Nachtragend: Ich doch nicht…
Nachtragend zu sein bedeutet, einen alten Streit nie wirklich zu den Akten zu legen. Stattdessen wird eine eigentlich längst vergessene Meinungsverschiedenheit immer wieder aufgewärmt, die Anschuldigungen werden einfach von vorne aufgerollt und es ist einfach kein Ende in Sicht. Typische Sätze von nachtragenden Menschen sind beispielsweise Das ist genau wie damals, als du… oder auch Ich wusste doch, dass du dich wieder so verhältst wie das das letzte Mal, als du…
Nachtragende Menschen schaffen es nicht, eine Entschuldigung wirklich anzunehmen und dem Gegenüber zu verzeihen. Selbst wenn sie sagen, dass alles wieder in Ordnung ist und der Streit aus der Welt ist, können sie diesen einfach nicht überwinden. Wer nachtragend ist, zeigt seinen Frust mit zeitlicher Verzögerung. Im ersten Moment ist die Auseinandersetzung vielleicht gar nicht so groß, ein kleiner Streit, aber scheinbar nichts weltbewegendes.
Zu spüren bekommen Sie das wahre Ausmaß erst bei der nächsten Gelegenheit, selbst wenn Sie schon mehrmals um Verzeihung gebeten und sich entschuldigt haben.
Bei anderen hassen wir nachtragendes Verhalten und möchte ihnen jedes Mal sagen, wie unglaublich anstrengend und nervig es ist – was dann wiederum zu einem weiteren endlosen Streit führen würde. Aber wie sieht es bei Ihnen selbst aus? Sind Sie nachtragend? Wir haben einige Punkte aufgelistet, die für einen nachtragenden Charakter sprechen.
- Ich kann anderen nur schwer vergeben.
- Streitigkeiten belasten mich noch sehr lange.
- Ich bin sehr schnell eingeschnappt.
- Ich habe schon öfter gehört, dass ich nachtragend sei.
- Ich kann nur schlecht mit Kritik umgehen.
- Mir fällt es schwer, jemandem eine zweite Chance zu geben.
- Ich kann nicht einfach vergessen, wenn mich jemand beleidigt hat.
- Wer mein Vertrauen einmal missbraucht hat, braucht es danach gar nicht mehr zu versuchen.
- Ich zeige meinen Ärger nicht sofort.
- Wenn ich noch wütend bin, lasse ich es den Schuldigen auf jeden Fall wissen.
Haben Sie bei vielen dieser Aussagen stumm genickt und sich selbst erkannt? Dann sollten Sie versuchen, etwas an Ihrem Verhalten zu ändern, denn nachtragende Menschen sind nicht nur unbeliebt, sie tun sich selbst auch keinen Gefallen.
Warum sind Menschen überhaupt nachtragend?
Nachtragend sein ist meist tief in der Persönlichkeit verankert. Die Ursachen dafür können aber durchaus unterschiedlich sein. Eine Möglichkeit ist etwa ein sehr negatives Menschenbild im Allgemeinen. Ein Misanthrop fühlt sich grundsätzlich betrogen und glaubt, jeder Mensch würde ihm nur etwas Schlechtes wollen. Daraus resultiert die Einstellung, einfach niemandem wirklich zu vergeben, weil sie es auch nicht verdient haben.
Nachtragende Menschen werden in der Psychologie aber auch häufig mit einem geringen Selbstbewusstsein und schwachem Selbstwertgefühl verbunden. Werden die Zweifel an der eigenen Person dann auch noch von außen bestätigt, fällt es unglaublich schwer, darüber hinweg zu kommen und anderen wieder zu vergeben.
Wer nachtragend ist, genießt es aber vielleicht auch. Es vermittelt ein Gefühl von Macht und Genugtuung, wenn andere einem etwas schulden. Hinzu kommt, dass nachtragende Zeitgenossen sich an anderen rächen können. Das Unrecht soll ausgeglichen werden, indem immer wieder zurückgeschlagen und ein schlechtes Gewissen eingeredet wird.
Nachtragende Menschen schaden sich selbst
Das wohl offensichtlichste Problem nachtragender Menschen sind Beziehungen, die in die Brüche gehen. Freunde haben keine Lust, sich ein und denselben Fehler zigmal unter die Nase reiben zu lassen, Kollegen haben nach einiger Zeit keinen Nerv mehr dafür, sich alte Geschichten wieder und wieder anzuhören und auch Partnerschaften können stark darunter leiden, wenn einer der beiden nicht in der Lage ist, einen alten Streit hinter sich zu lassen.
Wenig überraschend, dass nachtragendes Verhalten einsam machen kann. Wer immer nur auf vergangene Fehler blickt, ist ungemein kleinlich, demonstriert offen, dass er gar nicht an einer funktionierenden Beziehung interessiert ist und macht es dem Gegenüber praktisch unmöglich, sein Fehlverhalten wieder gut zu machen. Auf lange Sicht möchte mit so einer Person wohl niemand etwas zu tun haben.
Neben den sozialen Auswirkungen schaden sich nachtragende Menschen aber auch ganz direkt selbst. Wenn Sie Entschuldigungen nicht annehmen können und sich stattdessen über Wochen und Monate Ihrem Groll und dem Ärger hingeben, leidet Ihre Gesundheit. Je länger Sie nachtragend sind, desto größer die Gefahr, dass Ihr Immunsystem schwächer wird und Sie tatsächlich körperlich krank werden.
So werden Sie weniger nachtragend
Die schlechte Nachricht zuerst: Sie werden vermutlich nicht von einem Tag auf den anderen aufhören können, nachtragend zu sein. Dafür ist es viel zu sehr eine schlechte Angewohnheit und Teil Ihrer Persönlichkeit. Die gute Nachricht ist jedoch, dass Sie durchaus etwas dagegen tun und lernen können, Ihr nachtragendes Verhalten in den Griff zu bekommen.
Wir haben einige Tipps, die Ihnen dabei helfen können:
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Verbessern Sie Ihr Selbstvertrauen
Je größer Ihr Selbstvertrauen, desto weniger wird Sie eine Beleidigung oder auch ein abfälliger Kommentar zu Ihrer Idee treffen und belasten. Kritik wird für Sie nur zu einem langfristigen Problem, wenn Sie sich persönlich angegriffen fühlen. Stehen Sie hingegen einfach drüber und lassen sich davon nicht beeinflussen, werden Sie auch nicht mehr nachtragend sein.
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Hören Sie wirklich zu
Nachtragende Menschen neigen dazu, alles persönlich zu nehmen und sich auch von Nichtigkeiten beleidigt zu fühlen. Das geht soweit, dass Ihre Umgebung vorsichtig sein und jedes Wort genau überlegen muss, um Sie nicht aus Versehen zu kränken und sich die nächsten Monate anhören zu müssen, wie unsensibel das doch war.
Es ist ein kleiner Schritt, doch geht er in die richtige Richtung: Hören Sie auf, die Aussagen von Freunden oder Kollege negativ zu deuten und etwas zu interpretieren, was wahrscheinlich gar nicht da ist. Arbeiten Sie stattdessen daran, wirklich zuzuhören, einen Austausch zu ermöglichen und nicht nur auf eine Gelegenheit zu warten, um empört zu sein. -
Wechseln Sie den Blickwinkel
Ist Ihnen bewusst, wie anstrengend Ihr nachtragendes Verhalten für andere ist? Vermutlich nicht, deshalb sollten Sie versuchen, sich einmal in die Lage Ihrer Gesprächspartner zu versetzen. Stellen Sie sich vor, jemand würde Ihnen wieder und wieder uralte Geschichten präsentieren und Sie andauernd mit Fehlern konfrontieren, die bereits Monate her sind.
Niemand möchte pausenlos an die eigenen Fehltritte erinnert werden, schon gar nicht nach gefühlt unzähligen Entschuldigungen und Beteuerungen, dass es in Zukunft nicht mehr vorkommen wird. Sie würde das sicherlich genauso nerven, also überlegen Sie sich, wie Sie Ihrem Umfeld gegenüber auftreten wollen. -
Schauen Sie nach vorn
Wer nachtragend ist, lebt nur in der Vergangenheit. Alles dreht sich nur um Dinge, die sich ohnehin nicht mehr ändern lassen. Lernen Sie nach vorne zu blicken und beurteilen Sie einen Menschen nicht nur nach einer einzigen Situation. Streit und Meinungsverschiedenheiten wird es immer geben, doch sollten Sie in der Lage sein, diese hinter sich zu lassen.
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