Selbstmitgefühl: Bedeutung, Psychologie, Übungen

Bei anderen zeigen wir Verständnis, mit uns selbst gehen wir hingegen hart ins Gericht. Was vielen Menschen fehlt, ist das Selbstmitgefühl. Die gute Nachricht: Sie können lernen, netter zu sich selbst zu sein und mehr Mitgefühl für die eigene Situation entwickeln. Wir erklären, was Selbstmitgefühl bedeutet und mit welchen Übungen Sie es lernen…

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Bedeutung: Was ist Selbstmitgefühl?

Selbstmitgefühl ist die Fähigkeit, sich selbst in Momenten des Scheiterns, Leidens oder der Schwäche mit Freundlichkeit, Verständnis und Fürsorge zu begegnen. Es ist ein mitfühlender und unterstützender Umgang mit sich selbst.

Durch Selbstmitgefühl zeigen Sie sich selbst gegenüber das Verhalten, das Sie auch einem lieben Freund entgegenbringen würden, der in einer schwierigen Phase steckt. Sie reagieren verständnisvoll auf Fehler oder Probleme, spenden Trost und Unterstützung, statt sich selbst für Ihre Situation zu verurteilen.

Kernbestandteile von Selbstmitgefühl

Führende Forscherin und Expertin für Selbstmitgefühl ist Kristin Neff, Professorin für Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung an der Universität von Texas. Sie nennt drei zentrale Elemente, aus denen das Mitgefühl für die eigene Person besteht:

  1. Freundlichkeit gegenüber sich selbst (kindness)

    Einfach ausgedrückt: Selbstmitgefühl bedeutet, nett zu sich selbst zu sein. Sie stehen sich nicht feindselig gegenüber und setzen keine unerreichbaren Maßstäbe an. Freundlichkeit gegenüber sich selbst ist ein liebevoller und fürsorglicher Umgang in jeder Situation.

  2. Gemeinsame Menschlichkeit (common humanity)

    Dieser Punkt beschreibt das Verständnis, dass Leid und Fehler Teil des Menschseins sind. Sie sind mit Ihren negativen Erlebnissen nicht alleine. Jeder macht Fehler, hat Schwächen oder manchmal einen miesen Tag.

  3. Achtsamkeit (mindfulness)

    Achtsamkeit als Teil des Selbstmitgefühls bedeutet, dass Sie Ihre eigenen Gefühle und Gedanken bewusst wahrnehmen und akzeptieren. Sie erkennen Ihre Emotionen und ordnen diese richtig ein. Kein Verdrängen oder Unterdrücken, aber auch keine Übertreibungen.

Viele Menschen haben Probleme in diesen Bereichen. Sie zeigen zwar anderen gegenüber Verständnis und reagieren sensibel auf negative Emotionen – sich selbst gegenüber tritt die Mehrheit hingegen hart und gnadenlos auf (siehe: Innerer Kritiker).

Gegenteil von Selbstmitgefühl

Das Gegenteil von Selbstmitgefühl ist übermäßige Selbstkritik oder Selbstverurteilung. Selbstkritisches Denken und Handeln ist wichtig, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Oft ist die Kritik an der eigenen Person nicht gesund, sondern destruktiv und fördert Zweifel oder Minderwertigkeitsgefühle.

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Selbstmitgefühl in der Psychologie

Die Psychologie sieht Selbstmitgefühl als wichtigen Faktor für die psychische Gesundheit. Sie schützen sich selbst, wenn Sie mitfühlend reagieren und fürsorglich bleiben. Aus Sicht der Psychologie bringt die Fähigkeit gleich mehrere Vorteile:

  • Steigerung der Resilienz

    Mitgefühl gegenüber sich selbst verbessert den Umgang mit schwierigen Zeiten, Krisen und Rückschlägen. Sie machen es sich nicht selbst noch schwieriger, sondern unterstützen sich und kommen schneller aus dem Loch heraus. Durch die Resilienz kommen Sie schneller wieder auf die Beine.

  • Verbesserung von Beziehungen

    Sie verstehen und akzeptieren sich selbst, das sorgt auch für einen empathischen und verständnisvolleren Umgang mit anderen Menschen.

  • Schutz for Selbstkritik

    Starke Selbstkritik führt zu negativen Gedanken, Selbstzweifeln und setzt Sie selbst enorm unter Druck. Selbstmitgefühl bringt den inneren Kritiker zum Schweigen oder mildert die negative Stimme zumindest.

  • Reduktion von Perfektionismus

    Wer stets hart zu sich selbst ist, kann eigene Fehler kaum ertragen. Solche Menschen neigen zu Perfektionismus. Durch Selbstmitgefühl akzeptieren Sie Ihre eigene Menschlichkeit – und damit auch, dass Schwächen und Fehler ganz normal sind.

  • Weitere positive Effekte von Selbstmitgefühl

  • Weniger Angst und Depressionen
  • Besserer Umgang mit Stress
  • Höheres Selbstwertgefühl
  • Gesünderer Umgang mit Fehlern
  • Gestiegene Lebenszufriedenheit
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Selbstmitgefühl lernen: Übungen

Sie wollen Selbstmitgefühl lernen? Dann gibt es verschiedene Übungen, mit denen Sie den positiven Umgang mit sich trainieren. Durch regelmäßige Übungen machen Sie die Selbstfürsorge zur Gewohnheit, bis diese ganz automatisch in Ihr Denken und Handeln übergeht.

Wir stellen vier Übungen vor; mit denen Sie Ihr Selbstmitgefühl trainieren:

    1. Schreiben Sie einen Selbstmitgefühlsbrief

    Wie Sie sich selbst behandeln, zeigen die Worte, die Sie an sich selbst richten. Eine selbstfreundliche Sprache trainieren Sie mit einem sogenannten Selbstmitgefühlsbrief. Verfassen Sie ein Schreiben, in dem Sie sich selbst mit Verständnis begegnen, Mut zusprechen oder Trost spenden.

  • Nehmen Sie sich Zeit und suchen Sie eine ruhige Umgebung.
  • Schreiben Sie sich einen Brief, wie es ein guter und verständnisvoller Freund tun würde.
  • Zeigen Sie Verständnis, Fürsorge, Ermutigung und Unterstützung unabhängig von der Situation.
  • 2. Spüren Sie sich selbst

    Eine Übung für schwierige Situationen: Spüren Sie Ihre aktuellen Emotionen und gehen Sie dabei fürsorglich mit sich selbst um. Legen Sie eine Hand auf Ihren Bauch und spüren Sie Ihren Atem – oder auf das Herz und spüren Sie den Herzschlag. Denken (oder sprechen) Sie ruhig und verständnisvoll mit sich selbst.

  • Akzeptieren Sie negative Emotionen
  • Fühlen Sie Ihren eigenen Atem oder Herzschlag
  • Sagen Sie sich selbst nette und beruhigende Sätze: „Es ist gerade schwierig, aber ich bin gut und werde es schaffen.“
  • 3. Nutzen Sie geführte Meditationen

    Mehr Selbstmitgefühl können Sie durch geführte Meditationen erreichen. Passende Angebote gibt es im Internet – zum Beispiel vom MSC Achtsames Selbstmitgefühl. Die Meditationen richten sich an die verschiedenen Elemente und erleichtern einen Einstieg in das Thema.

  • Nehmen Sie sich je nach Meditation 10 bis 30 Minuten Zeit.
  • Achten Sie auf einen ruhigen Ort und konzentrieren Sie sich auf das Gesagte.
  • Lassen Sie sich auf die Meditation ein und folgen Sie den Anweisungen.
  • 4. Notieren Sie Ihre Dankbarkeit

    Selbstmitgefühl braucht eine positive Grundeinstellung zur eigenen Person und zum Leben. Dies fördern Sie durch mehr Dankbarkeit und Aufmerksamkeit auf die Dinge, die gut laufen. Schreiben Sie auf, wofür Sie jeden Tag dankbar sind und lesen Sie die Einträge regelmäßig durch.

  • Nehmen Sie sich jeden Abend 15 Minuten Zeit.
  • Schreiben Sie täglich drei Dinge auf, für die Sie dankbar sind.
  • Notieren Sie aktuelle Punkte, aber auch grundsätzliche Aspekte in Ihrem Leben.
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Tipps für mehr Selbstmitgefühl

Zusätzlich zu den Übungen haben wir Tipps gesammelt, mit denen Sie für mehr Selbstmitgefühl sorgen. Diese sollten Sie in Ihren Alltag und in Ihr Handeln etablieren:

  • Korrigieren Sie Sprache und Gedanken

    Achten Sie zu jeder Zeit auf Ihre Gedanken und die Art, wie Sie mit sich selbst sprechen. Ertappen Sie sich bei Gedanken wie „Ich bin einfach zu dumm…“ oder „War ja klar, dass ich wieder falsch entscheide…“, dann korrigieren Sie dies sofort. Wählen Sie sanftere und freundlichere Worte. Ihre Sprache und Wortwahl gegenüber sich selbst prägt Ihre Wahrnehmung von sich.

  • Bewerten Sie sich nicht ständig

    Sie müssen sich nicht zu jedem Zeitpunkt mit anderen messen, vergleichen und die eigenen Leistungen oder Verhaltensweisen bewerten. Akzeptieren Sie sich einfach genau so, wie Sie sind. Je mehr Sie sich bewerten, desto eher verurteilen Sie sich.

  • Legen Sie achtsame Pausen ein

    Vielen Menschen fällt es schwer, die eigenen Gefühle zu erkennen und zu verstehen. Hier helfen achtsame Pausen: Machen Sie im Alltag kleine Unterbrechungen, in denen Sie Ihre Emotionen wahrnehmen. Was fühlen Sie gerade? Wie geht es Ihnen damit? Spüren Sie Ihre Gefühle und gehen Sie fürsorglich damit um.

  • Erkennen Sie Fehler als Lernchance

    Grundregel für mehr Selbstmitgefühl: Fehler sind kein Scheitern oder Versagen. Es kann nicht alles klappen, doch aus jedem Fehler können Sie lernen und daran wachsen. Erlauben Sie sich selbst, nicht perfekt sein zu müssen.

  • Setzen Sie Grenzen

    Für mehr Selbstmitgefühl müssen Sie Grenzen setzen und für Ihre individuellen Bedürfnisse einstehen. Wenn ein guter Freund ausgenutzt wird, sagen Sie auch: „Lass das nicht mit dir machen.“ Diesen Schutz müssen Sie auch sich selbst gegenüber leisten.

  • Verzeihen Sie sich selbst

    Macht ein Freund oder Kollege etwas falsch, sind Sie kurz verärgert, doch dann verzeihen und vergessen Sie den Fehltritt. Zeigen Sie diese Vergebung auch bei sich selbst. Sie können sich über eigenes Verhalten ärgern, müssen aber in der Lage sein, sich selbst zu verzeihen.

  • Bitten Sie um Hilfe

    Auch die Bitte um Unterstützung ist ein Zeichen von Selbstmitgefühl. Sie erkennen, dass Sie alleine nicht weiterkommen und kümmern sich um die eigenen Bedürfnisse, indem Sie sich die notwendige Hilfe holen.

Geben Sie sich selbst genügend Zeit, um Selbstmitgefühl zu lernen. Sie brauchen Geduld und müssen die neuen Denkweisen langfristig etablieren. Wichtig ist, dass Sie die Übungen und Tipps beibehalten und nicht in alte (negative) Gewohnheiten verfallen.


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