Vorstellungsgespräch vorbereiten: Strukturelle Voraussetzungen schaffen
Das Anschreiben des Bewerbers nochmal aufmerksam lesen, den Lebenslauf analysieren, wichtige Fragen daraus ableiten – das sollten Selbstverständlichkeiten sein, um den Auswahlprozess optimal vorzubereiten. Weitaus seltener werden im Vorfeld strukturelle Voraussetzungen für das Vorstellungsgespräch geschaffen.
Dazu gehören zum Beispiel die Fragen, welche Abteilungen eingebunden werden müssen, welche Fach- und Führungskräfte am Gespräch teilnehmen, dieses hauptverantwortlich führen oder protokollieren sowie wie viele Vorstellungsgespräche für die jeweilige Stelle vorgesehen sind. Hierüber Klarheit zu haben, hilft nicht nur aus praktischen Gründen – manche Bewerber fragen (zurecht) nach…
- der Anzahl und den Funktionen der Teilnehmer
- der Dauer des Gesprächs oder
- der Anzahl der Auswahlrunden.
Schließlich wollen sie sich entsprechend vorbereiten. Umso professioneller wirkt es, wenn Sie als potenzieller Arbeitgeber ebenso Ihre Hausaufgaben gemacht haben und hierüber ebenso freundlich wie kompetent Auskunft geben können.
Vorbereitung des Vorstellungsgesprächs
Drei zentrale Fragen sollten deshalb vor der Einladung zum Vorstellungsgespräch beantwortet werden können:
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Wer muss eingebunden werden?
Welche Abteilungen und Mitarbeiter müssen in welchem Stadium des Bewerbungsprozesses beteiligt und beim Vorstellungsgespräch anwesend sein? Sind durch die Auswahl fachlich fundierte Fragen sichergestellt? Ist klar geregelt, wie und wann die relevanten Mitarbeiter informiert werden? Gibt es für die einzelnen Abteilungen Vorgaben, worauf im Vorstellungsgespräch genau zu achten ist?
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Ist der Entscheidungsweg klar?
Ist klar geregelt, wer wie viel Einfluss auf die endgültige Bewerberauswahl hat? Unklare Zuständigkeiten und Kompetenzen können zu Konflikten und Kompetenzgerangel führen. Solche Probleme lassen sich von vornherein vermeiden, wenn klar festgelegt wird, wie die Entscheidung für oder gegen einen Bewerber getroffen wird und wer das letzte Wort hat.
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Welche Wirkung wird vermittelt?
Wer von Unternehmensseite an einem Vorstellungsgespräch teilnimmt, ist nicht nur aus fachlicher Sicht relevant. Die Auswahl der teilnehmenden Mitarbeiter kann Bewerbern signalisieren, wie wichtig oder unwichtig, die ausgeschriebene Position ist. Zwar gibt es hier immer Interpretationsspielraum, doch sollten Unternehmen darauf achten, Vorstellungsgesprächen mit gefragten (und raren) Talenten immer auch hochrangige und qualifizierte Mitarbeiter zuzuweisen.
Vorstellungsgespräch durchführen: Gesprächsleitfaden erstellen
Leider berichten uns Leser immer wieder, dass ihnen im Bewerbungsgespräch Personaler gegenüber saßen, die weder vorbereitet waren, noch die Bewerbungsunterlagen gelesen hatten oder kluge Fragen stellen konnten. Das ist nicht nur peinlich und schadet dem Arbeitgeberimage nachhaltig – es führt auch zur falschen Auswahl: Wahre Talente brechen solche Gespräche tendenziell ab oder sagen danach ab. Übrig bleiben, nicht unbedingt die Bestbesetzungen, sondern jene, die weniger wählerisch sein können.
Es hat sich bewährt, vor jedem Jobinterview einen individuellen Gesprächsleitfaden zu erstellen, der auf den einzelnen Kandidaten eingeht – und der allen Beteiligten vorab (!) zur Vorbereitung vorliegt. Denn klassischerweise verlaufen Vorstellungsgespräche meist in fünf typischen Phasen:
Vorstellungsgespräch Leitfaden – für ale 5 Phasen
Ausgehend von einem typischen Gespräch, das mit 45 Minuten Dauer angesetzt ist, könnte Ihr Gesprächsleitfaden so aufgebaut sein:
Phase 1: Smalltalk (5 Minuten)
Schon die Begrüßung und Gesprächseröffnung können dem Jobinterview eine entscheidende Richtung und Atmosphäre geben. Falls Sie an einem Tag mehrere Gespräche führen, kann es schon mal zu Abweichungen im Plan kommen – und damit zu Wartezeiten für die Bewerber. Wie aber empfangen Sie diese?
- Kennt der Pförtner beispielsweise schon deren Namen?
- Gibt es einen vorbereiteten Warteraum – mit Getränken und Keksen?
- Wer holt die Kandidaten ab?
Entscheidend ist, dass sich die Bewerber nicht wie lästige Besucher fühlen, sondern wie ein potenzieller Mitarbeiter. Wer dazu noch stilles Wasser, Kaffee, Tee oder ein paar Kekse reicht, sammelt zusätzliche Pluspunkte für gelebte Gastfreundschaft und eine existente Willkommenskultur. Nicht vergessen: Formal sind Sie der Gastgeber!
Dasselbe gilt dann für die Begrüßung und den kurzen Smalltalk. Ist der herzlich und persönlich? Können Sie den Kandidaten direkt mit Namen ansprechen? Oder wissen Sie etwas über seine Anreise? Je vorbereiteter Sie wirken, desto weniger klingt das Interview nach einem Pflichttermin.
Phase 2: Kennenlernen (15 Minuten)
Nach dem Warmwerden und ersten Eindruck geht es ans Eingemachte. Sie wollen den oder die Bewerberin und deren Motivation besser kennenlernen. Nützliche Gesprächsöffner hierfür sind offene Fragen, wie:
- Erzählen Sie etwas über sich.
- Warum haben Sie sich bei uns beworben?
- Warum möchten Sie diesen Job?
- Warum sollten wir Sie einstellen?
- Was können Sie für uns tun, was andere nicht können?
Auf diese sogenannte Selbstpräsentation sind die meisten Kandidaten vorbereitet. Aber auch nervös. Selbst wenn das jetzt nicht IHRE Bühne ist, können Sie dabei eine gute oder schlechte Figur abgeben. Als Arbeitgeber in spe punkten Sie jetzt, indem Sie…
- …dem Bewerber auf Augenhöhe begegnen.
Heißt: Die Eröffnungsfragen sollten nicht wie ein Verhör klingen oder einen skeptischen Unterton haben. Stellen Sie die Fragen mit einladender Offenheit und lächeln Sie dazu. Unzulässige Fragen stellen Sie natürlich generell nicht. - …dem Kandidaten die Nervosität nehmen.
Vorstellungsgespräche sind Ausnahmesituationen. Nicht jeder ist so geübt darin wie Sie. Helfen Sie dem Kandidaten also beispielsweise über Blackouts hinweg oder geben Sie ruhig zu, dass auch Sie ein bisschen aufgeregt sind – schließlich sind Sie gespannt, wer da vor Ihnen sitzt. Das beweist Menschlichkeit und Größe. - …dem Bewerber nie ins Wort fallen.
Umgekehrt würden Sie das auch nicht wollen. Unterbrechen, abwürgen, Sätze vollenden – all das ist grob unhöflich und steigert eher noch das Lampenfieber. Ein wirklich erhellendes Gespräch wird das dann kaum noch. Es sei denn, der Job sieht später genauso aus – aber dann hätten Sie ein ganz anderes Problem.
Wenn Sie anschließend noch Ihre offenen Fragen stellen, vergessen Sie bitte nicht, auf Ihre Körpersprache sowie Mikrogesten zu achten. Dass Sie sich zwischendurch Notizen machen, ist okay. Ständiges Klicken mit dem Kugelschreiber, Blicke auf das Smartphone oder auf die Uhr schaffen aber keine entspannte Atmosphäre und werden im Fall einer Absage als herablassende Haltung erinnert.
Phase 3: Selbstvorstellung (10 Minuten)
Jetzt sind Sie an der Reihe und stellen das Unternehmen und die zu besetzende Stelle genauer vor. Eine einstudierte Werbebotschaft möchten Bewerber dabei genauso wenig hören, wie Sie auswendig gelernte Antworten zu Stärken oder Schwächen. Plaudern Sie lieber kurz (!) über die Kultur des Unternehmens (die Geschichte kann jeder im Internet nachlesen), die Arbeitsabläufe und die Anforderungen an den Job. Vor allem Letzteres interessiert.
Gut vorbereitete Kandidaten wollen meist wissen:
- Warum ist die Stelle vakant?
- Gab es einen Vorgänger, wo ist der jetzt?
- Was erwarten Sie sich von der Besetzung?
- Wie messen Sie Erfolg?
- Wie groß ist das Team, an wen wird berichtet?
- Welchen Hintergrund hat der Chef?
Wenn mehrere Personen, insbesondere der künftige Chef, an dem Gespräch teilnehmen, wirkt es dynamischer, wenn jeder etwas beiträgt und einen Teilbereich vorstellt. So kann der Kandidat auch einen Eindruck von den versammelten Persönlichkeiten gewinnen.
Phase 4: Rückfragen (10 Minuten)
Jetzt ist der Bewerber noch einmal dran. Es gehört zum guten Umgang und zu einem echten Dialog, dass nun der Bewerber nachfassen darf und offen gebliebene Fragen klärt. Zumal die Qualität solcher Rückfragen ja auch Ihnen noch einmal einiges über den Besucher verrät.
Die wichtigste Empfehlung lautet: Bitte nicht ausweichen oder lügen! Clevere Rückfragen sollten Sie als Kompliment werten – Sie haben offenbar eine gute Vorauswahl getroffen und einen smarten Bewerber eingeladen, der es ernst meint.
Umgekehrt gibt es natürlich auch dumme Fragen. Auch die sind entlarvend. Allerdings sollten Sie jetzt nicht aus der Rolle fallen, beleidigt oder schnippisch reagieren. Der Trick ist, den Bewerber eher charmant mit seinem Fauxpas zu konfrontieren: „Mich wundert die Frage – offen gestanden – ein wenig: Haben Sie sich den unsere Karriereseite nicht angesehen? Da steht das nämlich schon ausführlich. Natürlich antworte ich Ihnen gerne darauf – oder haben Sie vielleicht noch eine andere, speziellere Frage?“ So geben Sie dem Kandidaten die Chance, sich zu korrigieren. Gleichzeitig weiß er im Falle einer Absage, woran es vielleicht gelegen haben könnte.
Phase 5: Abschluss (5 Minuten)
Das Gespräch ist fast zu Ende – und hoffentlich alles gut gelaufen. Neben dem obligatorischen Dank für den Besuch, das angenehme Gespräch und eine förmliche Verabschiedung, haben Sie allerdings auch hier noch eine Gelegenheit, zu punkten und ein rundes Arbeitgeberimage zu prägen.
Bevor der Kandidat danach fragen muss, können Sie selbst erklären:
- Wie geht es im Bewerbungsprozess jetzt üblicherweise weiter?
- Gibt es noch ein zweites Vorstellungsgespräch?
- Wann kann der Bewerber frühestens mit einer Antwort rechnen?
- Wer bleibt sein Ansprechpartner (Kontaktdaten!)?
Wie kann der Bewerber etwaige Fahrtkosten abrechnen?
Gut vorbereitete Bewerber, die sich mit der Stelle und dem Unternehmen intensiv befasst haben, erwarten das von einem potenziellen Arbeitgeber. Je professioneller und vorbereiteter das Gespräch mithilfe eines solchen Leitfadens geführt wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass auch die abgelehnten Kandidaten positiv über Sie sprechen. Und das ist eben in der Regel die Mehrheit.
Vorstellungsgespräch nachbearbeiten: Zusagen einhalten
Nach dem oder den Vorstellungsgesprächen kommt die eigentliche Auswahl. Dabei verfahren Sie natürlich nach Ihrem bewährten Muster. Empfehlen möchten wir an der Stelle, nicht nur auf die Kriterien zu achten, die Sie für eine Besetzung anlegen, sondern auch auf jene, die Kandidaten offenkundig oder im Subtext des Gesprächs haben durchblicken lassen. So lassen etwa häufige Nachfragen von Bewerbern Schlüsse auf deren Prioritäten und Wünsche zu.
Dazu zählen zum Beispiel Faktoren, wie…
- Die Werte und Erwartungen des Bewerbers.
- Dessen Übereinstimmung mit der Unternehmensphilosophie.
- Arbeitsweise und relevante Gewohnheiten.
- Reaktionen auf Arbeitszeiten, Förderoptionen oder Gehalt.
All das hilft Ihnen dabei, das gewünschte Arbeitgeberimage mit der Realität abzugleichen und Stellen zu erkennen, an denen Sie nachbessern müssen, damit Ihnen die Bewerbungen nicht irgendwann ausgehen oder die Qualität der Kandidaten sinkt. Dies is keinesfalls allein die Frage einer gut formulierten Stellenanzeige!
Gleichzeitig gilt: Alles, was Sie im Bewerbungsgespräch zusagen, sollten Sie unbedingt auch einhalten – Rückmeldefristen, Zugeständnisse bei Arbeitszeiten, Gehalt, … Auch das ist ein letzter Lackmustest, wie verlässlich Sie als Unternehmen, nicht nur als Arbeitgeber sind.
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