Ungewissheit akzeptieren: Warum fällt uns das so schwer?
Niemand kennt die Zukunft. Sie ist eben das: ungewiss. Eine richtige Entscheidung heut, kann sich im Laufe der Jahre als falsch herausstellen und umgekehrt. Der gewählte Beruf oder Arbeitgeber kann langfristig glücklich und zufrieden machen, eine Beziehung kann die nächsten Jahre und Jahrzehnte überdauern. Es kann aber auch anders kommen. Eine Garantie darauf gibt einem niemand.
Ungewissheiten vermeiden zu wollen, ist also so zielführend wie zwei Tage Kreisverkehr.
Im Grunde wissen wir das alle auch. Trotzdem fällt es vielen Menschen schwer, sich mit der Ungewissheit zu arrangieren, diese anzunehmen und zu akzeptieren. Aber warum?
Wir alle lieben Tatsachen. Harte, unumstößliche Fakten, auf die wir jederzeit zählen und uns verlassen können. Sie machen das Leben leichter, planbarer, vorhersehbarer. Frei von unliebsamen Überraschungen. Es gibt ein Netz mit doppeltem Boden. Zumindest theoretisch.
Gewohnheiten, Routinen und bewährte Sachverhalte geben uns etwas, woran wir uns festhalten können. Sie wirken wie Richtlinien, die uns den Weg weisen können. Wir bekommen das Gefühl der Kontrolle über die eigene Lebenslage und Situation.
Das ist zwar einerseits eine pure Illusion. Doch schon diese Einbildung reicht aus, um im Menschen das tief verankerte Bedürfnis nach Sicherheit zu befriedigen. Ein Hauch von Kuscheldecke umweht uns. Wir wollen uns wohl in unserer Haut fühlen, selbstbestimmt handeln, die Verantwortung für unser Handeln und die damit verbundenen Konsequenzen tragen können – solange wir diese kennen und kontrollieren können.
Ungewissheit steht diesen Wünschen nur im Weg. Plötzlich soll man sich damit abfinden, die Dinge nicht beeinflussen zu können und die Kontrolle abgeben zu müssen. Besonders für Menschen mit einem ausgeprägten Kontrollbedürfnis und hoher Versagensangst ist das kaum möglich.
Das Schlimme daran: Weil Sie Ungewissheit hassen, geben sie sich mit permanenter Unzufriedenheit zufrieden. Lieber den miesen Status quo akzeptieren, als Neues wagen.
Zugegeben, als Ratgeberseite profitieren wir zum Teil von Ungewissheiten. Wir geben Ratsuchenden und Verunsicherten gleichermaßen Orientierung, Leitplanken, Tipps. Ein Stück Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit in einer Welt mit schier unzähligen Variablen und Optionen.
Deshalb ist uns aber auch wichtig zu vermitteln: Man kann mit der Ungewissheit gut leben. Wer die Ungewissheit als Teil des Lebens akzeptiert, kann lernen, mit ihr umzugehen – und sogar zum eigenen Vorteil zu nutzen.
Mehr noch: Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Freiheit gibt es nicht ohne Ungewissheit. Von Benjamin Franklin stammt das wahre Bonmot:
Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.
Ungewissheit aushalten: Ich kann das nicht!
Angst essen Seele auf. Das ist nicht nur der Titel eines filmischen Melodrams von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1974. Er beschreibt ebenso eines der ernsthaften Probleme, die das eigene Handeln und Denken beeinflussen und von chronischer Ungewissheit ausgelöst werden:
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Ungewissheit führt zu Angst.
Ungewissheit kann im schlimmsten Fall bis zur totalen Entscheidungs- und Handlungsunfähigkeit führen. Man konzentriert sich nur noch auf das, was man nicht weiß und kommt am Ende keinen einzigen Schritt weiter. Hat die Angst erst einmal die Kontrolle übernommen, ist es schwer, diese zurückzuerlangen.
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Ungewissheit verschlechtert Entscheidungen.
Ungewissheit ist Teil jedes Entscheidungsprozesses, egal wie gut Sie sich vorher informiert haben. Entwickeln Sie hingegen die Einstellung, dass Ihre Entscheidung letztlich keinen Unterschied macht, laufen Sie Gefahr, sich im Zweifelsfall immer für die schlechtere Alternative zu entscheiden.
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Ungewissheit führt zu Selbstzweifeln.
Die Erkenntnis, dass man nicht alles kontrollieren kann, führt bei einigen Menschen zu ernsthaften Selbstzweifeln. Plötzlich fehlt auch in anderen Bereichen das Selbstvertrauen und man redet sich selbst klein.
Am Ende führt die Ungewissheit dazu, dass wir mit uns und unserer Situation unzufrieden sind, aber zu viel Angst haben, etwas daran zu ändern. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist es notwendig, etwas daran zu ändern.
Ungewissheit aushalten: Lernen mit ihr umzugehen
Können Sie die Ungewissheit akzeptieren und trotz gelegentlicher Zweifel sagen: Ach, was soll’s. Ich wage es trotzdem…? Dann gehören Sie zu den Glücklichen, die den richtigen Umgang mit Unsicherheiten und Zukunftsängsten gelernt haben.
Leider geht es bei weitem nicht allen so. Ein großer Teil der Menschen tut sich weiterhin schwer damit, loszulassen. Sie versuchen immer noch möglichst viel in ihrem Leben zu kontrollieren.
Dabei ist genau das ein wichtiger Schlüssel, besser mit Ungewissheiten umzugehen: Loslassen lernen. Und wer loslassen lernen will, braucht vor allem zwei Dinge:
Beides lässt sich lernen – und führt mit der Zeit merklich zu höherem Selbstvertrauen. Drei Schritte sind dabei wesentlich:
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Akzeptieren Sie das Risiko.
Der richtige Umgang mit Ungewissheit beginnt bereits bei Ihrer Einstellung. Wenn Sie merken, dass Sie sich von der Unsicherheit blockieren lassen, machen Sie sich bewusst, dass immer ein Restrisiko bleibt. Zweifel sollten Sie nicht davon abhalten, selbstbewusst zu handeln und zu entscheiden, sondern lediglich dazu anregen, sich bereits im Vorfeld Gedanken über einen möglichen Plan B zu machen.
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Verlassen Sie Ihre Komfortzone.
In der eigenen Komfortzone fühlt man sich gut aufgehoben, sicher und geborgen. Allerdings werden Sie dort nie den richtigen Umgang mit Ungewissheit erlernen, schlichtweg weil Sie nicht direkt damit konfrontiert werden. Erst wenn Sie sich aus der Komfortzone heraus wagen, werden Sie feststellen, dass die gefürchtete Ungewissheit gar nicht so angsteinflößend ist, wie Sie immer befürchtet haben.
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Denken Sie nicht zu viel nach.
Ungewissheit lässt sich auch in den Griff bekommen, wenn Sie sich einfach mitten hinein stürzen. Das mag zwar eine Schocktherapie sein, doch die Wirkung tritt dabei meist sehr schnell ein. Anstatt sich in allen Möglichkeiten zu verrennen, die möglichen Pros und Contras ewig lang gegeneinander abzuwägen, wagen Sie einfach mal den Sprung ins kalte Wasser, entscheiden aus dem Bauch heraus und handeln spontan.
PS: Es gibt hierzu übrigens keine Alternative. Wer nicht lernen will, mit Ungewissheit umzugehen, der lernt es eben auf die harte Tour.
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