Alkoholiker im Job: Die Fakten, die Folgen
Als geschichtlich tolerierte Kulturdroge ist Alkohol für viele aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Gerade Osteuropäern und Asiaten wird oft nachgesagt, dass sie Aufträge erst nach einem ordentlichen Umtrunk vergeben. Dieser kulturelle Zwang in Kombination mit dem wachsenden Stress in vielen Berufen bedingt ein vermehrtes Trinken, das sich im Laufe der Jahre zum Alkoholismus entwickeln kann. Das Gefährliche dabei: Die Übergänge zwischen einem normalen Trinkverhalten und einer ausgewachsenen Sucht sind fließend.
Ein paar Daten und Fakten zum Alkohol im Job:
- Etwa fünf bis sieben Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland gelten als alkoholabhängig.
- Männer sind etwas häufiger von der Alkoholabhängigkeit betroffen; das Verhältnis gegenüber Frauen liegt ungefähr bei 70 zu 30.
- Alkoholkranke fehlen 16 Mal häufiger als andere Kollegen und verfügen im Durchschnitt über 25 Prozent weniger Arbeitsleistung.
- Alkoholkranke melden sich 2,5 mal öfter krank.
- Alkoholkranke verursachen 3,5 mal mehr Arbeitsunfälle
- 20 Prozent der Angestellten geben an, Mehrarbeit für einen Alkoholiker erledigen zu müssen oder durch diesen gefährlichen Umständen ausgesetzt zu sein.
- Der daraus resultierende volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen auf fast 25 Milliarden Euro – jährlich.
Alkohol: Mit dem Erfolg kommt der Suff
Je größer der Wohlstand, desto mehr Alkohol wird getrunken. So lässt sich das Ergebnis einer Studie von Priscilla Martinez von der Alcohol Research Group in Emeryville, Kalifornien zusammenfassen. Es sei das Bild von Erfolgreichen, die Ihren Sieg mit einer Flasche Champagner oder einem Drink zelebrieren, was uns ständig vor Augen geführt würde – und was Erfolgreiche dann auch stereotyp umsetzten. „Alkohol ist das Parfüm des Erfolgs„, sagt Priscilla Martinez. Und je höher das Einkommen, desto mehr würde gesoffen. Vor allem Männer seien gefährdet, es mit dem Alkohol zu übertreiben.
Alkoholiker im Job: Die Verantwortung der Kollegen
In den seltensten Fällen beginnt ein Alkoholsüchtiger von sich aus den Kampf gegen die Abhängigkeit – daher ist er auf helfende Kollegen angewiesen, die rechtzeitig die Notbremse ziehen.
Frühzeitiges Handeln ist dabei unabdingbar, denn je früher das Stadium der Sucht, desto leichter kann noch etwas dagegen getan werden.
Das Problem dabei: Je sympathischer ein Kollege ist, desto schwieriger ist es, ihn auf seinen Alkoholkonsum anzusprechen. Daher decken Mitarbeiter häufig alkoholkranke Kollegen, bügeln Fehler für sie aus und fangen Arbeitszeitausfälle auf – und machen sich so zu sogenannten Co-Abhängigen: Wer einem Betroffenen die eigentlich logischen Konsequenzen seines Suchtverhaltens vorenthält, der nimmt ihm die besten Argumente zum Umdenken – und verschlimmert die Situation noch weiter.
Kollegen müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Der verantwortliche Vorgesetzte hat oft nicht den notwendigen persönlichen Draht; Betriebsarzt und Personalabteilung dürfen erst nach konkreten Hinweisen handeln.
Daher sollte sich niemand als Petze fühlen, wenn er die Personalabteilung benachrichtigt – schließlich tut man es im Interesse des Alkoholkranken. Und selbst wenn dieser kurz darauf seinen Job verliert, kann das den nötigen Neuanfang bedeuten, der für Suchtkranke oft der einzige Ausweg ist.
Alkoholproblem: Wer lange arbeitet, trinkt mehr
Es heißt zwar: Wer feste arbeitet, soll auch feste feiern. Aber genau darin liegt offenbar ein Risiko. Wie eine finnische Studie von Marianna Virtanen zeigt, haben lange Bürozeiten einen negativen Einfluss auf unsere Gesundheit. Oder anders formuliert: Wer lange Zeit im Büro verbringt, hat ein erhöhtes Risiko zum Trinker zu avanciern.
Konkret steigt das Risiko bereits nach mehr als 40 Wochenstunden im Büro um 11 Prozent deutlich an. Basis diese Metastudie ist eine Auswertung von 61 Einzeluntersuchungen in 14 Ländern, in denen insgesamt rund 330.000 Beschäftigte teilgenommen haben. Wer mehr zwischen 49 und 54 Stunden pro Woche im Büro verbrachte, neigte gegenüber der Kontrollgruppe (maximal 40 Wochenstunden) um 13 Prozent zu vermehrtem Alkoholkonsum.
Dabei definierten die Forscher übermäßigen Alkoholgenuss auf 14 Drinks pro Woche für Frauen beziehungsweise 21 Drinks für Männer.
Ratgeber: Wie man einen Betroffenen anspricht
Vor dem Gang zur Personalabteilung steht jedoch unbedingt das persönliche Gespräch mit dem Betroffenen. Hier sind Einfühlungsvermögen und ein sensibles Vorgehen gefragt. Die folgenden Tipps erklären die Grundlagen, die im Gespräch mit einem Alkoholkranken zu beachten sind.
- Das Gespräch kann begonnen werden, indem man den Kollegen auf das anspricht, was man in der jüngeren Vergangenheit wahrgenommen hat: Warnsignale, unkonzentriertes Arbeiten, offensichtliche Traurigkeit und so weiter.
- Der Angesprochene wird sich immer angegriffen fühlen, daher ist es wichtig, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Man sollte darauf hinweisen, dass einem das Gespräch selbst nicht leicht fällt, man nur aus Sympathie handelt und Schlimmeres verhindern möchte.
- Die meisten ertappten Alkoholkranken werden sich erst einmal distanzieren. Daher sind gute Zeitpunkte für das schwierige Gespräch kurz vor Feierabend oder vor dem Wochenende – so gibt man dem Gegenüber Zeit, sich selbst Gedanken über die Situation zu machen.
- Ein einzelner verantwortungsbewusster Kollege ist ein Anfang. Besonders effektiv ist es aber, wenn mehrere Mitarbeiter den Betroffenen (gleichzeitig oder nacheinander) ansprechen. Das demonstriert zum einen eine verbreitete Wahrnehmung des Problems; auf der anderen Seite aber auch eine hilfsbereite Gemeinschaft, die den Betroffenen unterstützt.
All diese Hinweise sind natürlich kein Königsweg, der einen Alkoholiker sofort leutert und umdenken lässt. Wenn der partout kein Einsehen hat, bleibt nur der Gang zum Chef, Betriebsrat, Personalabteilung. Aber solche Gespräche können ein Anfang sein, um sich dem schwierigen Thema zu stellen und gemeinsam etwas dagegen zu unternehmen.