Stärke zeigen: Aber wie?
Die „48 Gesetze der Macht“ von Robert Greene sind berechnend und sicher nicht politisch korrekt. Kritiker halten es für „eine Gebrauchsanweisung für Möchtegern-Soziopathen“ oder für eine Anleitung, wie man ein „egoistischer Bastard“ wird. Greene geht in dem Buch der Frage nach, wie Menschen zu mehr Macht und Einfluss kommen, was sie dafür tun, wie sie sich verhalten müssen.
Unter den „48 Gesetzen der Macht“ finden sich prompt einige böse Ratschläge, die tatsächlich hinterlistig, fies und eiskalt sind. Zum Beispiel:
- Lass andere für dich arbeiten, doch streiche die Anerkennung dafür ein.
- Lass andere zu dir kommen – ködere sie, wenn es nötig ist.
- Versetze andere in Angst: Kultiviere die Aura der Unberechenbarkeit.
- Spiele den Deppen, um Deppen zu überlisten: Gib dich dümmer als dein Opfer.
- Befriedige das menschliche Bedürfnis, an etwas zu glauben, und fördere einen Kult um deine Person.
- Meide Unglückliche und Glücklose!
- Stelle nie den Meister in den Schatten!
Starker Tobak. Das alles muss man erstmal sacken lassen. Aber: Unter den rüden Ratschlägen und Machtspielen im Stile eines Machiavelli steckt auch die eine oder andere Strategie, die wir guten Gewissens weiterempfehlen können. Diese Gesetze der Macht stimmen…
48 Gesetze der Macht: Diese 6 stimmen
1. Nie mehr sagen als nötig
Kommunikationsstärke ist eine Schlüsselkompetenz unserer Zeit. Jeder brauche sie. Aber sie bedeutet eben nicht, nur gut plaudern zu können. Schweigen können, ist ein ebenso bewährtes Erfolgsrezept und Machtmittel. Schon Leonardo da Vinci wusste, dass Quasselstrippen nur wenig Ansehen genießen, denn sie riskieren ständig, etwas Dummes, Entlarvendes oder Gefährliches zu sagen.
Ein Beispiel aus der US-Basketball-Liga NBA: Gregg Popovich ist bei TV-Reportern eine Legende, weil er in den Interviews am Spielfeldrand selten mehr als zwei, drei Worte sagt. Der Mann ist seit Jahren der erfolgreichste Coach der Liga und genießt maximales Ansehen.
2. Inszeniere packende Schauspiele
Die VOX-Show „Die Höhle der Löwen“ macht es vor: Dort stellen Gründer der Jury (den „Löwen“) ihre Geschäftsideen vor und hoffen auf eine finanzielle Beteiligung. Treten sie dabei als kühl-analytischer Kaufmann auf, fallen sie fast immer durch. Wer hingegen als „entertaining“ Storyteller auftritt, steigert seine Chancen schlagartig. Ein buntes Feuerwerk zum Elevator Pitch bringt mehr als jahrelange Fleiß- und Kleinarbeit.
Dasselbe gilt beim Vorstellungsgespräch oder hinterher im Job: Gute Ergebnisse oder passende Kompetenzen nutzen einem wenig, wenn man die „PS“ nicht auch auf die Straße bringt. Warum sonst kommen so viele Blender und Lautsprecher im Job nach oben, obwohl ihnen die Substanz fehlt? Ohne Selbstmarketing – keine Chance. Dazu passt auch Macht-Gesetz Nr. 6 von Greene: „Mache um jeden Preis auf dich aufmerksam!“
3. Tritt nicht in die Fußstapfen anderer
Zu Lebzeiten von Steve Jobs galt Tim Cook als so etwas wie das Genie hinter dem Genie, als genialer Sidekick des Meisters. Nach Jobs Ableben drohte Cook, sich bei Apple in der Nachfolger-Falle zu verlieren. Die WirtschaftsWoche titelte gar: „Tim Cook serviert Hausmannskost statt Magie.“
Nachfolger steigen nicht auf. Das ist ein ehernes Gesetz der Macht: Nachfolger sehen stets wie ein Zauberlehrling aus. Wer Macht und Stärke zeigen will, muss sich aus dem Schatten des Vorgängers lösen und sein eigenes Ding machen. Diese Faustregel können wir unterstreichen: Kopien genießen nie dieselbe Verehrung wie Originale.
4. Sei nie zu perfekt
Auch das stimmt: Kleine Schwächen, Fehler und Makel machen sympathisch. Perfektion dagegen führt zur Verachtung. Nur Götter können sich ungestraft einen Perfektionismus leisten. Wir Normalsterbliche dagegen mögen Menschen umso lieber, die so sind wie wir: unperfekt.
Natürlich gibt es Situationen und Jobs, in denen erwarten wir zurecht Perfektion: Ein Herzchirurg darf sich keine Fehler leisten, bei einem Piloten oder Flugzeug-Ingenieur kann das in einer Katastrophe enden. Aber auch die sollten an andere Stelle – zum Beispiel im Privaten – kleinere Makel zugeben. Tatsächlich macht sie das sofort menschlicher, sympathischer sowieso. Stärke zeigen, indem man Schwächen zugibt – das funktioniert immer.
5. Glänze durch Abwesenheit
„Willst du gelten, mach dich selten!“ – so lautet ein wahres Sprichwort. Wahre Macht macht sich rar. Wer immer da ist, ist bald weg. Ständige Präsenz ist ein Karrierekiller. Wir erhöhen den Respekt und die Begehrlichkeit der Menschen unmittelbar, wenn wir nicht sofort zu haben sind.
Nicht wenige Prominente, Speaker oder Autoren haben nur deshalb eine Assistentin oder einen Assistenten, um sie abzuschirmen. Wer etwas von ihnen will, muss erstmal an dem bissigen Wachhund vorbei. Das weckt Interesse und erhöht unmittelbar den Marktwert und die Preise für Honorare.
6. Meistere die Kunst des Timings
Man kann vieles richtig machen – und trotzdem scheitern: Wenn das Timing nicht stimmt, kann plötzlich alles schief laufen. Beispiel: Der Termin beim Chef steht seit drei Wochen, die Gehaltsverhandlung ist perfekt vorbereitet. Trotzdem würgt der Chef die Debatte ab, er habe gerade selbst eine Budgetkürzung erfahren. Alle müssen sparen. Mehr Geld ist nicht drin schon aus Fairness-Gründen…
Timing ist alles. Zur rechten Zeit am rechten Ort sein, die Zeichen der Zeit erkennen, die Gunst der Stunde nutzen, den rechten Augenblick abpassen, wissen, was die Stunde geschlagen hat, … – wer im Leben, in der Liebe und im Job den Erfolg will, muss das Gesetz der Macht beherrschen und den richtigen Moment finden. Bedeutet: Stärke zeigen Sie eben auch darin, dass Sie abwarten können, Geduld haben – und wie es Robert Greene sagen würde: auf Ihre Chance „lauern“…
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