Der Weg zum großen Glück – rein theoretisch
Es ist ein einfaches Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, Sie sind auf der Suche nach einem Job. Aber nicht irgendeinem Job. DEM Job. Ihre Referenzen sind so gut, dass Sie sich im Prinzip die Rosinen herauspicken, die beste Stelle aussuchen können. Zu diesem Zweck haben Sie stolze 16 Jobinterviews arrangiert. Sie gehen guten Mutes in den Bewerbungsmarathon…
Es gibt nur ein Problem: Sie müssen unmittelbar nach jedem Vorstellungsgespräch eine Entscheidung treffen: Job annehmen – oder ablehnen? Entweder oder – eine Bedenkzeit gibt es nicht.
Jetzt sind die ersten drei Interviews eher mau. Der Job für Sie uninteressant. Dann kommt Gespräch Nummer vier: Wow, eine richtig tolle Stelle, die gut zu Ihnen passen würde. Interessante Aufgaben, gute Rahmenbedingungen, mit kleinen Häkchen und Schönheitsfehlern zwar, aber insgesamt sehr vielversprechend.
Nehmen Sie an?
- Möglichkeit 1: Sie sagen zu. Glückwunsch, Sie haben den Job in der Tasche! Allerdings gibt es ja noch zwölf andere Unternehmen da draußen, die auf Sie – theoretisch – warten. Was, wenn der Job Ihrer Träume dabei gewesen wäre? Den werden Sie jetzt nicht mehr bekommen, Sie haben sich ja bereits entschieden. Nicht, dass Sie sich voreilig für den falschen Job entschieden haben?!
- Möglichkeit 2: Sie lehnen ab. Schade, der Job ist damit endgültig futsch, obwohl er richtig gut zu Ihnen gepasst hätte. Ihre Chance auf eine andere, noch bessere Stelle haben Sie damit zwar gewahrt. Aber was, wenn die nächsten zwölf Jobangebote an dieses nicht mehr herankommen? Wenn Sie die beste Stelle vorzeitig und leichtfertig hergeschenkt hätten?
Das Problem ist in der Wissenschaft auch als Sekretärinnenproblem bekannt, im Englischen wird es auch unter dem Oberbegriff Optimal-Stopping erwähnt.
Der Name Sekretärinnenproblem geht auf ein Gedankenspiel zurück, das unserem Beispiel gleicht: Wenn Sie nacheinander in willkürlicher Reihenfolge eine zuvor festgelegte Zahl an Sekretärinnen interviewen, um eine freie Stelle zu besetzen, wann hören Sie dann auf und entscheiden sich für eine? Natürlich immer unter der Prämisse, dass Sie sich sofort und unwiderruflich für oder gegen die jeweilige Kandidatin entscheiden müssen.
Sonst würde man natürlich bis zum Ende des letzten Interviews warten und sich dann entscheiden. Doch im Leben haben wir eben nicht immer die Chance, erst einmal alle möglichen Optionen auszuprobieren oder kennenzulernen. Schon gar nicht bei der Partnerwahl. Das ergäbe ein ziemlich promiskuitives Vorleben…
Wie finden Sie also den den richtigen Zeitpunkt, um das optimale Ergebnis zu erzielen?
Mit ein paar recht komplexen Formeln ist es mathematisch tatsächlich möglich, auf diese Frage eine Lösung zu errechnen – den optimalen Stopping-Point eben.
Jobsuche: Wann ist es Zeit, um sich zu entscheiden?
Zurück zu unserem Beispiel: Logisch wäre zunächst, nicht gleich den ersten Job anzunehmen. Wenn Sie direkt Nummer eins wählen, liegen Ihre Chancen nur bei 1 zu 16, dass Sie sich auch wirklich die leckerste Rosine herausgepickt haben.
Das ist zu wenig, zu unbefriedigend. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen ein besseres Angebot durch die Lappen geht, wäre einfach zu groß – egal, wie gut der Job auch gewesen sein mag.
Andererseits: Je mehr Angebote Sie ablehnen, je länger Sie warten, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihre Trumpfkarte nicht ziehen und den Top-Job an sich vorüberziehen lassen.
Um es kurz zu machen: Die Wahrscheinlichkeit, Ihren Traumjob zu finden, ist am größten, wenn Sie 37 Prozent aller Angebote ablehnen und sich danach für die Stelle entscheiden, die die bis dato beste übertrifft.
37 Prozent – hier liegt der optimale Stopping-Point. Und für Sie gibt es damit eine klare Antwort auf die Frage von vorhin: Sie lehnen das Jobangebot ab!
Gemäß der Optimal-Stopping-Theorie müssten Sie bei 16 Jobinterviews die ersten sechs verwerfen und sich danach für das nächstbeste entscheiden, das Ihren bisherigen Favoriten übertrifft. So sind Ihre Chancen am größten, das optimale Ergebnis für sich herauszuholen.
Partnersuche: Eine Glücksformel für die Partnerwahl?
Hinter der Theorie steckt ein simpler Hintergedanke: Wann immer wir uns für etwas entscheiden, schließen wir alle anderen Optionen (zumindest vorübergehend) aus. Das kann ein Job oder auch ein Haus sein. Und diese Entscheidungen können enorme Konsequenzen nach sich ziehen, möglicherweise fatal enden.
Wichtig ist daher, keine gravierenden Fehler zu begehen, das Risiko zu minimieren.
Besonders gerne wird die Theorie daher auf die Partnerwahl übertragen. Hier greift die Grundüberlegung wirklich: Hat man einen Verehrer ohne Rose fortgeschickt, kommt er oder sie im Normalfall nicht wieder.
Sollten Sie sich also in Single-Börsen herumtreiben und, sagen wir, 24 Dates arrangieren, dann sollten Sie theoretisch den ersten neun Kandidaten (37 Prozent) einen Korb geben. Den besten der neun prägen Sie sich aber ein und entscheiden sich danach für denjenigen, der diesen Bewerber als Erster übertrumpft. Voilà, schon haben Sie den Traumprinzen oder die Traumprinzessin gefunden. Theoretisch.
Geld oder Liebe: Eine Formel mit Haken
Bevor Sie jetzt wütend Einspruch einlegen: Es handelt sich natürlich nur um eine Theorie. Die Theorie maximiert lediglich rechnerisch die Chance, in einem vergleichbaren Szenario die beste Entscheidung zu treffen. Ein Garant für die richtige Entscheidung und ewiges Glück ist sie natürlich trotzdem nicht.
So kann es eben in der Realität durchaus sein, dass das allererste Jobangebot aus unserem Eingangsbeispiel auch das mit Abstand beste ist. Oder dass Sie letztlich mit dem schlechtesten Job von allen 16 enden (wenn nämlich die Qualität der Stellenangebote zufälligerweise immer schlechter wird).
Außerdem ist das Jobszenario nicht ganz realistisch, da Sie im echten Leben in der Regel über Bedenkzeit verfügen und Ihre Entscheidung nicht sofort fällen müssen.
Die kleine Zahlenschieberei hat also ihre Unzulänglichkeiten, ist aber spannend (für Sie hoffentlich auch) und im Alltag dennoch zu gebrauchen. Denn die Moral von der Geschichte bleibt natürlich: Das beste Angebot ist oft nicht das erste oder das letzte, sondern irgendwo dazwischen.