Mutter aller Kreativitätstechniken: Brainstorming
Alex Osborn, Mitbegründer der Werbeagentur BDO (später BBDO) entwickelte die Methode des Brainstormings 1939. Ihr liegen verschiedene Regeln zugrunde, nämlich:
- Zunächst werden sämtliche Ideen kritiklos gesammelt, es finden keinerlei Diskussionen oder Bewertungen statt.
- Vorhandene Ideen dürfen gerne weiter ausgebaut werden.
- Innerhalb kürzester Zeit werden so viele Ideen wie möglich generiert.
- Nichts ist abwegig genug – Phantasien und Assoziationen fließen mit in die Ideensammlung ein.
Wenngleich Brainstorming nach wie vor zu den beliebtesten und bekanntesten Kreativitätstechniken zählt, konnten unzählige Studien mittlerweile nachweisen, dass es längst nicht die effizienteste ist.
Denn der Erfolg ist maßgeblich von der Zusammensetzung des Teams und der Gruppendynamik abhängig. So zeigte sich, dass in Kreativitätstechniken erfahrene Teilnehmer bessere Ergebnisse erzielten als unerfahrene.
Als eins der größten Probleme des klassischen Brainstormings erwies sich die oberste Regel, die Ideen der anderen Teilnehmer weder zu beurteilen, noch anderweitig zu diskutieren.
Plussing Definition: Konstruktives addieren
Genau hier setzt Plussing an. Neuere wissenschaftliche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass sich Kritik während des Brainstormingprozesses positiv auf die Ergebnisse auswirkt.
Der Begriff Plussing leitet sich vom mathematischen Zeichen „Plus“ (+) ab und beschreibt das Hinzufügen zu etwas anderem. In diesem Fall geht es um Ideen. Das auf computeranimierte Filme spezialisierte Unternehmen Pixar wendet dieses Vorgehen erfolgreich an.
Pixar hat erkannt, dass Kritik einen wichtigen Part im Produktionsprozess spielt und dazu beiträgt, die Arbeit zu verbessern. Plussing funktioniert so, dass jeder Kommentar zu einer Idee noch ein „Plus“ enthalten muss, also eine Aussage, die etwas verbessert oder auf einer Arbeit aufbaut.
Plussing ist nicht nur pure Kritik, sondern erlaubt dem Animator konkret etwas Neues in seiner Arbeit umzusetzen. Der wichtigste Aspekt hierbei ist, dass es sich um konstruktive Kritik handelt. Denn genau das ist die Furcht vieler im Umgang mit Kritik.
Das klassische Brainstorming sollte Kritik deshalb zurückstellen, da sie teilweise einfach aus der Hüfte geschossen kommt, ohne dass sich der Kritisierende zuvor Gedanken macht. Der erste Impuls bei Kritik ist oft:
- Das hatten wir schon: Die Idee ist also keineswegs neu.
- Das haben wir bereits versucht: Und es funktioniert nicht.
Evolutionsbiologisch ist dieser Impuls erklärbar und stammt noch aus einer Zeit, in der es für Menschen überlebenswichtig sein konnte, schnell zu kategorisieren. Das daraus entstandene Schubladendenken erweist sich jedoch mitunter als hinderlich.
Denn es handelt sich um genau die Totschlagargumente, die Osborn mit seiner Idee zum Brainstorming vermeiden wollte. In Folge führen sie vor allem bei empfindlicheren Gemütern dazu, sich im Vorfeld einer starken Selbstzensur zu unterwerfen.
Gepaart mit einer persönlichkeitsbedingten Schüchternheit bleibt übrig – nichts. Und das ist natürlich der Super-GAU eines jeden Kreativitätsprozesses, der sich mit Problemlösung oder Ideenfindung beschäftigt.
Friede, Freude, Eierkuchen?
Dass übermäßiges Kritisieren schädlich ist, lässt sich also nachvollziehen. Dass Kritikverbot aber ebenso lähmt und keineswegs zu neuen Ideen führt, zeigte eine Studie mit drei unterschiedlich instruierten Teams.
Ihre Aufgabe war es, Verkehrsstaus im Gebiet der San Francisco Bay Area in den Griff zu bekommen.
- Das Kontrollteam bekam keine weiteren Vorgaben, sondern sollte einfach nur möglichst viele Ideen entwickeln.
- Das Brainstormingteam hatte die klassischen Brainstormingregeln zu beachten, vor allem die Regel, dass Ideen weder diskutiert noch bewertet werden sollten.
- Das Diskussionsteam bekam ähnliche Vorgaben wie das Brainstormingteam, allerdings im Geiste des Plussing mit einem entscheidenden Unterschied: Anders als beim Brainstormingteam sollten Beurteilungen und Bewertungen nicht ans Ende des Ideensammlungsprozesses gelegt werden, sondern die Diskussionen um eine Idee sollten an dem Punkt stattfinden, an dem sie entstanden.
Das Ergebnis spricht eine klare Sprache. Das Brainstormingteam hat zwar ideentechnisch das Kontrollteam überholt, aber das Diskussionsteam hat mit Plussing um 25 Prozent mehr Ideen hervorgebracht als die anderen beiden Teams im selben Zeitraum.
Und selbst nach Studienende sprudelten noch deutlich mehr Lösungsvorschläge von Teilnehmern des Diskussionsteams hervor als von den anderen. Es zeigte sich, dass etwaige Konflikte durch abweichende Meinungen im Diskussionsteam inspirierenden Charakter haben, während der geradezu erzwungene Zusammenhalt den Prozess der Ideenfindung tendenziell blockiert.
Umgang mit Kritik entscheidend
Am ehesten wird man der Sache vermutlich gerecht, wenn das klassische Brainstorming mit seinem Kritikverbot und übereifriges Kritisieren andererseits als zwei Gegenpole auf einer Skala betrachtet werden. Plussing wäre demnach die goldene Mitte.
Die Frage ist weniger, ob Kritik erlaubt sein soll und zu welchem Zeitpunkt, sondern wie sie vorgetragen wird. Unternehmen haben also ein berechtigtes Interesse daran, Kritik und Querdenker zu fördern, da so schlichtweg mehr Ideen geliefert werden, die sich auf die Qualität der Entscheidungen auswirken können.
Nur macht ein kreativer Kopf noch lange keinen sozial kompetenten Mitarbeiter. Das gilt sowohl für die Akzeptanz von Kritik als auch für das Äußern von Kritik. Es kommt also auf eine Atmosphäre an, in der für alle Teilnehmer klar ist, dass Kritik nicht auf die Person bezogen ist, von der eine Idee stammt.
Wichtig ist dafür, dass…
- eine wohlwollende und auf Wertschätzung füreinander aufbauende Unternehmenskultur existiert.
- Vorwürfe jeglicher Art vermieden werden, denn sie treiben den Kritisierten höchstens in die Enge.
- auf Pauschalisierungen wie „immer“ oder „nie“ verzichtet wird, denn sie werden einer Person nie gerecht.
- die Idee hinter Plussing nicht vergessen wird: Zum Bestehenden soll noch etwas hinzugefügt werden. Die Konjunktion „und“ gibt bereits rhetorisch Hilfestellung und fördert eine Diskussionskultur, während ein „aber“ sie tendenziell abwürgt, da nur Hindernisse statt Chancen gesehen werden.
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