Telepressure: Die Gefahr ständiger Erreichbarkeit

Der Begriff Telepressure bezeichnet den emotionalen Druck, auf E-Mails reagieren oder antworten zu müssen. Das psychologische Phänomen hat zahlreiche negative Auswirkungen. Was sich hinter Telepressure verbirgt und wie Sie zu einem gesünderen Umgang mit Medien finden…

Telepressure Definition Druck Erreichbarkeit

Definition: Was ist Telepressure?

E-Mails, SMS oder Messenger sind nicht nur schnelle Medien. Sie erzeugen Stress! Unterschwellig steckt in jeder empfangenen Nachricht die subtile Aufforderung ebenso schnell zu antworten. Zumindest haben viele das Gefühl, antworten zu müssen. Der gefühlte Druck wird „Telepressure“ genannt.

Der psychologische Effekt hat seinen Ursprung in der ständigen Erreichbarkeit dank Smartphone, Internet und WLAN. Wir sind heute überall und permanent online, vernetzt, erreichbar. Weil das jeder weiß, erwartet auch jeder eine zügige Reaktion.

Beispiel Whatsapp: Wehe, wenn beide Häkchen grün leuchten! Dann weiß der Absender, dass wir die Nachricht gelesen haben – und wartet auf Antwort. Entsprechend begleitet uns Telepressure bis in die Freizeit und ins Wochenende.

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Wie entsteht Telepressure?

Wer unter Telepressure leidet, ist darauf fixiert, ständig seine Nachrichten zu prüfen und kann kaum noch abschalten. Dahinter verbirgt sich nicht selten die Angst, etwas zu verpassen – auch FOMO („Fear Of Missing Out“) genannt. Befördert wird das durch verschiedene Faktoren:

  • Menschliche Neugier

    Hier ein Klingeln, dort ein Summen oder ein aufblinkendes Symbol, das unsere Aufmerksamkeit erfordert: All das weckt die Neugier. Was kann so wichtig sein, dass ich kontaktiert werde?

  • Soziale Zugehörigkeit

    Das klingelnde, brummende oder blinkende Smartphone signalisiert uns, dass eine andere Person mit uns in Kontakt tritt. Menschen suchen immer die Nähe zu anderen Menschen. Auch deshalb fühlen wir uns schnell angesprochen.

  • Beruflicher Druck

    Häufig üben Vorgesetzte zusätzlichen Druck aus. E-Mails, die mit „EILT“ oder „ASAP“ – also: „As soon as possible“ – betitelt sind, dulden keinen Aufschub.

Das Dilemma: Auf der einen Seite verschwimmen die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben immer mehr (siehe: „Work-Life-Blending„). Gleichzeitig versuchen wir umso stärker beides auszugleichen und in Balance zu bringen (siehe: „Work-Life-Balance„). Ein Kampf gegen Windmühlen.

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Wie wirkt sich Telepressure aus?

Zahlreiche Studien haben die Effekte von Telepressure auf das Wohlbefinden von Arbeitnehmern untersucht. Die Ergebnisse: Durch Telepressure erholen sich Arbeitnehmer zunehmend weniger von der Arbeit. Wer berufliche E-Mails noch nach Feierabend oder am Wochenende checkt, unterbricht seine notwendigen Erholungsphasen.

„Mal eben schnell“nachgucken oder antworten – das ist eine gefährliche Illusion und Selbstbetrug. Aufsummiert wird aus dem „mal eben“ ein Dauerzustand, der mehr Zeit und Energie frisst, als wir uns zugestehen. Genau genommen sind es Arbeitszeit und Überstunden, die aber niemand so nennt. Das hat mehrere Konsequenzen:

  • Erwartungsdruck

    Mit jeder prompt beantworteten Mail steigt die Erwartungshaltung beim Empfänger, dass dies auch in Zukunft geschieht. Die sonntägliche Störung wird selbstverständlich. Ein Teufelskreis entsteht.

  • Gesundheit

    Durch die permanente Erreichbarkeit steigt das Risiko, an einem Burnout zu erkranken.

  • Leistungsabfall

    Weil die Regeneration fehlt oder zu gering ausfällt, kommt es zu gesundheitsbedingten Arbeitsausfällen und zu Leistungsstörungen.

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Tipps gegen Telepressure: Das hilft

Telepressure ist keine Krankheit. Sie ist in erster Linie ein Symptom! Und damit Ausdruck eines ungesunden Verhaltens, das sich vor allem in der westlichen Arbeitswelt ausbreitet. Doch dagegen lässt sich etwas tun:

  1. Selbstkontrolle

    Telepressure zu vermeiden, ist zu einem guten Teil eine Frage der Selbstkontrolle. Widerstehen Sie dem Impuls, immer sofort ans Handy gehen zu müssen. Es befeuert nur Konzentrationsstörungen, selbst in der Freizeit. Stellen Sie stattdessen das Handy für gewisse Zeit aus. Ebenso können Sie es auch zuhause lassen, wenn Sie sich in Ihrer Freizeit bewegen.

  2. Selbstreflexion

    Wir alle tragen mit unserem Verhalten dazu bei, bestimmte Standards zu setzen. Das Gefährliche an Telepressure ist, dass wir ein Verhalten aus dem Beruf ins Privatleben übertragen. Wie oft haben Sie schon eine Nachricht geschrieben und erwartet, dass die betreffende Person sich möglichst schnell meldet? Dieses Denken übt auf andere Menschen Druck aus. Die wenigsten Themen sind so fundamental wichtig, dass sie sofort eine Antwort verlangen. Und falls doch, ist es eine Frage des Selbstmanagements: Planen und fragen Sie frühzeitig. Also mit Zeitpuffer. Dann kann eine Antwort auch früh genug erfolgen.

  3. Struktur

    Ob und wann Sie eine E-Mail oder Whatsapp beantworten oder nicht, liegt letztlich in Ihrer Macht. Natürlich: Wer im Dienst ist, kann sich das je nach Beruf nicht aussuchen. Wer aber nicht in systemrelevanten Jobs mit Bereitschaftsdienst arbeitet, hat deutlich weniger zwingende Gründe. Richten Sie lieber feste Zeiten zur Beantwortung von Nachrichten ein, als immer sofort zu springen.

Rahmenbedingungen schaffen

Gerne wird an die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers appelliert. Tatsache ist, dass ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer existiert. Wer um seinen Job fürchtet, wird sich mit Kritik zurückhalten – auch wenn sie bei nüchterner Betrachtung beiden Seiten nützt. Es liegt damit auch am Gesetzgeber und am Chef, die Rahmenbedingungen zu gestalten, um Telepressure zu vermeiden. Das geschieht beispielsweise so:

  • Arbeitszeitgesetz

    In Berufen, die Bereitschaftsdienst (Feuerwehr, Rettungsdienst) haben, muss genauso ein Ausgleich möglich sein wie in anderen Jobs: Da der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zählt, gelten Ruhezeiten und Pausen wie üblich.

  • Corporate Governance

    Gibt es keine gesetzlichen Standards oder führt internationales Handeln zu unterschiedlichen Regeln, helfen firmeninterne Vorgaben durch Corporate Governance.


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