Definition: Was ist eigentlich Lebenskunst?
Wer sich dafür interessiert, was Lebenskunst ist, findet, dass dieser Begriff aus der Philosophie bereits seit der Antike in verschiedenen Zusammenhängen auftaucht und es dabei um die Daseinsbewältigung des Individuums geht.
Daseinsbewältigung klingt allerdings sehr brutal und schnöde und hat so gar nichts gemein mit den Synonymen für Lebenskunst. So spricht der Engländer von art of living, der Lateiner nannte es ars vivendi und auch das französische savoir-vivre ist ein Begriff im Deutschen: zu leben wissen beziehungsweise wissen, wie man lebt könnte man es etwas holprig übersetzen.
Auch wenn es immer wieder Künstler gab, die das eigene Leben als Kunstwerk inszenieren wollten (etwa Johann Wolfgang von Goethe oder Thomas Mann), so ist zentraler Bestandteil aller Überlegungen, wie man mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sein Leben in die Hand nehmen kann.
Mit Lebenskunst geht auch häufig die Vorstellung von einer Lebensart einher, und zwar einer guten, positiven Art zu leben. Genau dieser Gedanke des Lebensgenusses kommt auch in Savoir-vivre zum Ausdruck.
Vielleicht liegt es auch daran, dass den Franzosen generell die Fähigkeit zum Genuss sehr viel stärker zugesprochen wird – neben Savoir-vivre sind es auch Begriffe wie Bonvivant und Bohemien, Synonyme für Lebenskünstler, die sich den angenehmen Seiten des Lebens widmen.
Zitate von und für Lebenskünstler
Wie bereits erwähnt, haben sich zahlreiche Berühmtheiten aus der Philosophie und Literatur Gedanken zur Lebenskunst gemacht. Dabei fand beispielsweise Anaximander, ein antiker griechischer Philosoph, dass offenbar auch die Schattenseiten des Lebens dazu gehören:
Lebenskunst ist, Problemen nicht auszuweichen, sondern daran zu wachsen.
Pflichtbewusst und ebenfalls realistisch mutet dieses Zitat von Luis Ponce de Léon an:
Lebenskunst besteht darin, die eigene Natur mit der eigenen Arbeit in Einklang zu bringen.
Bei Heinrich Heine hingegen hat es den Anschein, dass es vor allem darum geht, Schwierigkeiten auszuweichen:
Wer mit den wenigsten und einfachsten Symbolen das Meiste und das Bedeutendste ausspricht, der ist der größte Künstler.
Und bei Max Haushofer wird deutlich, dass auch die Gesundheit mit hineinspielt:
Dass wir den Körper, das Instrument unseres Willens, beherrschen, das ist die Hauptbedingung aller Lebenskunst.
Michel de Montaigne sieht seinen Auftrag darin zu leben – über das Wie schweigt er sich aus:
Mein Gewerbe und meine Kunst sind zu leben.
Aus dem Zitat des deutschen Indologen und Sprachwissenschaftlers Friedrich Max Müller sprechen seine vielfältigen Erfahrungen mit anderen Kulturen:
Sich gegenseitig begreifen lernen, ist die größte Kunst des Lebens.
Bedeutet Lebenskunst gleich Glück?
Ist das Leben nicht wunderbar? Die Meinungen hierzu gehen deutlich auseinander. Schon in den obigen Zitaten wird deutlich, dass die Vorstellung davon, was Lebenskunst ist, durchaus abweicht. Hält man sich gegenwärtige Extreme vor Augen, etwa arbeiten bis zum Burnout, dann ist man geneigt, das süße Nichtstun als Lebenskunst zu definieren.
Ein Leben frei von Zwängen gilt bereits seit der Antike als Ideal, Arbeit war verpönt. Gleichwohl konnten natürlich nur reiche Bürger sich so ein Leben leisten. Andererseits: bedeutet nicht zu arbeiten gleich Glück? Und ist das dann bereits Lebenskunst?
Der deutsche Philosoph und Lebenskunstexperte Wilhelm Schmid beobachtet vermehrt eine Jagd nach dem Glücklichsein. Dabei würde allerdings der „Wert des Unglücklichseins“ gar nicht mehr gesehen. Das mag zunächst widersinnig klingen – unglücklich zu sein soll einen Wert haben?
Und in der Tat. Es ist ein weitaus größerer, als die übliche „Wo Schatten ist, ist auch Licht“-Weisheit. Schmid postuliert: Unglücklichsein macht kreativ. Als Beweis dienen große Künstler und Erfinder; die größten Leistungen der Menschheit seien nicht aus Glücklichsein und Zufriedenheit entstanden. Und tatsächlich fallen auf Anhieb Beispiele dafür ein – seien es die ewig traurigen Lieder der Band Radiohead oder der an Depression leidende Maler Vincent Van Gogh.
Es liegt eigentlich auf der Hand: Der Selbsterkenntnis und dem Wunsch etwas zu ändern müssen natürlich bestimmte Verhältnisse vorausgehen. Sie können Menschen zur Höchstleistung animieren.
Unterschied zwischen Leben und Existenz
Auf den ersten Blick scheinen Leben und Existenz zusammen zu gehören und ja, wer lebt, existiert auch. Aber spätestens, wenn Sie versuchen, die Aussage umzudrehen werden Sie feststellen: Umgekehrt muss es nicht so sein. Die rein physische Präsenz sagt nichts über die Qualität aus.
Ähnlich verhält es sich mit dem Werbeslogan „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ eines namhaften Möbelherstellers, der mit der Vorstellung vom individuell selbstgestalteten Wohnen spielt.
Formulierungen wie vor sich hinleben lassen erahnen, wie trostlos mitunter ein Leben sein kann, das nicht mit Leben gefüllt ist. Auf das Berufsleben übertragen finden sich solche Überlegungen in Sprüchen wie „Ich bin auf der Arbeit, nicht auf der Flucht“ wieder.
Lebenskunst wird hier zu einer Art Überlebenskunst.
Manche Menschen sehen nur die Zwänge: Sie gehen arbeiten, weil sie die Miete bezahlen müssen, vielleicht haben sie noch einen Kredit, ein Auto, eine Familie. Sachzwänge halt. Wie verlockend klingt da Freiheit:
- Nicht jeden Morgen denselben Job machen zu müssen.
- Selbst entscheiden zu können, was erledigt wird.
- Selbst Prioritäten setzen können.
Heraus aus dem Hamsterrad. Aber was bedeutet diese Freiheit denn? Völlig planlos den Job zu kündigen? Sich von sämtlichen sozialen Kontakten freizumachen? Statt Miete zu zahlen unter der Brücke zu schlafen? Das ist natürlich sehr überspitzt dargestellt.
Allerdings soll es verdeutlichen, dass viele sogenannte Sachzwänge freie Entscheidungen unsererseits sind: Die meisten Menschen wollen eben nicht unter einer Brücke schlafen, oder am nächsten Tag nicht wissen, wovon sie leben sollen und sie hängen an Freunden und Familie.
Gleichzeitig sind die wenigsten von uns Millionäre (und auch die arbeiten), so dass wir uns zu einem Tauschgeschäft entschließen: Arbeit gegen Geld.
Soll-Zustand: Leben lernen
Bei alledem sollten Sie natürlich nicht aus den Augen verlieren, worauf es Ihnen ankommt. Das müssen Sie für sich klären. Wer irgendwann feststellt, dass er sich nie um die wirklich wichtigen Dinge im Leben gekümmert hat, wird definitiv unglücklich sein.
Je eher Sie für sich herausfinden, was Ihnen im Leben wichtig ist, desto besser. Denn Zeit kann man ebensowenig kaufen wie Liebe oder Freundschaft. Wer sich mit Lebenskunst beschäftigt, landet also bei den ganz großen Fragen, beim Sinn des Lebens.
Nur diejenigen können ihrem Leben eine glückliche Wendung geben, die eine passende Antwort finden auf die elementaren Fragen:
- Wer bin ich?
- Wer will ich sein?
- Was sind meine Stärken?
- Was macht mich wirklich zufrieden?
- Was sind meine tiefsten Überzeugungen?
- Welche Ziele habe ich?
- Was habe ich schon erreicht?
Wer Selbstreflexion betreibt und sich diesen Fragen stellt und dann zu dem Ergebnis kommt, dass er zutiefst unzufrieden ist, weil er keinen Sinn in seinem Job sieht, sollte etwas ändern. Aber vielleicht liegt der Hund auch woanders begraben: Sie mögen Ihren Job, Ihr Leben, merken aber, dass Sie Ihre Familie oder Ihre Freunde viel zu wenig sehen.
Vielleicht müssen Sie dann bewusster planen, Lebenskunst in Ihr Leben einbauen, indem Sie sich Zeit für Kontakte nehmen. Bewusst in die Natur gehen und ausspannen. Auf der Arbeit Dinge etwas gelassener angehen. Unter Umständen heißt das wirklich, Gedanken von einer steilen Karriere an den Nagel hängen zu müssen.
Andererseits: Karrierepfade kann man heutzutage ganz anders entwickeln. Wichtig ist bei der Lebenskunst, dass Sie Ihren Weg und Ihren Rhythmus finden und sich nicht dem Druck der Gesellschaft oder derer beugen, die vermeintlich wissen, wie Sie Ihr Leben zu gestalten haben.
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