Vorruhestand: Wann er sich für wen lohnt

Für die einen ist der Vorruhestand die Chance, langersehnten Aktivitäten und der Verwirklichung von Träumen nachzugehen. Für andere dagegen steht der Begriff für Personalabbau, Abstellgleis und dem Ende der Karriere. Beide Interpretationen können zutreffen. Schon diese Ambivalenz zeigt, dass der Vorruhestand nicht nur ein finanzielles, sondern ein ganz persönliches Thema ist. Denn trotz spürbarer Renteneinschnitte kann er sich lohnen – wenn Sie entsprechend vorsorgen und den vorgezogenen Renteneintritt gestalten…

Vorruhestand Wie Vorruhestandsregelung Abzuege

Was bedeutet Vorruhestand?

Der Vorruhestand bezeichnet den vorzeitigen Renteneintritt noch vor Erreichen der regulären Altersgrenze. Diese hat sich im Laufe der Jahre durch demographische Veränderungen verschoben. Galt für die Kriegsgeneration und die Babyboomer (zumindest teilweise) noch ein Renteneintritt bis zum 65. Lebensjahr, müssen nachfolgende Generationen immer länger arbeiten.

Das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz bestimmt eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters von momentan 65 Jahren auf 67 Jahren im Jahre 2029. Gerade für ältere Arbeitnehmer, die Jahrzehnte körperlicher Arbeit hinter sich haben, scheint ein Vorruhestand verlockend, also ein früheres Ausscheiden aus dem Arbeitsleben. Das ist allerdings nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Anderenfalls müssen Sie finanzielle Einbußen hinnehmen.

Vorruhestand bei Stellenabbau

Vorruhestand kann außerdem bedeuten, dass ein Unternehmen den Arbeitsvertrag zu einem Mitarbeiter mithilfe einer Vorruhestandsregelung auflöst. Auch in diesem Fall hat der Arbeitnehmer die reguläre Altersgrenze noch nicht erreicht. Finanziell ist er aber durch eine Zahlung des Arbeitgebers abgesichert. Für Unternehmen ist der Vorruhestand eine Möglichkeit zum Personalabbau.


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Wie kann ich in den Vorruhestand gehen?

Ein Vorruhestand ohne Abschläge ist bei bestimmten Arbeitnehmergruppen möglich. Dazu gehören folgende:

  • Besonders langjährig Versicherte
    Dafür müssen Arbeitnehmer 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt und seit dem 18. Lebensjahr durchgehend erwerbstätig gewesen sein. Das betraf zuletzt Versicherte, die vor 1953 geboren wurden und mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen konnten – mittlerweile ist das Zugangsalter für die abschlagsfreie Rente gestiegen.
  • Erwerbsgeminderte
    Liegt bei dem Arbeitnehmer eine Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit oder Schwerbehinderung (zu mindestens 50 Prozent bei 35 Jahren Mindestversicherungszeit) vor, ist ebenfalls ein Vorruhestand möglich.
  • Bestimmte Berufsgruppen
    Bestimmten Berufen wie Pilot oder körperlich anstrengenden Berufen, beispielsweise im Berg- und Straßenbau, gewährt der Staat einen früheren Renteneintritt ohne Abzüge.
  • Frauen ab dem 60. Lebensjahr
    Eine vorgezogene Altersrente ist für diejenigen möglich, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind.
  • Arbeitslose
    Arbeitslose Versicherte können ab dem 63. Lebensjahr in den Vorruhestand, sofern sie vor 1952 geboren sind.

Vorruhestand nur mit Rentenabschlägen

Gehen Versicherte vor Erreichen des gesetzlichen Rentenalters (je nach Geburtsjahr mit 65 oder 67 Jahren) in den Ruhestand, müssen Sie Rentenabschläge in Kauf nehmen. Diese liegen bei 0,3 Prozent pro Monat, was sich in einem Jahr auf 3,6 Prozent summiert. Aber nicht nur das: Selbst langjährig und besonders langjährig Versicherte erhalten eine geringere Rente, wenn sie sich für den Vorruhestand entscheiden. Denn sie zahlen kürzer ein und haben eine geringere Anzahl an Entgeltpunkten.

Für den einen oder anderen potenziellen Vorruheständler fällt die Option daher vielleicht aus rein finanziellen Gründen aus. Anders, wenn eine Vorruhestandsregelung existiert, Sie über eine zusätzliche private Vorsorge oder entsprechende Rücklagen verfügen. Dann können Sie solche Ausfälle abpuffern. In jedem Fall müssen Sie beim Vorruhestand Einbußen einkalkulieren. Ob Ihnen das die anderen Vorteile des Vorruhestands wert sind, müssen Sie entscheiden.

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Was ist eine Vorruhestandsregelung?

Ein Vorruhestand ist auch auf Wunsch des Arbeitgebers möglich: In dem Fall versucht das Unternehmen notwendige Entlassungen zu vermeiden, in dem er mit älteren Arbeitnehmern den Arbeitsvertrag auflöst. Um den Übergang vom Arbeitsverhältnis in die Rente zu gestalten, bedarf es bestimmter Vorruhestandsregelungen.

Diese finden sich im Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag. Sie klären bestimmte Fragen rund um das Vorruhestandsgeld und der Abfindung. Vorruhestandsgeld zahlt der Arbeitgeber als monatliche Lohnersatzleistung bis der Arbeitnehmer das reguläre Renteneintrittsalter erreicht. Wie beim normalen Gehalt müssen Arbeitnehmer davon Lohnsteuern zahlen.

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Alternativen zum Vorruhestand

Ist der Vorruhestand aus finanziellen oder persönlichen Gründen nicht sinnvoll, gibt es Alternativen, wie Sie früher in Rente gehen können.

Altersteilzeit

Eine realistische Alternative kann die Altersteilzeit sein. Denkbar ist sie für Arbeitnehmer zwischen dem 55. und 64. Lebensjahr. Das Altersteilzeitgesetz (ATG) erlaubt eine Halbierung der Arbeitszeit, wenn bis zum Renteneintrittsalter noch mindestens drei Jahre liegen. Umsetzbar ist die Altersteilzeit in zwei Varianten:

  • Blockmodell

    Die meisten Arbeitnehmer bevorzugen diese Form. Beim Blockmodell arbeitet der Arbeitnehmer in der ersten Hälfte seiner Altersteilzeit regulär wie bisher weiter. Im Gegenzug hat er dafür die zweite Hälfte der Altersteilzeit komplett frei. Wer zum Beispiel bei der Altersteilzeit einen Zeitraum von acht Jahren vereinbart, arbeitet also nur die ersten vier Jahre.

  • Teilzeitmodell

    Bei dieser Variante reduziert der Arbeitnehmer schrittweise seine Arbeitszeit. Er arbeitet bis zum Renteneintritt nur noch die Hälfte seiner bisherigen Arbeitszeit. Mit dem Arbeitgeber klärt er die genaue Verteilung der Arbeitszeit. Denkbar sind halbe Tage ebenso wie Arbeitszeit und Freizeit im Wechsel an bestimmten Wochentagen.

Unabhängig vom Modell erhält der Arbeitnehmer während des gesamten Zeitraums sein halbes Gehalt zuzüglich einer zwanzigprozentigen Aufstockung durch den Arbeitgeber. Diese ist sozialversicherungs- und steuerfrei, wird bei der Steuererklärung allerdings angerechnet. Um mögliche Nachzahlungen ans Finanzamt im Vorfeld einplanen zu können, sollten Sie sich dort genauer erkundigen. Darüber hinaus wird bei der Altersteilzeit der Rentenversicherungsbeitrag weiter gezahlt.

Was ist der Unterschied zwischen Vorruhestand und Altersteilzeit?

Ob Altersteilzeit die bessere Option ist, müssen Versicherte für sich im Einzelfall entscheiden. Größter Unterschied zum Vorruhestand: Im Gegensatz dazu erbringen Arbeitnehmer während der Altersteilzeit immer noch eine Arbeitsleistung. Einen Anspruch auf Altersteilzeit gibt es nicht. Außerdem hängt die Gestaltung vom Arbeitgeber ab und welche Modelle sich im Unternehmen umsetzen lassen.

Lebensarbeitszeitkonto

Ein Lebensarbeitszeitkonto – auch Zeitwertkonto genannt – ist ein Arbeitszeitkonto, auf das der Arbeitnehmer Gehalt oder Arbeitszeit einzahlt. Das ermöglicht später eine bezahlte Freistellung. Folgende Bestandteile können Sie auf ein Lebensarbeitszeitkonto eingezahlen:

Das Flexirentengesetz ermöglicht flexiblere Arbeitszeiten und schafft Grundlagen für eine bezahlte Freistellung. Diese ermöglichen einen Vorruhestand, indem sich der Arbeitnehmer aus dem Lebensarbeitszeitkonto sein Guthaben als Gehalt auszahlen lässt anstatt dafür arbeiten zu gehen. Mit der Auszahlungsphase fallen allerdings Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an, die der Arbeitnehmer während der Ansparphase gespart hat. Gut zu wissen: Im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers sind die Einlagen gesichert. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, für das Lebensarbeitszeitkonto eine Absicherung in Form einer Insolvenzversicherung, einer Bankbürgschaft oder eines Treuhandmodell einzurichten.

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Tipps, wie Sie den Vorruhestand gestalten

Bei der Entscheidung für oder gegen den Vorruhestand sehen viele vorrangig den finanziellen Aspekt. Dieser ist zwar wichtig, jedoch nicht der einzige Faktor. Zahlreiche Studien zeigen, dass Vorruheständler teilweise unglücklicher sind als Arbeitnehmer. Auch die Krankheitsraten steigen bei vielen direkt nach dem Übergang in den Ruhestand an.

Der Grund liegt oft in Planlosigkeit und fehlenden Zielen. Der willkommene Müßiggang der Anfangsphase weicht zunehmend der Langeweile. Um das zu vermeiden, sollten Sie den Vorruhestand gestalten:

  • Sortieren Sie Ihre Finanzen (vor allem auf unnötige Abonnements achten).
  • Beschäftigen Sie sich im Vorfeld mit möglichen Hobbys.
  • Klären Sie für sich, die Bedeutung von Arbeit und wie Sie dies (beispielsweise durch soziales Engagement) gegebenenfalls ausgleichen können.
  • Besprechen Sie mögliche Schritte mit Ihrem Partner oder Ihrer Familie.
  • Achten Sie auf ausreichend Bewegung und gesunde Ernährung.

Arbeiten im Vorruhestand

Hinzuverdienste und Mini-Jobs erfreuen sich bei (Vor)Ruheständlern immer größerer Beliebtheit.

Aber Vorsicht: Zwar dürfen Sie durchaus hinzuverdienen, doch vor dem Erreichen des regulären Rentenalters gibt es enge Hinzuverdienstgrenzen. Überschreiten Sie diese Grenzen, kann Ihre Rente reduziert werden. Nähere Informationen finden Sie in den Informationsbroschüren der Deutschen Rentenversicherung zum Thema Hinzuverdienstgrenzen.

Berechnen Sie Ihre Rentenhöhe

Rentenabschläge sind beim Vorruhestand unvermeidlich, doch die genaue Höhe der Abschläge ist für viele angehende Ruheständler nicht ohne weiteres zu ermitteln. Wollen Sie die exakten Zahlen erhalten, sollten Sie sich an die nächstgelegene Beratungsstelle der Rentenversicherung wenden. Geht es Ihnen jedoch primär darum, eine Vorstellung von der Abschlagshöhe und den Bezügen zu erhalten, können kostenlose Online Rechner wie beispielsweise von der Deutschen Rentenversicherung weiterhelfen. Die Ergebnisse sind zwar nicht zu hundert Prozent genau, können jedoch einen guten Eindruck der künftigen Bezüge und Abschläge vermitteln.


Vorruhestand als perfekte Gründungschance?

So mancher Vorruheständler will die neu gewonnene Zeit möglicherweise dazu nutzen, ein neues Unternehmen zu gründen und seinen langgehegten Traum zu verwirklichen. Analysen zeigen, dass ältere Gründer zahlreiche Stärken mitbringen und häufig erfolgreich sind.

Vor der Unternehmensgründung im Vorruhestand sollten Sie sich einige Gedanken machen. Zu den wichtigen Punkte gehören unter anderem:

  • Zuverdienstgrenzen und Finanzierung
  • Organisation und Rückhalt im persönlichen Umfeld
  • Belastung und eigene Grenzen
  • Ressourcen und nötige Mitarbeiter

Steht Ihr Konzept und sind die genannten Punkte geklärt, steht einer Gründung im Vorruhestand nichts im Wege. Ob Sie diesen Weg gehen oder den Vorruhestand grundsätzlich für eine sinnvolle Richtung halten, liegt ganz bei Ihnen. Der Schritt kann sich lohnen – wenn Sie ihn bewusst gehen und nutzen können.

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