Tanzen hält Körper und Geist fit
Zahlreiche Völker haben sich ihre Tänze bis heute bewahrt:
- die Spanier haben etwa den Bolero
- die Ungarn den Csárdás
- die Andalusier den Flamenco
- die Briten den Hornpipe
- die Italiener die Tarantella
- die Griechen den Sirtaki
- die Polen die Polonaise
- die Amerikaner den Square Dance und
- die Bayern natürlich ihren Schuhplattler. Jodelidü!
Natürlich gibt es ebenso – weit verbreitet – zahlreiche Formen rhythmischer Bewegungslegasthenie: So mancher Kollege oder Chef kann wegen eines Missverständnisses einen ziemlichen Tanz aufführen. Das sieht eher unschön aus. Und mit derlei Verstimmten weiter zu diskutieren, gleicht oft einem Tanz auf dem Vulkan. Dann lieber aussitzen… Doch Spaß beiseite: Tanzen kann weitaus mehr als hübsch aussehen.
Tanzen macht schlau
Neurowissenschaftler um Hubert Dinse von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) testeten vor einiger Zeit ein speziell für Senioren entwickeltes Tanzprogramm. Die zwischen 60- und 94-Jährigen tanzten anschließend sechs Monate lang, aber nur einmal pro Woche und nur eine Stunde lang.
Resultat: Nach dem halben Jahr waren sie nicht nur körperlich erheblich fitter als zuvor – ebenso verbesserten sich ihre kognitiven Fähigkeiten, ihre Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit.
Tanzen lernen wirkt besser als andere Sportarten
Verglichen mit anderen Sportarten wie Laufen, Radfahren oder Kraftsport hat Tanzen viele Vorteile: Es vereint körperliche Aktivität mit sozialer, emotionaler und musikalischer Interaktion sowie kognitiven Herausforderungen. Außerdem lassen sich schnell Erfolge erzielen. Lediglich in puncto Intelligenz und Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit konnten die RUB-Forscher keine nennenswerten Veränderungen registrieren. Zumindest nicht in ihrer Studie.
Es gibt weitere Untersuchungen und eine Langzeitstudie des Albert Einstein College of Medicine in New York. Auch hier beobachteten die Wissenschaftler mehrere Senioren um die 75 Jahre. Allerdings verglichen sie in ihrer Studie, ob und wie sich sowohl körperliche Aktivitäten (Tennis spielen, Golfen, Schwimmen, Radfahren, Tanzen, Spazieren gehen, …) als auch kognitive Leistungen (Bücher lesen oder schreiben, Puzzeln, Karten- oder Instrumente spielen, …) auf die geistige Fitness der Probanden auswirkten.
Das Ergebnis war verblüffend: Nahezu keine der körperlichen Aktivitäten wirkte sich positiv auf die mentale Leistungskraft aus. Im Gegenteil: Der Effekt war durchweg Null. Natürlich war der Sport gut für Herz und Kreislauf, förderte Kondition und Beweglichkeit. Aber dem geistigen Verfall wirkte er in keiner Weise entgegen. Mit einer Ausnahme: dem regelmäßigen Tanzen.
Tanzen gegen Demenz
Es kommt noch besser:
- Regelmäßiges Lesen vermochte das Risiko der Demenz um 35 Prozent zu senken; Senioren, die vier Tage in der Woche Kreuzworträtsel lösten, senkten ihr Demenzrisiko um stolze 47 Prozent gegenüber jenen, die nur einmal die Woche puzzelten.
- Regelmäßiges Tanzen aber toppte das alles: Es senkte die Wahrscheinlichkeit der schrumpfenden Geisteskraft um ganze 76 Prozent!
Die Erklärung der Wissenschaftler: Demenz ist nichts anderes als der fortschreitende Verlust von Synapsenverbindungen. Jedes Mal, wenn wir etwas lernen, knüpft unser Hirn neue, neuronale Pfade. Über die Jahre entstehen so zahlreiche Straßen und Knotenpunkte zu unserem gespeicherten Wissen. Denken wird durch dieses Netzwerk erst möglich.
Tanzen baut neue Denkstraßen
Demenz dagegen ist so, wie Deutschlands Autobahnen im Sommer: überall Baustelle. Ein Pfad nach dem anderen wird unterbrochen. Anfangs fällt das noch nicht auf, weil unsere grauen Zellen dann eben Umwege fahren. Nur dauert die Fahrt mit jedem Mal länger und länger. Substantive oder Namen weisen in der Regel die wenigsten Neuronenwege auf, zu ihnen reißt der Zugang mit fortschreitendem Alter deshalb oft als Erstes ab. Häufig bilden alte Menschen dann Synonyme, die den verlorenen Zugang überwinden sollen. Oder sie sehen eben ein bekanntes Gesicht und kramen stundenlang nach dem dazu gehörigen Namen: Kim? Heidi?? Horst???
Das heißt aber auch: Je komplexer unser neuronales Netzwerk ist, je zahlreicher die alternativen Verbindungen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass wir den Zugang zu unserem Wissen verlieren. Sollte ein Weg im Laufe der Zeit ausfallen, bleiben immer noch genug alternative Pfade.
Aus der Intelligenzforschung wiederum ist bekannt, dass es für die Denkstraßen essenziell ist, dass sie häufig befahren werden. Im Gegensatz zu Autobahnen nutzen sie sich mit zunehmendem Verkehr nicht ab oder verstopfen, sondern werden breiter und besser. Und das geschieht vor allem durch Nachdenken, was nichts anderes ist als tausende kleine (Abzweig-)Entscheidungen zu treffen. Und genau an der Stelle kommt das Tanzen ins Spiel…
Tanzen lernen: Schon eine Stunde pro Woche reicht
Während die meisten Sportarten, wie Schwimmen oder Golfen, überwiegend bereits gelernte Bewegungsabläufe abrufen und diese allenfalls verfeinern, fördert Tanzen zahlreiche kognitive Prozesse, vor allem aber neue Entscheidungen zu treffen. Wer mit einem Partner tanzt, muss…
- blitzschnell auf dessen Bewegungen reagieren.
- gleichzeitig die eigenen mit dem Rhythmus abgleichen.
- je nachdem neue Bewegungen, wie etwa eine Drehung oder einen Ausfallschritt, planen und choreographieren.
Das alles in Sekundenbruchteilen. Und jedes Mal anders. Der Tanz soll ja spontan aussehen und nicht wie abgespult! So haben denn auch die Freistil-Paartänze den größten Effekt auf die Intelligenz – also jene Tanzstile ohne festen Bewegungsablauf wie Swing, Foxtrott und zuweilen Latein (Nicht vergessen: Die Probanden waren Senioren, Techno und Hiphop kannten die noch nicht).
Der zweite Vorteil dieser Tänze ist, dass sie sowohl das Führen wie auch das Geführt-werden einschließen, was die Anzahl der dafür nötigen Entscheidungen erhöht. Eine Frau, die geführt wird, ist somit keinesfalls geistig passiv, sondern höchst aktiv: Sie muss die Bewegungen ihres Partners interpretieren und darauf gekonnt reagieren. Womit ebenfalls klar ist, dass das geistige Training umso stärker ausfällt, je häufiger sie an dem Abend ihren Tanzpartner wechselt.
Diese Regel gilt natürlich ebenso für Männer. Auch sie, so die Forscher, sollten ihre Tanzpartnerinnen öfter wechseln, ihren Führungsstil verändern und sich in abwechslungsreichen Abläufen üben. Je öfter, desto besser für das Gehirn. In dem Sinne wünschen wir Ihnen ein bewegungsintensives Wochenende – und gehen Sie tanzen!
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