Definition: Was ist Selbstkontrolle?
Selbstkontrolle ist die Fähigkeit, spontanen Versuchungen, Provokationen oder inneren Impulsen zu widerstehen und das eigene Verhalten sowie seine Emotionen soweit zu steuern, dass eigene, langfristige Ziele weiterhin verfolgt und erreicht werden.
Synonyme für Selbstkontrolle sind: Selbstbeherrschung, Impulskontrolle und Selbstdisziplin. Psychologen sprechen auch von Selbstregulation. Alle Formen sind enge Verwandte der Willenskraft (Fachbegriff: Volition) und befähigen uns dazu, kurzfristige Bedürfnisse zugunsten einer moralisch oder ökonomisch besseren Alternative zurückzustellen.
Selbstkontrolle Psychologie: Der Marshmallow-Test
Die Fähigkeit, auf kurzfristige Belohnungen zu verzichten (sog. Gratifikationsverzicht), gilt in der Psychologie als starkes Indiz für langfristigen Lebenserfolg und emotionale Intelligenz. Basis hierfür ist der heute legendäre Marshmallow-Test, der 1968 von dem Psychologen Walter Mischel an der Stanford Universität durchgeführt wurde.
Kinder im Vorschulalter hatten die Wahl: Entweder eine Schale mit Marshmallows sofort naschen – oder warten, bis der Versuchsleiter zurückkommt und mehr Süßigkeiten bekommen… Jahre nach dem Experiment zeigte sich: Wer einst die Selbstkontrolle besaß und abwarten konnte, war zu einer selbstbewussten, sozial-kompetenten Persönlichkeit gereift, konnte mit Rückschlägen und Frustration umgehen, hatte ein höheres Selbstwertgefühl und führte stabilere Beziehungen.
Forscher glauben sogar, dass die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub ein maßgeblicher Treiber für Erfolg ist – wichtiger noch als die Intelligenz und der IQ.
Selbstkontrolle Bedeutung: Warum ist sie so wichtig?
Selbstkontrolle beeinflusst zahlreiche Bereiche des Lebens: Konsumentscheidungen (z.B. Kaufrausch), Job (Frustrationstoleranz), Beziehungen (Fremdgehen), Gesundheit (Ernährung, Rauchen), Freizeit (noch ein Bier?). Keine Frage, ein bisschen Spontanität gehört zum Leben dazu, wer sich aber von all seinen Impulsen leiten lässt, handelt unkontrolliert und unüberlegt.
Das Ergebnis sind Entscheidungen, die wir später oft bereuen oder Ziele, die wir nicht mehr erreichen, weil wir auf Abwege geraten. Mit Impulsivität und Triebhaftigkeit bzw. mangelnder Selbstkontrolle stehen wir uns vor allem selbst im Weg. Weitere Folgen können sein: Maßlosigkeit, Grenzüberschreitungen sowie hemmungslose Ausschweifungen.
Selbstkontrolle lässt am Abend nach
Unsere Selbstkontrolle ist von der Tageszeit abhängig. Zu dem Ergebnis kommen Studien um Maryam Kouchaki von der Harvard Universität: Morgens handelten die Teilnehmer moralischer als am Abend („morning morality effect“). Bestätigt wird das von Studien um Roy Baumeister an der Universität von Washington: Selbstkontrolle kostet Kraft. Wer tagsüber zahlreichen Versuchungen und Impulsen widerstehen musste, ist davon am Abend müde, gibt nach – und hat sich nicht mehr im Griff. Das gilt für den Schokoriegel genauso wie für eine schnippische Reaktion gegenüber dem Partner.
Tipps: Wie kann ich Selbstkontrolle lernen?
Selbstkontrolle lernen die meisten Menschen bereits früh in der Kindheit (siehe Marshmallow-Test), Teile davon sind genetisch bedingt. Aber auch im Erwachsenenalter können wir noch unsere Selbstbeherrschung trainieren und lernen, Versuchungen oder inneren Impulsen zu widerstehen:
1. Ziel erinnern
Stehen Sie vor einer Versuchung oder Herausforderung, rufen Sie sich Ihr ursprüngliches Ziel ins Gedächtnis und WARUM Sie es anstreben: Warum wollten Sie abnehmen? Warum wollten Sie das Rauchen aufgeben? Warum wollen Sie gerade mehr Geld sparen? Indem Sie Ihr „Warum“ (neudeutsch: Purpose) stärken, nehmen Sie dem Impuls seine verführerische Kraft.
2. Verbindlichkeit schaffen
Wenn Sie eine Entscheidung FÜR etwas treffen, ist das zugleich eine Entscheidung GEGEN die zig Alternativen. Etwa bei der Partnerwahl. Es hat einen Grund, warum die Ehe ein öffentlicher Akt vor Gästen und Zeugen ist: Es schafft mehr Verbindlichkeit und soziale Kontrolle. So ist es auch mit anderen Zielen: Erzählen Sie Freunden davon, suchen Sie Verbündete und hängen Sie es an die große Glocke. Der soziale Druck, sich bei Abbruch oder Aufgabe rechtfertigen zu müssen, stärkt die Selbstkontrolle.
3. Nicht überschätzen
Selbstvertrauen hilft bei der Selbstdisziplin. Zu viel davon aber, und es bringt uns zu Fall. Die Attitüde „Mir passiert das nicht!“ hat schon manchen Seitensprung und beruflichen Absturz eher noch befeuert. In der Wissenschaft ist das Phänomen der Selbstüberschätzung auch als Overconfidence-Effekt bekannt: Betroffene sind so sehr von sich überzeugt, dass die Selbstsicherheit zum Selbstbetrug wird. Hinterfragen Sie sich deshalb regelmäßig – und bleiben Sie lieber etwas demütiger.
4. Versuchungen meiden
Klingt banal, ist es aber nicht: In Sachen Selbstkontrolle können Sie sich das Leben auch unnötig schwer machen. Ein trockener Alkoholiker geht besser nicht in eine Bar, ein Spielsüchtiger nicht ins Casino. Klar. Aber was ist, wenn Sie mehr Zeit mit dem Partner oder Freunden verbringen wollen: Ist das Netflix-Abo dann wirklich hilfreich? Oder ist es zielführend, Berge von Schokolade einzukaufen, wenn Sie gerade abnehmen wollen? Je mehr Sie sich darauf konzentrieren, Versuchungen aus Ihrem Umfeld zu verbannen, desto besser wird die Selbstkontrolle gelingen.
5. Gedanken regulieren
Unsere Gedanken haben enorme Macht. Dazu gehören Glaubenssätze (sog. Affirmationen) genauso wie negatives Grübeln. Häufig sind diese Gedanken das Resultat unserer Erfahrungen – negativer wie positiver –, und Erlebnisse in der Kindheit und Jugend. Gleichzeitig steuern sie, wie wir uns fühlen oder eine Situation bewerten. Für uns wird aus der Projektion schließlich eine Realität. Indem Sie Ihre Gedanken kontrollieren und beeinflussen („Ich werde das nicht tun!“), gewinnen Sie auch mehr Kontrolle über sich selbst.
6. Gleichgewicht finden
Überfordern Sie sich nicht – insbesondere nicht am Anfang, wenn Sie Selbstkontrolle trainieren und deshalb auf Vieles verzichten. Sonst verlieren Sie schnell die Lust daran. Belohnen Sie sich stattdessen für Teilerfolge und versuchen Sie regelmäßig, dabei Ihr inneres Gleichgewicht zu finden – zum Beispiel durch Meditation, Selbstreflexion oder stille Zeiten. Sind Körper und Geist ausgeglichen, fällt es definitiv leichter, den Alltag zu bewältigen und emotionale Selbstkontrolle zu praktizieren.
Vom Kontrolldrang zum Kontrollzwang
Die Dosis macht das Gift – das gilt auch für die die Selbstkontrolle. Extrem kontrollierte Menschen wirken eher unsympathisch und allzu großer Kontrollzwang kann sogar krank machen oder in einen Burnout führen. Sie dürfen bei allem Mensch bleiben und sich weiterhin ein paar Ausrutscher und Fehler erlauben.
Was kann meine Selbstkontrolle blockieren?
Auch wenn sich Selbstkontrolle lernen lässt – es gibt ebenso ein paar Hindernisse, die die Fähigkeit zur Impulskontrolle einschränken:
- Fehlende Überzeugung
Wer nicht davon überzeugt ist, dass er oder sie von Selbstbeherrschung profitiert, wird auch keine Motivation dafür aufbringen, geschweige denn diese Fähigkeit trainieren. - Unrealistische Ziele
An seinen Zielen festzuhalten, sich nicht ablenken lassen, hängt entscheidend davon ab, wie realistisch diese sind. Für ein erreichbares Ziel sind wir bereit, Opfer zu bringen. Bleibt es unkonkret, geben wir bald auf. - Stress und Sorgen
Selbstkontrolle fällt umso schwerer, je mehr wir um die Ohren haben. Wer gerade starke Existenzängste hat, wird anfälliger für Versuchungen – etwa durch Alkohol, Süßigkeiten oder Sex. - Erlernte Verhaltensmuster
Schlechte Gewohnheiten abzulegen, dauert im Schnitt 66 Tage. In dieser Zeit ist die Gefahr groß, in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Besonders bei ersten Rückschlägen oder Niederlagen.
Wie bei allem gilt auch bei der Selbstkontrolle: Wer seinen inneren Schweinehund zähmen will, muss üben, üben, üben. Beginnen Sie mit kleinen Schritten. So stärken Sie Tag für Tag Ihre Widerstandskraft gegenüber der Impulsivität. Und falls Sie doch mal der Versuchung erliegen, gilt: aufstehen, weitermachen!
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