Das Robbers Cave Experiment: Der Ablauf
Schon eine Woche nach der Ankunft hatten sich innerhalb beider Gruppen soziale Strukturen und Hierarchien gebildet, die Jungs gaben sich Gruppennamen – „Klapperschlangen“ und „Adler“ –, bastelten sich dazu eigene Flaggen mit ihrem Emblem und pflegten ihre eigenen Rituale: Die Adler etwa badeten gerne nackt, die Klapperschlangen fluchten öfters.
Nun starteten die Wissenschaftler Phase zwei des Experiments: Sie machten die beiden Jungengruppen zu Feinden. Dazu initiierten sie 15 sportliche Wettbewerbe, darunter Tauziehen, Baseball oder eine Schatzsuche. Zudem manipulierten die Forscher die Ergebnisse und stachelten so die Feindseligkeiten zusätzlich an. Es kam, was kommen musste: Der innere Zusammenhalt der Teams wuchs, dafür richteten sich ihre Aggressionen zunehmend gegen die anderen, die sie wahlweise als „Stinker“, „Memmen“ oder „Kommunisten“ verhöhnten.
Wie macht man aus Feinden Freunde?
Das Ausmaß des Streits überraschte selbst die Wissenschaftler: Eines Abends verbrannten die Adler die auf dem Spielfeld zurückgelassene Fahne der Klapperschlangen. Kurz darauf rächten sich die Klapperschlangen, indem sie die Hütte der Adler überfielen, die Vorhänge herunterrissen und die Betten umschmissen. Schließlich eskalierte der Konflikt: Beide Lager bewaffneten sich mit ihren Baseballschlägern, um gegen die anderen in den Krieg zu ziehen…
Es folgte Phase drei und das eigentliche Experiment: Versöhnung. Allerdings wollten die Gruppen inzwischen weder miteinander sprechen, noch gemeinsam Mittagessen. Also stellten die Forscher den beiden Teams Aufgaben, die ein Team allein nicht bewältigen konnte.
Robbers Cave Experiment: Lösung nur zusammen
Als erstes manipulierten die Wissenschaftler die Trinkwasserversorgung des Lagers. Sie erklärten, dass das Zuleitungsrohr offenbar sabotiert worden sei und die Jungen die Leitung deshalb absuchen und reparieren müssten. Es funktionierte: Die Teams arbeiteten zusammen, liehen sich sogar gegenseitig Werkzeug. Beim gemeinsamen Abendessen flammte der alte Konflikt jedoch wieder auf…
Es folgten weitere Aufgaben beim Robbers Cave Experiment:
- Filmabend
Bei einem Filmabend mussten beide Gruppen das Geld für die Filmmiete gemeinsam aufbringen. - Ausflug
Bei einem Ausflug streikte der Bus, den die Jungen nur mit gemeinsamer Kraft wieder anschieben konnten. - Camping
Bei einem Campingausflug brachten die Lagerleiter die Ausrüstung so durcheinander, dass die Zelte nur durch gegenseitiges aushelfen und austauschen aufzustellen waren.
Und tatsächlich: Nach und nach söhnten sich die Jungen aus. Am Abschlussabend saßen sie gemeinsam um das Lagerfeuer und fuhren auf eigenen Wunsch in einem Bus nach Hause zurück.
Robbers Cave Experiment: Feinde der Kulturen
Der Sozialpsychologe Muzafer Sherif, damals Professor für Psychologie an der Universität von Oklahoma, war der Initiator dieses Experiments und lieferte damit zugleich einen Meilenstein für die Frage, ob und wie friedensstiftend gemeinsame Herausforderungen und übergeordnete Ziele auf Gruppen wirken.
Sein Versuch wird bis heute häufig im Zusammenhang der Konflikte in Nordirland oder in Israel zitiert. So erkannte Sherif:
- Jede Gruppe bildet binnen kurzer Zeit ihre eigenen Rituale, Sozialstrukturen, Werte – kurz: ihre eigene Kultur.
- In diesen Unterschieden liegen die Wurzeln der meisten Feindseligkeiten zwischen den Gruppen (oder Ländern). Und die lassen sich am besten durch gemeinsame Ziele überwinden.
Kritik am Robbers Cave Experiment
Was beim Robbers Cave Experiment weniger oft zitiert wird: Dem Experiment gingen zwei Versuche voraus – und diese endeten weniger gut: Im ersten Experiment ließ sich der Streit nur schlichten, weil die beiden Gangs ihre Aggressionen plötzlich gegen einen Feind außerhalb des Lagers richteten. Beim zweiten Versuch richteten sie ihre Wut gegen die Wissenschaftler selbst. Sie erkannten in den Forschern eine dritte, offenbar mächtigere Gruppe, die sie manipulierte. Also rebellierten sie gegen diesen stärkeren Gegner.
Soziologen sind heute der Meinung, dass gerade die ungleiche Machtverteilung zwischen Gruppen solche orchestrierten Wettstreite nicht nur ermöglicht, sondern subtil provoziert.
Vorsicht vor Konkurrenzdenken
Im Job läuft das nicht viel anders: Selbst innerhalb eines Unternehmens gibt es mehrere Teams, die untereinander konkurrieren – manchmal sogar einige Einzelkämpfer, die mit dem eigenen Team wetteifern und in dem Chef einen legitimen Lagerleiter erkennen.
Ein bisschen Wettbewerb ist gesund, fördert Ideen und motiviert. Aber wenn daraus anhaltende Feindseligkeiten erwachsen, kann das einen Betrieb empfindlich stören. Warum gut zureden nichts bringt und Lagerleiter gefährlich leben, die ihre Teams zu sehr manipulieren – auch das lässt sich aus Sherif’s Konfliktmodell lernen.
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