Advocatus Diaboli Erklärung: Was ist das?
Der Begriff Advocatus Diaboli stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich übersetzt „Anwalt des Teufels“, wahlweise wird „Des Teufels Advokat“, auf Englisch entsprechend devil’s advocate gesagt. Mit Advocatus Diaboli wurde ursprünglich im Kirchenrecht eine Person bezeichnet, die eine bestimmte Position einnahm.
Noch heute ist es bei Heiligsprechungsprozessen im Vatikan Aufgabe eines Kirchenanwalts, in Form eines Advocatus Diaboli solche Gründe vorzutragen, die gegen eine Selig- oder Heiligsprechung stehen könnten. Der Fürsprecher dagegen wird als Advocatus Dei oder Advocatus Angeli bezeichnet, also Anwalt Gottes oder Anwalt des Engels.
Seine Aufgabe ist es, die Argumente des Advocatus Diaboli zu widerlegen, so dass eine Heiligsprechung letztlich vollzogen werden kann. Solche Prozesse haben selbst solche Personen zu durchlaufen, die im ersten Moment unverdächtig erscheinen.
Bei der Erörterung der Seligsprechung von Papst Pius X. förderte der Advocatus Diaboli zutage, dass jener regelmäßig Tabak schnupfte. Ein Suchtverhalten konnte ein Fleck auf der weißen Weste bedeuten.
Der Advocatus Dei konnte allerdings nachweisen, dass der starke Tabakkonsum auf Anordnung von Ärzten geschah – somit stand der Seligsprechung im Jahre 1951 und drei Jahre später der Heiligsprechung nichts mehr im Wege.
Advocatus Diaboli als Methode
Im übertragenen Sinn nimmt der Advocatus Diaboli also die Position des Teufels ein. Dabei geht es allerdings nicht darum, in irgendeiner Form böse oder gar gesetzeswidrige Ideen aufs Tapet zu bringen. Vielmehr beschreibt Advocatus Diaboli eine Methode, wie sie beispielsweise in der Psychotherapie angewandt wird.
Sie hilft dabei, kognitive Verzerrungen, negative Glaubenssätze und dysfunktionale Überzeugungen beim Klienten zu entlarven, so dass von dort aus neue Verhaltensweisen erlernt werden können.
Im allgemeinen Sprachgebrauch handelt sich dabei um eine rhetorische Strategie, die unterschiedliche Ziele verfolgen kann:
- Jemand nimmt die Rolle des Advocatus Diaboli ein, um die Position der Gegenseite besser verstehen zu können. Dies ermöglicht die Herausarbeitung der eigenen Argumente, mit denen schließlich die gegnerische Seite widerlegt wird.
- Ebenfalls kann die intensive Beschäftigung mit den Gegenargumenten dazu führen, dass die eigene Position als falsch erkannt wird, es kommt also zur Kapitulation.
Advocatus Diaboli lässt sich ganz bewusst als Methode einsetzen. Oft besteht in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen ein gewisses Harmoniebedürfnis. Was menschlich einerseits verständlich ist, führt im Ergebnis schnell zu einem Konsens.
Geht es allerdings darum, eine Idee oder ein Produkt zu entwickeln, kann eben dieser Konsens (auch Gruppendenken genannt) schädlich sein. Elementare Denkfehler werden übersehen, Risiken unterschätzt und Alternativen nicht geprüft.
In dieser Form wird der Advocatus Diaboli zu einer Technik, die behilflich ist, Entscheidungen zu treffen. Genau genommen geht es darum, die Qualität von Entscheidungen oder Produktentwicklungen zu verbessern; es wird – wie im Kirchenrecht – nicht der erstbeste Vorschlag akzeptiert, sondern das Für und Wider genauer betrachtet.
Der Advocatus Diaboli ist somit institutionalisierte Kritik. Er muss dafür nicht zwingend der Gegenseite selbst angehören. Wichtig ist nur, dass überhaupt Gegenargumente beleuchtet werden. Als Nebeneffekt belebt so ein Verfahren automatisch eine Diskussion.
Beispiele für eine Gegenposition
Anwendung findet der Advocatus Diaboli im Alltag ebenso wie im Berufsleben. Jeder hat schon einmal vor der Entscheidung gestanden, eine größere Anschaffung zu tätigen. Angenommen, Sie wollen sich ein neues Auto zulegen, dann könnte beispielsweise Ihr Partner oder ein Freund die Rolle des Advocatus Diaboli übernehmen.
Sie haben bereits ein bestimmtes Modell im Hinterkopf, haben eine Vorstellung davon, welche Ausstattung Ihr zukünftiger Wagen ungefähr haben sollte und wie hoch in etwa Ihr Budget ausfällt. Ihr Partner oder Freund wird diese Überlegungen mit Ihnen erörtern, indem er die Vorzüge eines ähnlichen Modells heranführt. Dies kann in Ausstattung und Leistung ebenso gut, gleichzeitig preislich aber günstiger ausfallen.
Oder aber Ihr Freund gibt bei Ihrem Vorschlag den Spritverbrauch und Sicherheitsaspekte zu bedenken. Egal, was es im Endeffekt ist: Es wird dazu führen, dass Sie Ihre ursprünglichen Überlegungen hinterfragen und neue Erkenntnisse gewinnen, die Ihre Entscheidung beeinflussen und womöglich verändern.
Die Rolle des Advocatus Diaboli kann auch im Bewerbungsprozess auf Sie zukommen. Dann nämlich, wenn Sie beispielsweise ein Assessment Center durchlaufen. In Rollenspielen und Gruppendiskussionen wird Bewerbern ein Thema vorgegeben, das nicht selten polarisiert.
Meist ist eine Position vorgegeben, das heißt, Sie können nicht einfach eine Rolle spielen, die Sie auch inhaltlich vertreten, sondern müssen unter Umständen gezielt gegen Ihre eigene Überzeugung argumentieren.
Ein Reizthema könnte beispielsweise lauten: Sollen Ego-Shooter verboten werden?
Diese Computerspiele sind immer wieder in der Kritik, da bei Amokläufen von Schülern häufig festgestellt wurde, dass diese sich durch Ego-Shooter im Laufe der Zeit hochgepusht hatten.
Sie persönlich sind der Ansicht, dass der Effekt von Killerspielen völlig überschätzt wird, zumal diverse Studien auf verstärkende Begleitfaktoren hinweisen. Leider sollen Sie den Befürworter eines Verbots übernehmen. Ihnen kommt somit die Rolle des Advocatus Diaboli zu.
Und natürlich wollen Personaler sehen, dass Sie Ihre Sache gut machen. Es reicht also kein lahmes Argument à la: Ein Verbot ist sinnvoll, da es noch viele andere gute Computerspiele gibt.
Denn nur das ernsthafte Durchleuchten von Gegenargumenten stellt sicher, dass nicht einfach eine Seite bedient wird, sondern die bestmögliche – weil sicherste, günstigste, effektivste und/oder nachhaltigste – Entscheidung getroffen wird.
Institutionalisierte Kritik in Betrieben
Wie oben bereits ausgeführt, ist bei Teams häufig der Wunsch nach Einmütigkeit zu beobachten. Immer wieder werden Betriebsklima und Teamgeist beschworen, bei der Auswahl von Mitarbeitern also darauf geachtet, dass ein Bewerber von der Persönlichkeit her zum Team passt.
Natürlich ist es wichtig, dass ein neuer Mitarbeiter in seinem Verhalten nicht völlig zugegen läuft. Zu starken Abweichungen etwa in der Arbeitsauffassung und Engagement können die restlichen Teammitglieder demotivieren. Gleichzeitig ist Diversität – Neudeutsch: Diversity – nicht zu unterschätzen.
Diverse Teams haben den Querdenker quasi automatisch eingebaut und damit einen Advocatus Diaboli viel eher im Boot als solche, die von der Persönlichkeitsstruktur her recht homogen zusammengesetzt sind.
Dennoch lassen sich auch bei solider Auswahl gruppendynamische Prozesse beobachten. Um des lieben Friedens willen oder aus Schüchternheit schweigen einzelne Teammitglieder, auch wenn sie eine abweichende Meinung haben.
In manchen Fällen dominiert ein besonders erfahrenes Gruppenmitglied die anderen Teamkollegen, so dass ebenfalls Druck zur Uniformität besteht. Wer eine andere Meinung hat, wird tendenziell als Querulant betrachtet. Um solchen Effekten und den negativen Auswirkungen zu begegnen, sollten Betriebe auf einen Advocatus Diaboli in Entscheidungsprozessen setzen.
Und so kann ein Ablauf aussehen:
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Diskussion
Eine Idee und mögliche Alternativen werden vorgestellt.
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Analyse
Der Advocatus Diaboli überprüft diesen Vorschlag hinsichtlich Planung, Zahlen, veranschlagte Dauer und Risiko. In einem Betrieb wird diese Funktion vom Controlling oder Risikomanagement übernommen.
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Gegenargumentation
Der Advocatus Diaboli fungiert als Bedenkenträger, das heißt, er wird mögliche Nachteile ausarbeiten und diese präsentieren.
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Entscheidung
Das Team berät über die vorgestellten neuen Erkenntnisse und wägt das Für und Wider ab. Es trifft schließlich eine Entscheidung, die sämtliche Faktoren berücksichtigt.
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