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Gleich und Gleich oder Gegensätze: Was zieht sich an?

Sie kennen sicher die beiden Bonmots: Gleich und Gleich gesellt sich gern. Beziehungsweise: Gegensätze ziehen sich an. Obwohl beide Binsenweisheiten ihre empirische Entsprechung immer wieder bei der Partnersuche finden, ist der gleichzeitige Widerspruch offenkundig. Was stimmt dann also? Die Frage stellt sich auch bei Beziehungen, die weniger auf gegenseitiger physischer Anziehungskraft beruhen, gleichwohl aber auf ein funktionierendes, harmonisches und langfristig erfolgreiches Zusammenspiel angewiesen sind…



Gleich und Gleich oder Gegensätze: Was zieht sich an?

Gleich und gleich gesellt sich gern: Welche Bedeutung steckt dahinter?

Die Bedeutung des Sprichworts „Gleich und gleich gesellt sich gern“ ist durchaus komplexer als es auf den ersten Blick wirkt.

Im Allgemeinen wird darunter verstanden, dass eine möglichst große Ähnlichkeit dafür sorgt, dass Menschen sich sympathisch sind, attraktiv finden. Nur: Was heißt Ähnlichkeit eigentlich? Ähnlich bezogen auf…

  • das Äußere?
  • die eigenen Überzeugungen und Werte?
  • die Hobbys?
  • den beruflichen Werdegang?
  • die Herkunft?

Und da gehen die Probleme auch schon los. Fünf Studien – zehn Meinungen; jedenfalls könnte dieser Eindruck erweckt werden. Im Rahmen der Studie der Psychologin Beatrice Rammstedt und des Soziologen Jürgen Schupp wurden mehr als 6.000 Paare untersucht.

Ergebnis: Es geht nicht einfach nur um Ähnlichkeit, sondern vor allem um Ähnlichkeit in zentralen Punkten, nämlich: Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit.

Die Psychologie sieht diese Eigenschaften als drei von insgesamt fünf wesentlichen Dimensionen, die die Persönlichkeit eines Menschen ausmachen.

Es sind die Persönlichkeitsmerkmale des bekannten Fünf-Faktoren-Modells, auch Big Five genannt. Andere Eigenschaften, etwa Extraversion, wirken sich nicht gerade positiv aus, wenn sie in gleichem Maß vorhanden sind.

Es liegt auf der Hand, dass gerade bestimmte Werte von enormer Wichtigkeit sind: Nicht umsonst gilt es um des lieben Friedens willen heikle Themen wie religiöse oder politische Überzeugungen bei Smalltalk im beruflichen Kontext auszuklammern.

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Gegensätze ziehen sich an: Bedeutung von Verschiedenheit

Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass Gegensätze durchaus ihren Reiz haben. Das gilt dann nicht unbedingt in religiösen oder politischen Themen, aber womöglich im optischen Bereich. So kommt bei binationalen Partnerschaften der „Exotenbonus“ dazu, das Fremde, das fasziniert.

Allerdings wird genau diese Faszination irgendwann auf die Probe gestellt, wenn die rosarote Brille der Wirklichkeit weichen und die Alltagstauglichkeit unter Beweis gestellt werden muss. Worüber vielleicht im Rausch der Gefühle noch hinweggesehen wurde, kann später zu großem Ärger führen.

Dann nämlich, wenn die gemeinsamen Vorstellungen allzu sehr auseinander gehen. Diese Beobachtung erklären Forscher mitunter so, dass tatsächlich beide Sprüche ihre Gültigkeit haben: Sowohl gleich und gleich gesellt sich gern als auch Gegensätze ziehen sich an – allerdings kommt es auf den Zeitpunkt an:

Demnach sei in jungen Jahren – wenn die Fortpflanzung eine große Rolle spiele – die Gegensätzlichkeit evolutionsbiologisch sehr sinnvoll, um das Erbgut möglichst zu vermischen. In späteren Jahren, wenn die Kinder aber schon aus dem Haus sind oder Nachwuchs zumindest nicht mehr geplant ist, kommt es auf gemeinsame Werte an.

Gleich und gleich gesellt sich gern: Sprüche und Zitate

Wenn schon der Volksmund weiß, dass gleich und gleich sich gern gesellt, dann muss doch etwas dran sein: Direkt das erste Zitat des Schauspielers Richard Burton ist eigentlich nichts anderes als gleich und gleich gesellt sich gern auf Englisch:

Birds of a feather will gather together.

Gegensätze ziehen sich an – Gleichgesinnte ziehen sich aus! (Unbekannt)

Der bekannte Journalist und Sprachkritiker, Wolf Schneider, befand einst:

Der gängigste Trost liegt darin, dass die Wörter es uns gestatten, den Lauf der Welt schwatzend zu begleiten, und auch dazu trägt die sogenannte Spruchweisheit vorzüglich bei: Kann ich heute plappern ‚Gleich und gleich gesellt sich gern‘, so lässt mich doch morgen, in der umgekehrten Situation, die Sprache nicht im Stich: ‚Gegensätze ziehen sich an.‘

Und auch Friedrich Hölderlin hebt hervor, dass nur Gleichheit gar nicht unbedingt wünschenswert ist:

Es ist erfreulich, wenn Gleiches sich zu Gleichem gesellt, aber es ist göttlich, wenn ein großer Mensch die kleineren zu sich aufzieht.

Gleich und gleich gesellt sich gern, wer du bist, zeigt dein Begleiter; aus dem Knecht kennt man den Herrn, aus der Fahne ihre Streiter. Was du billigst, noch so fern, ist nach Tagen oder Wochen dein, als ob du’s selbst gesprochen. Franz Grillparzer

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Gleich und gleich gesellt sich gern: Freundschaft und Arbeit

Was zieht sich an: Gleiches oder Gegensätze? Betroffen von der Frage sind auch Projektteams, Abteilungen oder gar ganze Unternehmen. Schon bei Meetings ist es so: Je homogener die Teilnehmer, desto lieber arbeiten sie miteinander, desto uninspirierter fällt aber in der Regel auch das Ergebnis aus.

Gutes Brainstorming hingegen basiert vor allem auf den unterschiedlichen Denkweisen und den daraus resultierenden Reibereien.

Was ist also besser: gegensätzliche oder besser gleichgesinnte Teams gruppieren?

Ein eindeutiges Richtig oder Falsch gibt es dabei vermutlich nicht, wohl aber Argumente für und wider. Zumal sich feststellen lässt: Nur weil Menschen privat miteinander befreundet sind, muss es auf der Arbeit noch lange nicht harmonisch zugehen.

Und umgekehrt: Auch wenn gemeinsame Arbeitsabläufe gut funktionieren, eignet sich eine Person privat noch längst nicht als Freund oder gar Partner. Grund dafür ist, dass wir an Kollegen andere Anforderungen stellen als an Partner. Natürlich kann es in einigen Bereichen Überschneidungen geben.

Aber während im Arbeitsleben deutlich penibler auf bestimmte Dinge geachtet wird, mag jemand im Privaten durchaus mal Fünfe gerade sein lassen. Das hängt eben auch davon ab, was für ein Arbeitstyp jemand ist.

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Gleich und gleich gesellt sich gern: Psychologie der Ähnlichkeit

Jeder kennt vermutlich Paare, die durch große Unterschiedlichkeit auffallen, seien es solche aus dem eigenen persönlichem Umfeld oder aus der Welt der berühmten Persönlichkeiten. Die reine Existenz dieser Paare scheint zu bestätigen, dass Gegensätze sich anziehen.

Aber heißt das für Ähnlichkeit, dass sie keine Rolle spielt? Mitnichten. Die englischen Forscher Harry Farmer, Ryan McKay und Manos Tsakiris kommen in ihrer Studie (PDF) zu dem Ergebnis, dass Ähnlichkeit vor allem dann wichtig ist, wenn es um Vertrauen geht.

Je ähnlicher jemand eine Person einschätzt, desto größer das Vertrauen und umgekehrt. Die Forscher vermuten, dass dies als Zeichen der Verwandtschaft gewertet wird und das eigene Überleben in solchen Gruppen sichert, in denen die Menschen untereinander auf Hilfe und Zusammenarbeit angewiesen sind.

Andere Studien wie die der Psychologin Adrienne Kaufman mit 10.000 befragten Paaren kommen zu dem Ergebnis: Ähnlichkeit wird völlig überbewertet. Immerhin zwei Drittel der von ihr untersuchten Paare hatten deutlich unterschiedliche Persönlichkeiten. Auch maß für ihre Studie die Eigenschaften anhand des Big-Five-Modells.

Der Einfluss der Persönlichkeit scheint sowieso nicht so groß zu sein, wie lang geglaubt. Die Psychologin Portia Dyrenforth und ihre Kollegen vom Hobart and William Smith Colleges untersuchten in ihrer Studie die Merkmale von 10.000 Paren aus Deutschland, Großbritannien und Australien.

Ihr Fazit: Nicht selten spielen die Umstände eine Rolle. Wer viele Krisen, Krankheiten und andere belastende Situationen zu bewältigen hat, dessen Ehe steht teilweise auf dem Spiel. Zum anderen spielt eine Charaktereigenschaft eine Rolle, die sich jeder aneignen kann: Respekt.

Entscheidend ist, wie mit dem anderen umgegangen wird. Jeder Mensch – ganz gleich, ob Kollege oder Partner – hat seine Schwächen, die wird er auch niemals komplett ablegen. Die bis zu einem gewissen Grad zu akzeptieren und vor allem in brenzlichen Situationen miteinander respektvoll und auf Augenhöhe zu kommunizieren, das ist das Entscheidende.

[Bildnachweis: LightField Studios by Shutterstock.com]

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