Straight-Line-Instinct: Erfolg ist eben nicht linear!

Höher, weiter, schneller – so kann es es immer weitergehen. Denken viele – und denken falsch. Schuld daran ist der sogenannte Straight-Line-Instinct. Er beschreibt die Neigung, in linearen Kategorien zu denken. Die Zukunft als Fortführung der Vergangenheit. Ein gefährlicher Irrtum! Welche Bedeutung Wahrnehmungsfehler wie der Straight-Line-Instinct haben und was Sie dagegen tun können…

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Definition: Was bedeutet Straight-Line-Instinct?

Der Straight-Line-Instinct beschreibt die (falsche) Annahme vieler Menschen, dass sich Erfolge oder Fortschritte stets linear weiterentwickeln. Also zum Beispiel, dass eine Glückssträhne immer weitergeht. Tatsächlich entwickeln sich die meisten Dinge nicht linear, sondern in Kurven.

Der Straight-Line-Instinct geht auf den schwedischen Arzt und Statistiker Hans Rosling zurück. Er nannte als Beispiel die Annahme des amerikanischen Biologen Paul R. Ehrlich, dass es aufgrund von Hungersnöten und Krankheiten zwischen 1970 und 1980 zu einem großen Bevölkerungssterben komme. Ende der 1970er Jahre zeichnete sich ab, dass die Vorhersage falsch war. Ehrlich hatte die bisherigen Hungersnöte überschätzt, ebenso die Sterblichkeitsrate, die tatsächlich zurückging.

Weitere Effekte und Verwandte des Straight-Line-Instinct

Der Straight-Line-Instinct ist letztlich einer von vielen kognitiven Verzerrungen und Wahrnehmungsfehlern (Fachbegriff: Bias). Rosling geht in seinem Buch „Factfulness“ einigen solchen Irrtümern auf den Grund, die durch kognitive Verzerrung und selektive Wahrnehmung entstehen. Zum Beispiel:

  1. Gap Instinct
    Menschen neigen dazu, zwei gegensätzliche Pole zu erkennen und blenden dabei die Mitte aus. Das Ergebnis ist ein Denken in Extremen. Die Realität findet aber meist in der breiten Grauzone dazwischen statt.
  2. Negativity Instinct
    In der Psychologie ist bekannt, dass sich Menschen schlechte Informationen besser einprägen als positive. Das gilt auch dann noch, wenn sich Dinge zum Besseren ändern – positive Entwicklungen werden dann ausgeblendet. Das führt zu unnötigem Stress und Pessimismus.
  3. Fear Instinct
    Ähnlich wie beim Negativity Instinct schenken wir hierbei Dingen, die uns Angst machen, deutlich mehr Aufmerksamkeit. Der Effekt ist, dass wir mehrheitlich vom Schlimmsten ausgehen – egal, wie groß die tatsächliche Wahrscheinlichkeit ist (siehe: Worst-Case-Szenario).
  4. Size Instinct
    Manche Ereignisse werden medial so aufgebauscht oder skandalisiert, dass sie größer erscheinen als sie sind. Dabei müssten wir die Nachrichten nur mit relevanten Zahlen verglichen oder in Relation setzen.
  5. Generalization Instinct
    Generalisierungen und Pauschalurteile vereinfachen den Alltag. Wir kategorisieren und packen Menschen oder Entwicklungen in Schubladen. Unglücklicherweise auch dann, wenn sie deutlich komplexer sind.
  6. Destiny Instinct
    Dieser Instinkt blendet (positive) Veränderungen aus, wenn sie langsam vonstatten gehen. Der Effekt ist eine Art Schicksalsergebenheit oder Opferrolle, Motto: „Egal, was ich mache, es hilft nichts.“
  7. Single Perspective Instinct
    Menschen neigen dazu, die Dinge nur aus ihrer Perspektive zu betrachten. Für eine realistische Betrachtung und Bewertung braucht es jedoch einen umfassenden Blick und Perspektivwechsel.
  8. Blame Instinct
    Hinter diesem Instinkt steckt die Neigung von Menschen, jegliche Schuld von sich zu weisen und stattdessen nach einem Sündenbock zu suchen: Chef, Umstände, Schicksal…
  9. Urgency Instinct
    Viele glauben, dass auf Veränderungen schnell reagiert und Probleme stets sofort (ASAP) gelöst werden müssen. Dabei ist Abwarten und Analysieren mitunter die bessere Strategie. Obendrein verhindert sie Aktionismus und den Tunnelblick.

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Was macht den Straight-Line-Instinct so gefährlich?

Kognitive Verzerrungen und Wahrnehmungsfehler wie der Straight-Line-Instinct vernebeln unsere Sicht und führen zu Fehlurteilen. Aufgrund der Denkfehler und falschen Annahme, ein Trend setze sich linear fort, treffen wir falsche und zum Teil gefährliche Entscheidungen.

Betroffen davon sind nicht nur die Bevölkerungsentwicklung, der Umweltschutz oder die Konjunktur. Der Straight-Line-Instinkt kann ebenso unsere eigene Entwicklung blockieren. So macht anhaltender Erfolg regelrecht „besoffen“ (siehe: Ikarus-Effekt).

Ikarus-Effekt: Erfolg macht besoffen

Der Ikarus-Effekt erklärt zum Beispiel, warum viele Unternehmen oder Manager nach einem steilen Aufstieg plötzlich scheitern: Der erste schnelle Erfolg macht sie blind für Veränderungen. Also machen sie immer weiter wie bisher – obwohl Nachfrage oder Anforderungen längst andere sind.

Entdecker und Namensgeber des nahen Verwandten des Straight-Line-Instinct ist der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Danny Miller. Er beschrieb das Phänomen erstmal 1990 in seinem Buch „The Icarus Paradox“. Darin beschrieb er Faktoren, die Unternehmen erst zum Erfolg und später in den Niedergang führten.

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Was kann ich gegen den Straight-Line-Instinct tun?

Das beste Gegenmittel gegen den Straight-Line-Instinct ist mehr Realitätssinn. Letzterer verhindert, dass wir vor lauter Blauäugigkeit bestimmte Entwicklungen übersehen (siehe: Schweinezyklus). Mit Blick auf die Liste der obigen kognitiven Verzerrungen lassen sich einige Tipps und Empfehlungen ableiten, die das Risiko des Straight-Line-Instincts reduzieren:

  • Vermeiden Sie das Denken in Extremen

    Schwarz-Weiß-Denken ist selten richtig. Differenzieren Sie stattdessen häufiger und fallen Sie nicht auf allzu einfache Lösungen herein. Die Grauzone ist breiter als Sie denken.

  • Denken Sie positiv

    Katastrophen-Sprecher, sind meist auch Katastrophen-Denker – mit dem Effekt einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Das Ganze funktioniert aber auch positiv – mit gesundem und realistischem Optimismus.

  • Hinterfragen Sie Trends

    Glauben Sie nicht alles, was Sie denken! Hinterfragen Sie vielmehr regelmäßig Ihre Glaubenssätze und Überzeugungen. Vielleicht sogar Ihr Weltbild. Gegen Denkschubladen helfen oft harte Zahlen, Daten, Fakten. Insbesondere wenn es um Trends oder die eigene Entwicklung geht.

  • Überprüfen Sie Ihre Wahrnehmung

    Klischees und Stereotype erleichtern uns die Beurteilung von Informationen. Gleichzeitig bilden sie die Basis für Vorurteile. Wann immer Sie pauschale Begriffe wie „nie“ oder „immer“ verwenden, sollten Sie zumindest aufhorchen.

  • Überstürzen Sie nichts

    Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht. Unter Zeitdruck Entscheidungen zu fällen, ohne genaue Sachkenntnis, rächt sich in den meisten Fällen. Bestes Beispiel dafür sind Lockangebote, die sich im Nachhinein als teuer erweisen.


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