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30-Stunden-Woche: Weniger arbeiten bei vollem Gehalt?

Auf den ersten Blick: reizvoll. Eine 30-Stunden-Woche beziehungsweise ein 6-Stunden-Arbeitstag soll unsere bisherigen Arbeitszeiten von 8 Stunden täglich reduzieren und ersetzen… Aber wie soll das funktionieren, wenn jeden Tag knapp zwei Stunden weniger gearbeitet wird? Die Arbeit bleibt dieselbe! Immerhin: Es gibt erste Testläufe mit überraschenden Ergebnissen. Wir diskutieren das Pro und Contra zur 30-Stunden-Woche und klären die wichtigsten Fragen…



30-Stunden-Woche: Weniger arbeiten bei vollem Gehalt?

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30-Stunden-Woche: Weniger aber produktiver arbeiten

Als die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin ins Amt kam, machte eine Meldung die Runde: Finnland habe vor, eine 4-Tage-Arbeitswoche mit einem 6-Stunden-Tag einzuführen. Die Meldung war zwar zwar eine Ente, aber die Idee war im Raum und die Leute begeistert. Mehr noch: Eine OECD-Studie kam schon vor einigen Jahren zu dem Ergebnis, dass ab einer Wochenarbeitszeit von 50 Stunden die Produktivität von Mitarbeitern rapide sinkt.

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Auch die Universität von Melbourne kam 2016 zu dem Ergebnis, dass die Aufnahme- und Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern ab 25 Stunden pro Woche deutlich sinkt. Eine höhere Produktivität bei geringerer Arbeitszeit – so abwegig ist das vielleicht nicht.

Erste Modellversuche in Schweden und Österreich

In Schweden werden seit Jahren neue Arbeitszeitmodelle getestet. 1989 wurde zum Beispiel im Svartedalens-Altenheim in Kiruna der Arbeitstag auf 6 Stunden verkürzt – bei gleichbleibendem Lohn. Unternehmen wie Toyota oder App-Entwickler wie Filimundus oder Brath sowie öffentliche Einrichtungen zogen nach und starteten ähnliche Modellversuche. Das Ergebnis war jedes Mal eindeutig: Produktivität und Qualität der Arbeit stiegen, der Krankenstand sank.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen die österreichischen Unternehmen Bike Citizens und eMagnetix, die ihre Arbeitszeit bei vollem Gehalt schrittweise um ein Viertel reduzierten: Die Angestellten waren zufriedener – der Output blieb gleich.

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Die 30-Stunden-Woche in der Praxis

Arbeitszeit verkürzen und dennoch wirtschaftlich bleiben? Die Bielefelder IT-Agentur von Lasse Rheingans lässt zum Beispiel die 17 Mitarbeiter täglich nur zwischen 8 und 13 Uhr arbeiten. Dabei sind sie voll konzentriert – weder Pausen, noch private Unterhaltungen oder das Beantworten von privaten Mails sind erlaubt. Wer dennoch mit Kollegen privat plaudern will, kann das nach Feierabend tun. So lässt sich die Arbeit, für die früher 8 Stunden nötig waren in nur 5 Stunden erledigen. Den Grund dafür sieht der Chef aber nicht nur in weniger Ablenkung, sondern auch in der Aussicht auf einen frühen Feierabend bei vollem Gehalt.

Ein weiteres Beispiel liefert Microsoft. Der Software-Gigant hat seine Mitarbeiter in Japan testweise einen Monat lang 4 statt 5 Tage pro Woche arbeiten lassen – ebenfalls bei vollem Gehalt. Ergebnis: Nicht nur die Produktivität stieg – auch die Betriebsausgaben sanken, da weniger Strom verbraucht wurde. Die US-Firma Tower Paddle Boards machte mit 5-Stunden-Tagen sogar 40 Prozent mehr Umsatz. Die Steigerung gelang allerdings nur, weil auch der Leistungsdruck auf die Mitarbeiter massiv erhöht wurde. Gleichwohl zeigen alle Beispiele: Eine 30-Stunden-Woche ist grundsätzlich möglich.

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Vor- und Nachteile der 30-Stunden-Woche

Keine Frage: Eine 30-Stunden-Woche hat Vor- und Nachteile, die es gegeneinander abzuwiegen gilt. Hier eine Liste der stärksten Pro- und Kontra-Argumente:

Vorteile der 30-Stunden-Woche

  • Arbeitsqualität

    Alle Tests zeigten: Bei einem 6-Stunden-Arbeitstag arbeiten Mitarbeiter produktiver, konzentrierter und sind weniger abgelenkt. Die Fehlerquote sinkt und sie nutzten weniger häufig Social Media zur Ablenkung. Das spart Zeit und Energie – sogar buchstäblich. Bestätigt wird das unter anderem durch Studien um Professor Morten Hansen von der Universität Berkeley. Danach arbeiten Arbeitnehmer zwar weniger, „dafür konzentrierter und selektiver.“

  • Gesundheit

    Ein 6-Stunden-Tag beziehungsweise eine 30 Stunden Woche reduziert das Risiko für einen Burnout wie Boreout. Kurz: Die Mitarbeiter sind seltener krank. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) kommt zu dem Schluss, dass der Mensch psychisch wie physisch gesund bleibt, „wenn er mit seinem Leben und der Arbeit zufrieden“ ist.

  • Familienfreundlichkeit

    Eine 30-Stunden-Woche ermöglicht zudem Eltern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Wissen der Firma geht nicht verloren, weil die Angestellten nicht kündigen oder länger in Elternzeit verabschieden, sondern ihren Beruf weiterhin ausüben können. Vielen Frauen werden so überdies Jobperspektiven außerhalb von Teilzeit gegeben.

  • Employer Branding

    Wer als Arbeitgeber seinen Mitarbeitern eine 30-Stunden-Woche bei vollem Gehalt anbieten kann, ist attraktiv für Bewerber und Top-Talente und kann sich die besten Fachkräfte aussuchen. Das oben genannte Beispiel von eMagnetix zeigt, dass sowohl Quantität als auch Qualität des Bewerberpools zunahmen, als das Unternehmen auf eine 30-Stunden-Woche umstellte.

Nachteile einer 30-Stunden-Woche

  • Kosten

    Ist ein kürzerer Arbeitstag wirklich 1:1 vergleichbar mit einem 8-Stunden-Tag? In zahlreichen Jobs ist es zudem wichtig, dass die Position volle 8 Stunden besetzt ist. Insbesondere im Kundenservice oder bei der Betreuung von Menschen (zum Beispiel im sozialen Sektor). In dem Fall kostet eine 30-Stunden-Woche den Arbeitgeber noch mehr, weil er weitere Arbeitskräfte für einen Schichtbetrieb einstellen muss.

  • Druck

    Unter günstigen Umständen ist ein gleicher oder sogar höherer Umsatz mit einer 30-Stunden-Woche möglich. Allerdings müssen die Mitarbeiter dann auch in weniger Zeit mehr leisten. Folge: Arbeitsverdichtung, Druck und Stressfaktor nehmen zu. Das wiederum kann auch negativ auf die Mitarbeitergesundheit wirken.

  • Zusammenhalt

    Eine positive Atmosphäre unter Kollegen wirkt ebenfalls und nachweislich positiv auf die Produktivität und Motivation von Mitarbeitern. Gemeinsame Ruhepausen oder Besprechungen sind daher ebenfalls nützlich für Leistung und Betriebsklima. Sie fehlen aber bei einer 30 Stunden Woche.

  • Branche

    In vielen Branchen gehören feste Arbeitszeiten schon zur Vergangenheit. Homeoffice und Arbeitszeitkonten vergrößern die Eigenverantwortung schon heute. Macht das 30-Stunden-Modell hier also wirklich einen so großen Unterschied?

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Alternativen zu einer 30-Stunden-Woche

Neben den Vorteilen und Nachteilen einer 30-Stunden-Woche gibt es durchaus auch Alternativen zu dem Modell. Etwa den dritten Weg: Teilzeit-Kräfte mit maximal 75-Prozent-Verträgen ein. Zwar müssen die Mitarbeiter dann Einbußen beim Gehalt in Kauf nehmen, erhalten aber im Gegenzug mehr Freizeit und fühlen sich ausgeglichener und dem Betrieb mehr verbunden. Auch hierfür gibt es Beispiele:

  • Das IT-Unternehmen Inovex aus Pforzheim erlaubt Angestellten, ihre Wochenarbeitszeit individuell zu vereinbaren. Dabei wird auf eine Kernarbeitszeit verzichtet. Jedem Mitarbeiter steht es frei, dann zu arbeiten, wann er am produktivsten ist.
  • Das Unternehmen Tandemploy aus Berlin unterteilt die anfallende Arbeit nicht mehr in feste Stellen, sondern in zu erledigende Aufgaben. Auf diese Weise können viele Stellen aufgeteilt werden. Zwei oder mehr Kollegen teilen sich so einen Verantwortungsbereich im Jobsharing.
  • Die Deutsche Telekom, IBM und Bosch besetzen Führungspositionen teils durch mehrere Teilzeitstellen. Dieses sogenannte Topsharing hat den Vorteil, dass unterschiedliche Stärken der Führungskräfte größere Synergieeffekte und einen höheren kreativen Output mit sich bringen.

Häufige Fragen zur 30-Stunden-Woche

In Zusammenhang mit der 30-Stunden-Woche erhalten wir immer wieder Fragen. Wir haben die wichtigsten davon hier für Sie zusammengefasst und beantwortet:

Gilt die 30-Stunden-Woche für Teilzeit- oder Vollzeit-Job?

Schon heute gibt es viele Teilzeitjobs, bei denen die Mitarbeiter 75 Prozent arbeiten und so auf rund 30 Stunden pro Woche kommen. Diese Jobs werden aber auch wie Teilzeitjobs entlohnt und nicht wie eine Vollzeitstelle. Der Grundgedanke hinter der 30-Stunden-Woche ist aber, das volle Gehalt zu bekommen.

Wie wird die 30-Stunden-Woche sinnvoll aufgeteilt?

Das hängt vom Arbeitgeber und der Branche ab. Ist eine tägliche Anwesenheit nötig, wird es eher auf einen 6-Stunden-Tag hinauslaufen, andernfalls auf eine 4-Tage-Woche. Die bisherigen Studien haben aber gezeigt, dass kürzere Arbeitstage arbeitspsychologisch sinnvoller sind.

Wie wirkt sich eine 30-Stunden-Woche auf die Rente aus?

Für die Rentenversicherung spielt die Anzahl der Stunden in einer Vollzeit-Beschäftigung keine Rolle. Wenn der Arbeitgeber die Arbeitstage auf eine 30-Stunden-Woche umstellt und das gleiche Gehalt bezahlt, hat dies auf die Rente keine Auswirkungen.

Wieviel Urlaub steht mir bei der 30-Stunden-Woche zu?

Auch das hängt davon ab, wieviele Wochentage Sie an Ihrem Arbeitsplatz verbringen. Bei einer 5-Tage-Woche erhalten Mitarbeiter den vollen gesetzlichen Urlaubsanspruch. Bei einer 4-Tage-Woche entsprechend nur vier Fünftel davon.

Wo finde ich Jobs, in denen eine 30-Stunden-Woche angeboten wird?

Arbeitgeber, die ihren Angestellten schon heute eine 30-Stunden-Woche ermöglichen, sind noch selten. Die Deutsche Bahn hat zum Beispiel einige Mitarbeiter wählen lassen, ob sie lieber mehr Gehalt oder mehr Freizeit haben wollen. Fast alle entschieden sich für mehr Freizeit. Dies lässt sich schon als Signal hin zu einer 30-Stunden-Woche werten. Ansonsten sind insbesondere Start-Ups offen für neue Arbeitszeitmodelle.

Darf ich bei einer 30-Stunden-Woche gar keine Pause mehr machen?

Das hängt vom jeweiligen Arbeitgeber ab. Arbeitsrechtlich müssen Sie an einem 6-Stunden-Tag keine Pause einlegen. Es ist aber möglich, eine Pausenregelung mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. Die Anwesenheit am Arbeitsplatz verlängert sich dann aber entsprechend.

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[Bildnachweis: Karrierebibel.de]

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