folgen nicht aus eigener Tasche bezahlen müssen, sondern die Allgemeinheit. In dem Fall spricht man auch von „ex ante Moral Hazard“. Unter „ex post Moral Hazard“ wird wiederum das übermäßige Nutzen kostenloser Leistungen verstanden. Das Risiko besteht aber genauso bei Ärzten, die zum Beispiel bei Privatpatienten überflüssige oder teure Behandlungsmethoden wählen, weil diese besser bezahlt werden.
Moral Hazard Schulden
Das Problem des moralischen Risikos besteht ebenso auf dem Kreditmarkt: Gibt es eine Aussicht auf Schuldenerlass (z.B. durch Privatinsolvenz), animiert das manche Schuldner zu verschwenderischem Konsumverhalten auf Kredit, wohlwissend, dass sie diese Schulden nie zurückzahlen werden. Ein ähnliches Verhalten lässt sich bei manchen Beziehern staatlicher Hilfen beobachten.
Moral Hazard Shirking
Ein weiteres Beispiel für das moralische Risiko ist das sogenannte Shirking. Dabei zeigen Arbeitnehmer nicht den vollen Leistungseinsatz, weil der Beitrag des Einzelnen im Team nicht genau messbar ist und Sanktionsmöglichkeiten fehlen (siehe: Social Loafing bzw. Ringelmann-Effekt). Umgangssprachlich ist auch von Drückebergern oder Trittbrettfahrern die Rede.
Moral Hazard Beamte
Es ist zwar ein Klischee, dass Beamte faul und langsam sind. Dennoch wird hinter manch mangelnder Einsatzfreude das Moral Hazard Problem vermutet: Weil sie sich in einer unkündbaren Stellung befinden und nicht um ihren Job fürchten müssen, strengen sich Mitarbeiter im öffentlichen Dienst weniger an und optimieren vor allem ihre Freizeit. Allerdings auch, weil gute Leistungen nicht über den TVÖD honoriert werden.
Moral Hazard Wirtschaftskrisen
Das Moral Hazard Problem existiert sogar zwischen Staaten – zum Beispiel innerhalb der EU. Das Wissen darum, im Falle einer Wirtschaftskrise von anderen Ländern aufgefangen und unterstützt zu werden, verführt zu einer nachlässigen Wirtschaftspolitik. Auch Unternehmen, die wissen, sie werden (vom Staat) gerettet, weil zu viele Arbeitsplätze davon abhängen („too big to fail“), neigen zu risikoreichen Geschäften oder Investitionen.
Adverse Selection Moral Hazard
Das Moral Hazard Phänomen existiert vor allem nach einem Vertragsabschluss. Aufgrund asymmetrischer Informationen (hidden information) verhalten sich Marktteilnehmer hinterher (ex post) unmoralisch oder opportun. Es kommt zu sogenannten versteckten Handlungen (hidden action).
Besteht die Informationsasymmetrie hingegen schon vor Vertragsabschluss, zum Beispiel weil es versteckte Pläne oder Charakteristika (hidden characteristics) gibt, wird von Adverse Selektion gesprochen – oder einem ex ante Moral Hazard vor Vertragsabschluss.
ex ante Moral Hazard
Paradebeispiel für den ex ante Moral Hazard ist das Gesundheitswesen. Zwar tritt der Schadenfall erst nach Vertragsabschluss ein – der Grund dafür ist aber die Informationsasymmetrie davor. Beispiel: Die Versicherungsnehmer wissen, dass Sie bald einen teuren Zahnersatz oder Implantate benötigen und schließen noch schnell eine Zahnzusatzversicherung ohne Selbstbeteiligung ab.
Vergleichbares passiert auf dem Arbeitsmarkt: Zwar ist es völlig legitim, eine geplante Schwangerschaft bei der Bewerbung zu verschweigen. Die fehlende Arbeitskraft während der Elternzeit müssen die Kollegen trotzdem ausgleichen. Die asymmetrischen Informationen führen umgekehrt dazu, dass manche Arbeitgeber keine Frauen im geburtsfähigen Alter mehr einstellen – ohne das freilich zuzugeben.
Wie beeinflusst der Job Moral und Ethik?
Wir bringen nicht nur unsere Werte mit auf die Arbeit – der Job und die Firmenkultur können diese ebenso prägen und den Charakter beeinflussen: Betrug, Diebstahl, Kunden anschmieren, Kollegen die Ideen klauen… herrscht im Unternehmen die Kultur „Erfolg um jeden Preis“, kann das Menschen verändern.
Zuerst verändern sich nur die Gedanken, dann die Betriebsoberfläche: Habitus, Kleidung, Sprache – manchmal sogar der Freundeskreis. Danach verrücken sich die Grenzen: Was die anderen okay finden, kann so schlecht nicht sein. Und je mehr mitmachen, desto mehr verschwinden die Skrupel. Man fühlt sich nicht mehr für das unmoralische Handeln verantwortlich und macht beim Moral Hazard fleißig mit.
Lösungen: Was tun gegen den Moral Hazard?
Der Moral Hazard führt immer zu ökonomischen Wohlfahrtsverlusten. Daher liegt es im Interesse aller Vertragspartner, die Effekte abzuschwächen beziehungsweise das moralische Risiko zu minimieren. Hierfür gibt es zumindest einige Instrumente und Optionen:
Monitoring
Der Begriff Monitoring meint vor allem Kontrolle. So sollen zum Beispiel Zeiterfassungssysteme dafür sorgen, dass Mitarbeiter die Arbeitszeit nicht für Freizeitinteressen ausnutzen. Dazu kommen Zwischenberichte, Feedbackgespräche mit Vorgesetzten oder bürokratische Kontrollen (siehe: Fraud-Management).
Bonding
Beim sogenannten Bonding wird der Handlungsspielraum für ein moralisches Risiko beispielsweise durch detaillierte Verträge oder Vertragsklauseln eingeschränkt. Wer sich nach Vertragsabschluss opportunistisch verhält, muss dann mit Vertragsstrafen und anderen Sanktionen rechnen. Damit das Bonding wirkt, müssen die Rechte und Pflichten der Vertragspartner genau definiert und etwaige Strafen transparent gemacht werden.
Incentives
Umgekehrt lässt sich das moralische Risiko ebenso durch positive Anreize verringern. Sogenannte Incentives sollen moralisch korrektes Verhalten fördern und belohnen. Dazu zählen zum Beispiel Bonussysteme sowie Gewinn- oder Unternehmensbeteiligungen. Wenn etwa Mitarbeiter am Gesamterfolg des Unternehmens partizipieren, handeln sie weniger egoistisch oder irrational und mehr im Sinne des Kollektivs.
Spannende Fakten über Moral
Wissenschaftler beschäftigen sich regelmäßig mit dem Verhalten von Menschen und haben dabei zahlreiche Erkenntnisse über unsere Moral aufgedeckt:
Müde mogeln mehr
Unser moralischer Kompass ist abhängig von der Tageszeit und der Schlafmenge. Forscher der Universität Washington fanden heraus, ausgeschlafene Menschen handeln moralischer als müde. Grund: Wer schlapp ist, wird anfälliger für Versuchungen, weil die Selbstkontrolle geschwächt ist.
Im Dunkeln schummeln wir eher
Auch das Licht beeinflusst unsere Moral und Ethik. Wissenschaftler von der Harvard Business School ermittelten, dass Menschen im Dunkeln eher die Unwahrheit sagen oder gar betrügen.
Hand aufs Herz macht verbindlicher
Wer einen Eid schwört und dazu seine rechte Hand auf Brust und Herz legt, handelt tatsächlich ehrlicher. Forscher von der Warschauer School of Social Sciences konnten nachweisen, dass die Geste „Hand aufs Herz“ wie das sogenannte Priming wirkt und uns verbindlicher macht.
Kreative betrügen häufiger
Kreativität ist etwas Positives? Nicht ganz. Kreative schummeln und lügen öfter – weil sie es können. Das zeigen Studien von Francesca Gino von der Harvard Universität. Kreativität ermöglicht eben auch eine kreative und glaubwürdige Lüge.
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