Mit dem Rad zur Arbeit: Gute Idee?
Wohnen Sie zufällig in Münster, Karlsruhe, Freiburg, Erlangen, Oldenburg, Ingolstadt, Bocholt, Nordhorn, Wesel, Reken, Ketzin oder Rhede? Wenn ja, dann hat sich die Sache eigentlich schon erledigt. Wenn SIE nicht mit dem Rad zur Arbeit fahren, wer dann? Die genannten Städte und Kommunen sind laut Fahrradlobby vom ADFC die fahrradfreundlichsten in ganz Deutschland.
Letztlich aber radeln selbst von den leidenschaftlichen Radfahrern vergleichsweise wenige zur Arbeit. Laut Fahrrad-Monitor 2015 tun dies nur 29 Prozent der regelmäßigen Radfahrer, während 67 Prozent ihr Zweirad für Ausflüge aus dem Schuppen holen. Im Vergleich zur vorherigen Erhebung 2013 immerhin ein kleiner Anstieg: Damals gaben nur 25 Prozent an, mit dem Rad auch zur Arbeit zu fahren.
Dabei wollen viele ja. Laut einer Studie des Bundesumweltministeriums können sich zwei Drittel der Arbeitnehmer, die mehrmals pro Woche mit dem Auto zur Arbeit fahren, vorstellen, aufs Rad umzusteigen.
Der Ausbau von Radschnellwegen könnte die Entwicklung befeuern. 2014 wurde der bundesweit erste in Göttingen eingeweiht, weitere sollen folgen. Neben der Infrastruktur gibt es aber durchaus noch ein paar andere Aspekte, die man bedenken sollte, bevor man radelnd zur Arbeit pendelt. Wir stellen die wichtigsten gegenüber, um Ihre Entscheidungsfindung zu erleichtern.
Schließlich bricht der Frühling an, die Räder dürfen dann wieder aus dem Keller geholt werden. Mit dem Rad zur Arbeit: Was dafür spricht, und was dagegen …
Mit dem Rad zur Arbeit: Was dafür spricht
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Gesundheit
Das schlagkräftigste Argument gleich zu Beginn: Menschen, die mit dem Rad zur Arbeit pendeln, halbieren ihr Krebsrisiko. Das besagt eine Studie der Universität Glasgow. Die Wissenschaftler hatten fünf Jahre lang insgesamt 250.000 Pendler in Großbritannien studiert. Davon verstarben im Laufe der Studie 2.430, bei 3.748 wurde Krebs diagnostiziert, 1.110 hatten Herzprobleme.
Wer mit dem Rad zur Arbeit kam, reduzierte nun sein Mortalitätsrisiko um 41 Prozent. Das Risiko, an Krebs zu erkranken, sank für die Radfahrer gar um 45 Prozent, für Herzkrankheiten wurde eine um 46 Prozent niedrigere Wahrscheinlichkeit berechnet. Die untersuchten Radfahrer legten dabei im Schnitt 30 Meilen (rund 48 Kilometer) pro Woche zurück. Grundsätzlich galt: Je länger die Strecke und je größer das Pensum, desto größer der Vorteil.
Über die genauen Gründe können auch die Wissenschaftler nur spekulieren. Der gesundheitliche Benefit könne mit dem niedrigeren Gewicht zusammenhängen – aber auch damit, dass es im Körper zu weniger entzündlichen Prozessen kommt.
Und das Beste an ihrer Entdeckung: Radfahren erfordert – zum Beispiel im Vergleich zum Fitnesstudio – keinerlei Disziplin. Es lässt sich relativ mühelos in die Tagesroutine integrieren.
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Kosten
Für ein gutes Rennrad oder Mountainbike müssen Sie einen (nicht ganz niedrigen) vierstelligen Betrag hinlegen. Auch die billigen Fabrikate kosten zumindest einige Hundert Euro.
Sobald Sie aber die Anschaffungskosten bewältigt haben, ist der Spaß schnell amortisiert. Ihr Rad muss weder betankt noch versichert werden, Sie müssen keine Tickets ziehen, Mautgebühren oder Strafzettel wegen Falschparkens bezahlen.
Sollten Sie aber die saftige Einmal-Investition scheuen, gibt es ebenfalls Optionen. Viele Städte haben in den letzten Jahren Fahrradverleih-Systeme etabliert, über die Sie sich via Smartphone-App ein Rad kurzzeitig für geringe Beträge leihen können.
Oder steigen Sie einfach auf ein günstiges gebrauchtes Rad um, das Sie in einem der zahlreichen Anzeigenportale erstöbern.
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Nachhaltigkeit
Unsere Erde geht den Bach runter, das haben Sie ja bestimmt schon mitgekriegt. Wenn Sie auf den täglichen Ausstoß von Pkw-Abgasen verzichten, leisten Sie Ihren ganz persönlichen Beitrag zur Klimarettung (und erleichtern ganz nebenbei Ihr Gewissen).
Hier geht es aber gar nicht nur um abstrakte CO2-Zukunftsberechnungen. Ganz simpel: Je weniger Autos auf der Straße, desto geringer die Abgas- und Feinstaubbelastung unmittelbar vor Ihrem Fenster.
Die Luftverschmutzung kostet nach EU-Angaben allein in der Europäischen Union jedes Jahr 400.000 Menschen das Leben.
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Vorbildfunktion
Beispiel Commerzbank: Mitarbeiter können sich an acht Standorten in Frankfurt eines von 670 Firmenrädern ausleihen und zum Kundentermin oder durch die Mittagspause radeln. Wenn ein Mitarbeiter ein Rad least, kann er das sogar steuerlich geltend machen (siehe unten).
Unternehmen haben ein völlig logisches Interesse daran (oder sollten es zumindest haben), dass ihre Beschäftigten fit und munter bleiben. Maßgeschneiderte Firmenprogramme für Radfahrer können helfen.
Auch ohne Firmenprogramm: Speziell Führungskräfte können die Richtung vorgeben und andere Mitarbeiter zum Umstieg aufs Fahrrad motivieren – auch zum Wohle der Firma.
Mit dem Rad zur Arbeit: Was dagegen spricht
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Schweiß
Nach wenigen Minuten auf dem Rad läuft Ihre Schweißproduktion auf Hochtouren. Ganz frühlingsfrisch kommen Sie also nicht mehr im Büro an.
Zudem wird ihr Haar durch den Wind arg zersaust oder durch einen Helm plattgedrückt. Vielleicht halten Sie diesen Punkt jetzt für wahnsinnig oberflächlich. Aber ein gepflegtes Äußeres bringt Ihnen selbstverständlich Pluspunkte im Job (und mehr Umsatz), ist in bestimmten Jobs gar unentbehrlich, wenn Sie zum Beispiel viel Kundenkontakt haben.
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Diebstahlgefahr
Fahrräder sind begehrtes Diebesgut. Faustregel Nummer eins: Investieren Sie ein paar Euro mehr in ein vernünftiges Fahrradschloss, das nicht mit zwei Handgriffen geknackt ist. Mit 50 bis 100 Euro können Sie kalkulieren.
Und eruieren Sie vorab die Abstellmöglichkeiten in, vor oder neben dem Firmengebäude. Denn: Auf Firmenplarkplätzen sind weder Pkw noch Fahrräder sicher. Wer das teure Mountainbike unbedacht an der Straße abstellt, erlebt die böse Überraschung schneller als er aufs Rad steigen kann.
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Zeit
Wenn Sie einen fein getakteten Tagesablauf haben, die Kinder aus der Kita und die Oma vom Arzt abholen müssen, dann sprengt die Radtour vielleicht Ihren zeitlichen Rahmen.
Hier ist auch das Verkehrsnetz relevant. Wie viele Ampeln und Kreuzungen sind im Weg? Wie schnell komme ich mit dem Rad überhaupt voran?
Dass die Fahrt zur Arbeit mit dem Auto schneller vonstatten geht, ist aber aufgrund der innerstädtischen Blechlawinen längst nicht so sicher, gilt wohl eher für längere Strecken.
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Flexibilität:
Wer immer wieder schnell zum Kunden raus, Beschaffungen oder Besichtigungen machen muss, stößt mit dem Rad schnell an logistische Grenzen.
Auch können Sie nicht mal eben ins Auto steigen, um für sich und die Kollegen einen Pausensnack von der Tankstelle zu organisieren.
Für Berufe mit Bewegungsdrang sind Fahrräder einfach nicht flexibel genug. Leider.
Fahrrad: Ist es steuerlich absetzbar?
Noch ein Argument pro Fahrrad: Es lässt sich steuerlich absetzen. Zunächst kommen auch Radfahrer in den Genuss der Pendlerpauschale: Pro Kilometer gibt es 30 Cent.
Es gibt aber noch eine zweite Option für Radler, um Steuern zu sparen: Lassen Sie sich von Ihrem Arbeitgeber ein Dienstrad spendieren! Für Diensträder gelten mittlerweile die gleichen Regeln wie für Dienstwagen – mit dem Unterschied, dass ein E-Bike oder Fahrrad um ein Vielfaches günstiger ist.
Als Arbeitnehmer versteuern Sie für die private Nutzung des Dienstfahrrads monatlich ein Prozent des Listenpreises als geldwerten Vorteil. Angenommen, Ihr Dienst-E-Bike hat 1.200 Euro gekostet, dann werden Ihnen zwölf Euro auf Ihr Einkommen angerechnet. Ihre Steuern und Sozialabgaben steigen geringfügig.
Ein Dienstwagen dagegen hätte gut und gerne 40.000 Euro kosten können. In dem Fall hätten Sie 400 Euro zusätzlich versteuern müssen – ein gewaltiger Unterschied. Vorteil: Dienstrad.
Und auch der 0,03-prozentige Aufschlag pro Entfernungskilometer, der bei einem Dienstwagen versteuert werden muss, fällt beim Dienstrad weg. Es sei denn, Sie fahren ein E-Bike, das schneller als 25 Kilometer pro Stunde unterwegs ist (bzw. unterwegs sein kann).
Und Pedelecs, die auf über 45 Kilometer pro Stunde kommen, fallen gar in die Kategorie Kraftfahrzeug – in dem Fall sind die steuerlichen Vorteile eines Dienstrades für Sie komplett passé.
Das ist der erste fahrradfreundliche Arbeitgeber Berlins
Die Investitionsbank Berlin (IBB) ist der erste fahrradfreundliche Arbeitgeber Berlins. Genauer gesagt: Sie ist der erste Arbeitgeber, der vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub als fahrradfreundlich zertifiziert wurde.
Den Ausschlag gegeben hat das Gesamtpaket der Banker, wie der RBB berichtet: Zum Einen radelt der Vorstandsvorsitzende Jürgen Allerkamp mit gutem Beispiel voran. Dann verfügt die Bank über zwei ebenerdige, abgeschlossene Fahrradräume, die videoüberwacht sind – so wird die Diebstahlgefahr minimiert. Insgesamt stehen 70 Fahrrad-Stellplätze zur Verfügung. Und noch ein Extra: Die „Felgenbieger“ sollen in Kürze durch Ständer mit seitlicher Stütze ersetzt werden.
Frisch machen können sich die Radfahrer in den Umkleiden mit insgesamt fünf Duschen, die Lagerräume haben zudem abschließbare Spinde.
Auch hat die IBB eine Kooperation mit zwei Fahrradläden in der Umgebung geschlossen. Ein Fahrrad-Mechaniker holt defekte Räder – bei einem Platten zum Beispiel – vormittags ab, repariert sie und bringt sie am Nachmittag wieder vorbei. Rückfahrt für die Arbeitnehmer gesichert.
Konsequenz: Schon 70 bis 80 Mitarbeiter kommen nach IBB-Angaben regelmäßig mit dem Rad zur Arbeit, trainieren teilweise sogar in einer eigenen Betriebssportgruppe zusammen. Allerdings sind das noch immer nicht mehr als 13 Prozent der Beschäftigten.
Mit dem Rad zur Arbeit: 7 Tipps
Hier sind sieben Tipps, damit Sie möglichst schnell und unbeschadet mit dem Rad zur Arbeit kommen:
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Rucksack
Schnallen Sie sich während der Fahrt keinen Rucksack auf den Rücken – erhöhte Schwitzgefahr. Und manövrierfähiger werden Sie dadurch auch nicht. Besser: Tasche in einem passenden Gepäckträger verstauen.
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Strecke
Planen Sie für Ihre Jungfernfahrt einen zeitlichen Puffer ein – so ähnlich wie bei einem Vorstellungsgespräch. Also möglichst 15 bis 30 Minuten zu früh losfahren, um keine bösen Überraschungen zu erleben – ewig rote Ampeln, Bahnübergänge oder ruckeligen Asphalt zum Beispiel. Noch besser: Die Strecke vorher einmal abfahren.
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Check
Vor dem Drahtesel-Debüt steht der Check-up. Am besten alles einmal kontrollieren: Beleuchtung, Reifendruck, Sattelhöhe – wenn Sie unterwegs Hand anlegen müssen, gehen Ihnen wichtige Minuten verloren. Vom erhöhten Sicherheitsrisiko ganz zu schweigen.
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Gemeinschaft
Zusammen radelt es sich besser – Fahrradgemeinschaften können helfen. Möglicherweise finden Sie Weggefährten, die sich für den Umstieg aufs Rad begeistern lassen und Ihnen unterwegs Gesellschaft leisten.
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Route
Der schnellste Weg zur Arbeit muss nicht der beste – sondern kann auch der lauteste, hässlichste oder gefährlichste – sein. Ein Umweg dagegen kann sich als Segen entpuppen, auch wenn sich die Anfahrt um fünf Minuten verlängert …
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Schloss
Lieber in gute Befestigung investieren als sich das Fahrrad vor der Nase wegstibitzen lassen. Geben Sie einmal 50 Euro für ein gutes Fahrradschloss aus als zweimal Hunderte von Euro für ein neues Fahrrad.
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Handy
Für Radler gilt das Gleiche wie für Autofahrer: Handy bitte steckenlassen! Eine Alternative für Quasselstrippen: Das Startup Sminno aus Kassel hat eine Freisprechanlage fürs Fahrrad entwickelt.
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