Buchauszug: „Ja-aber… was, wenn alles klappt?“
Der Autor Berthold Gunster hat über das Thema ein empfehlenswertes Buch geschrieben: „Ja-aber… was, wenn alles klappt?“. Gunster selbst, sammelte in seinem Berufsleben zunächst Erfahrungen als Theaterregisseur und Bühnenautor, bevor er seine Ja-aber-Philosophie entwickelte. Die Karrierebibel veröffentlicht daraus – natürlich mit Genehmigung des Autors – exklusiv Auszüge.
Nutzen Sie unsere kostenlosen Webinare und sichern Sie sich rechtzeitig einen der limitierten Plätze!
Gratis-Webinar: Erfolgreicher Jobwechsel |
Gratis-Webinar: Mehr Gehalt – ganz einfach |
Ja-aber-Haltung: Das Leben ist nicht planbar
Zuallererst müssen wir uns von der Illusion verabschieden, das Leben sei plan- oder kontrollierbar. Ist es nicht. Leben ist das was passiert – auch allen Plänen und Kontrollversuchen zum Trotz.
Eigentlich weiß das auch jeder. Dennoch hegen wir tief in unserem Inneren eine andere Haltung: Wenn wir erst einmal alles gründlich durchdacht, analysiert, strukturiert, organisiert haben und sämtliche potenzielle Fehlerquellen eliminiert haben, dann, ja dann wird alles gut.
Der Effekt ist aber fatal: Wir sehen uns die Dinge zuerst kaputt. Wir blicken in erster Linie auf das, was einen Mangel hat und versuchen dann, es zu reparieren. Kurz: Wir sehen Risiken lieber als Chancen.
Und genau das steckt in unserer Ja-aber-Attitüde und Ja-und-Verhaltensweise: Sie gibt uns die Illusion von Kontrolle und Planbarkeit. Dabei ist die Wirklichkeit um uns herum – ebenso wie unsere Persönlichkeit – viel zu komplex dafür.
Schon Voltaire erkannte:
Zweifel ist unbequem, aber Sicherheit ist ein geradezu lächerlicher Umstand.
Die Essenz des Lebens ist eben nicht statisch; die Essenz des Lebens ist Bewegung und Veränderung. Das Leben ist vergleichbar mit einem Fluss, der sich durchs Land schlängelt. Statt das Leben kontrollieren zu wollen, sollten wir es besser (mit)kreieren. Wir sind Teil eines Schaffungsprozesses und nicht der allwissende Steuermann.
Ja aber: Sag erst mal Ja zu dir!
Die Person, zu der wir dabei am häufigsten „Ja aber“ sagen, ist allerdings nicht etwa unser Partner, der Nachbar oder der Kollege. Es sind wir selbst.
Unsere größte Herausforderung im Leben ist es, uns selbst zu akzeptieren. Und das in jeder Hinsicht. Allerdings stellen wir diesbezüglich immer Bedingungen:
- „Wenn ich mein Studium fertig habe, dann…“
- „Wenn ich meine Doktorarbeit beendet habe, dann…“
- „Wenn ich fünf Kilo abgenommen habe, dann…“
- „Wenn ich erst mal mehr Geld verdiene, dann…“
Aber wenn wir unser Studium fertig haben sowie fünf Kilo leichter und 1000 Euro schwerer sind, dann gibt es wieder ein anderes Vorhaben.
Dieses ewige Wenn-dann ist letztlich die Umkehrung von Ja-aber: Je größer die Anstrengung, desto größer die Enttäuschung, wenn am Ende des nächsten Regenbogens kein Topf mit Goldtalern steht.
So liegt denn auch die eigentliche Herausforderung darin, …
- zu akzeptieren, wo wir stehen.
- zu akzeptieren, was wir uns wünschen.
- da zu sein, wo wir noch nicht sind.
- und die Spannung anzunehmen, die dadurch entsteht.
Es geht nicht darum, den daraus folgenden Stress zu reduzieren, sondern die Kunst zu beherrschen, den Stress zu einer schaffenden Energie umzuwandeln. Lebenskunst oder -glück könnte man demnach definieren als die Akzeptanz dieser gleichzeitigen, sich auf den ersten Blick widersprechenden Haltungen.
Kein Ja-aber mehr: Wie also funktioniert das?
Um es gleich vorwegzunehmen: Unser Wahrnehmungsvermögen ist alles andere als gut. Fangen wir einmal mit den biologischen Einschränkungen an.
Schätzungsweise nehmen wir durch unsere Sinnesorgane – Augen, Ohren, Nase, Mund und Haut – 400 Milliarden Bits pro Sekunde wahr. Was davon in unser Bewusstsein dringt, sind aber nur 2000 Bits pro Sekunde.
Oder anders gesagt: Zu jedem Bit, das in unser Bewusstsein dringt, empfangen wir 200.000 Bits Informationen.
Man könnte auch sagen: Wenn unser Bewusstsein eine Maßeinheit von einem Meter wäre, dann wäre unser Unterbewusstsein so lang wie die Strecke von Frankfurt am Main bis nach Köln. Dass wir viel mehr wissen, als uns bewusst ist, wurde schon in zahlreichen Studien bewiesen.
Bereits 1898 machte der ukrainische Psychologe Boris Sidis ein Experiment, bei dem er Testpersonen eine Karte mit nur einer Zahl oder einem einzigen Buchstaben zeigte. Die Testpersonen standen jedoch in so großer Entfernung zur Karte, dass sie sich beschwerten, aus diesem Abstand sei es unmöglich, die Karten zu sehen. Sidis forderte sie auf, doch einfach zu raten. Und was stellte sich heraus? Die Testpersonen rieten viel öfter richtig, als man erwartet hätte.
Ein vergleichbares Experiment wurde 1884 vom Mathematiker und Philosophen Charles Sanders Peirce gemacht. Er ließ die Testpersonen in jede Hand je ein Gewicht nehmen, die sich nur um einige Gramm unterschieden. Er fragte die Personen, welches Gewicht das schwerere sei. Auch hier beklagten sich die Teilnehmer des Experiments über die absurde Aufgabenstellung, da kein Unterschied zu spüren war, und Peirce forderte sie ebenfalls auf, zu raten. Zwischen 60 und 70 Prozent der Testpersonen schätzten daraufhin das schwerere Gewicht richtig.
Anscheinend wissen wir mehr, als wir denken, und können auf diese Kenntnis auch zurückgreifen. Oft jedoch nur über den Umweg des Ratens.
So zeigten die beiden amerikanischen Psychologen W. R. Kunst-Wilson und R. B. Zajonc in einem Versuch ihren Testpersonen eine Reihe unbekannter Schriftzeichen. Danach sollten die Testpersonen aus einer neuen Reihe von Zeichen diejenigen herausfinden, die sie zuvor gesehen hatten. Doch die Testpersonen hatten keine Ahnung. Die Zeichen waren viel zu kompliziert und unsortiert gewesen, um sie behalten zu können. Wiederum wählten die Forscher einen Umweg und fragten: „Welches Zeichen hat Ihnen gefallen?“
Und was war das Ergebnis?
Die Testpersonen konnten sich plötzlich an Zeichen erinnern. Anscheinend gehören schön finden und vertraut sein zusammen. Unser Unterbewusstsein weiß also mehr, als wir glauben, und dieses Wissen können wir über Umwege aktivieren.
Wenn wir also die Wirklichkeit gut wahrnehmen wollen, besteht die Aufgabe darin, das Wissen aus unserem Unterbewusstsein buchstäblich heraus zu angeln. Und bei dieser „Angelei“ geht das eine oder andere schief.
Allerlei psychologische Faktoren sorgen dafür, dass wir der Wirklichkeit Gewalt antun. Wir lassen Dinge weg, wir verdrängen Informationen, konstruieren Geschichten, die das glatte Gegenteil der Realität sind, schwächen ab oder bauschen auf, füllen Lücken mühelos mit unseren eigenen Kreationen oder ziehen ganz einfach fahrlässige und übereilte Schlüsse.
Ja, aber ich meine, es ist anders…
Eine der häufigsten Verfälschungen der Wahrnehmung ist die Anpassung an unsere Meinung. Dieser Prozess läuft vollkommen von selbst ab. Wir brauchen dafür gar nichts zu tun. Wenn man sich eine gelbe Sonnenbrille aufsetzt, erlebt man die Welt ein paar Minuten lang gelb, aber danach erscheint uns das Bild von selbst wieder normal.
Warum? Das Gehirn übersetzt das Bild in Farben, die uns bekannt sind. Erst wenn man die Sonnenbrille abnimmt, merkt man wieder den Unterschied.
Forscher setzten Testpersonen einmal eine sogenannte Umkehrbrille auf, mit der man seine Umgebung auf den Kopf gestellt sah. Das hatte natürlich eine desorientierende Wirkung. Kaffee zu trinken, wenn man alles verkehrt herum sieht, ist nicht einfach. Nach ein paar Tagen jedoch dreht unser Gehirn das Bild um, sodass wir trotz der Brille die Umgebung wieder scheinbar normal wahrnehmen.
Das ist faszinierend. Demnach sammelt unser Unterbewusstsein ganz automatisch Informationen über die Wirklichkeit und fasst diese in Bilder, Gedanken und Überzeugungen, die die Wirklichkeit recht akkurat zusammenfassen. In unserem Innern formen wir ein Abbild der Wirklichkeit, das in groben Zügen mit unserer Außenwelt übereinstimmt. Das alles ist sehr nützlich und ein äußerst präziser und komplexer Prozess.
Probleme tauchen auf, wenn unser Verstand klar definierte Vorstellungen von der Welt hat, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. In diesem Fall wird die widersprüchliche Information mit aller Leichtigkeit negiert oder verdreht. Und auch dieser Prozess verläuft vollkommen unbewusst. Wir sehen in solchen Momenten nicht, was wir sehen, sondern wir nehmen vor allem das wahr, was wir glauben zu wissen.
In den Achtzigerjahren steckte die amerikanische Autoindustrie in einer schweren Krise. Der Markt wurde mit preisgünstigeren Autos aus Japan überschwemmt, die außerdem qualitativ besser waren als die amerikanischen Modelle. Um herauszufinden, was die Japaner besser machten, wurden regelmäßig Studienreisen nach Japan unternommen.
Ein amerikanischer Manager, der eine japanische Fabrik besichtigt hatte, war nicht gerade beeindruckt. „Sie haben uns keine echte Fabrik gezeigt“, berichtete er. Auf die Frage, woher er das so sicher wisse, erzählte er, dass die Hallen leer gewesen wären und er kaum Bestände gesehen habe. „Die haben nur wegen unseres Besuches so getan, es war alles inszeniert.“
Der Manager war von seiner Beurteilung der Situation fest überzeugt. Er wusste nicht, dass das Prinzip der „Just-in-time“-Produktion eines der Merkmale des japanischen Wirtschaftssystems war.
Danach ist die Anlieferungsmenge der Waren so genau wie möglich mit der Verarbeitungsmenge abzustimmen, sodass die Lager so klein wie möglich gehalten werden können. Zwar hatte der Manager die leere Halle richtig wahrgenommen, aber er hatte den Umstand, warum sie so leer war, falsch interpretiert.
Sich eine Meinung zu bilden, ist ein ungenauer Vorgang. Dennoch sind viele von uns mit der Überzeugung aufgewachsen, dass man eine Meinung, ein Urteils- oder Interpretationsvermögen braucht, um gut durchs Leben zu kommen.
Egal was Sie denken: Seien Sie offen für das Gegenteil
1973 führten zwei Psychologen in Princeton, John Darley und C. Daniel Batson, eine bemerkenswerte Studie über die Beziehung zwischen Religion und Mitmenschlichkeit durch. Zu Beginn eines Experiments wurden einige Priesterschüler gebeten, einen Gottesdienst über den barmherzigen Samariter vorzubereiten.
Für diejenigen, die nicht bibelfest sind: Diese Bibelgeschichte handelt von einem Mann, der bestohlen und misshandelt und von niemandem beachtet wird, bis der barmherzige Samariter ihm hilft. Die Parabel appelliert an unsere Mitmenschlichkeit.
Die Priesterschüler wurden ermutigt, über diese Geschichte einen mitreißenden Gottesdienst abzuhalten. Was die Schüler nicht wussten: Man hatte einen Schauspieler engagiert, der im Gang zwischen dem Vorbereitungsraum und dem Raum, in dem der Gottesdienst abgehalten wurde, auf dem Boden saß und einen hilfsbedürftigen Obdachlosen mimte.
Mit dem Schauspieler war vereinbart worden, dass er immer dann, wenn ein Priesterschüler vorbeikam, einen tiefen, schmerzvollen Laut von sich geben und mindestens zwei Mal husten sollte. Die Ergebnisse waren verblüffend. Mehr als die Hälfte der Schüler bemerkten den Obdachlosen überhaupt nicht. Einige gingen sogar im wahrsten Sinne des Wortes über ihn hinweg.
Richard Wiseman hat ausführlich zu den Unterschieden zwischen Menschen, die sich für Pechvögel oder Glückspilze halten, geforscht. Er forderte Menschen auf, sich dem Satz „Ich habe immer Glück“ oder „Ich habe immer Pech“ zuzuordnen.
Zuerst aber untersuchte er (zur Sicherheit), ob es überhaupt so etwas gibt – Menschen, die statistisch gesehen mehr Glück oder Pech haben als andere. Das schien, wie zu erwarten, nicht der Fall zu sein.
Danach untersuchte er, wie sich die Mitglieder der beiden Gruppen verhielten. Die Unterschiede waren beachtlich:
Pechvögel hatten hohe Erwartungen, das Leben war nicht so verlaufen, wie sie gehofft hatten, und sie neigten dazu, vor allem zurück in die Vergangenheit zu blicken, auf ihr Scheitern und ihre Tragödien. Sie konnten ihr Glück buchstäblich nicht sehen, selbst wenn es vor ihrer Nase lag.
In einem bekannten Experiment bittet Richard Wiseman die Testpersonen, eine Zeitung durchzulesen und die abgebildeten Fotos zu zählen. Auf Seite zwei der Zeitung ließ er jedoch in einer fetten Überschrift drucken: „Sie können aufhören zu zählen – in dieser Zeitung sind 43 Fotos abgebildet“.
In die Mitte der Zeitung ließ er eine zweite Nachricht drucken: „Hören Sie auf zu zählen. Sagen Sie dem Testleiter, dass Sie dies gelesen haben, dann gewinnen Sie 100 englische Pfund.“ Eine Testperson nach der anderen überlas die beiden Überschriften.
Dieses „Geladensein mit Erwartungen“ scheint ein typisches Merkmal für Menschen zu sein, die sich selbst als Pechvögel sehen. Wiseman schließt daraus: „Glückspilze besitzen die Begabung, Gelegenheiten zu erkennen, die sich ganz von allein ergeben. (…) Der Witz an der Sache ist: Je unverkrampfter sie nach etwas Ausschau halten, desto mehr sehen sie.“
„Ja und“ statt „Ja aber“
Die Basis eines Ja-und-Denkens und Verhaltens ist, ja zur Wirklichkeit zu sagen. Die Wirklichkeit zu akzeptieren, so wie sie ist. Die Dinge zu akzeptieren, wie sie sind, ist eine der größten und schwierigsten Herausforderungen des Lebens. Und mit akzeptieren meine ich wahr-nehmen. Die Realität des Moments als Tatsache akzeptieren.
Es ist eines der wichtigsten Dinge, die wir im Leben entwickeln sollten: Realitätssinn.
Aber wie können wir dann die Wirklichkeit auf bessere Weise wahrnehmen?
- Einige Antworten kennen Sie schon. Je mehr wir erwarten, desto weniger nehmen wir wahr. Dann gilt umgekehrt: Wenn wir unsere Erwartungen nicht mehr ins Zentrum stellen, dann nehmen wir besser wahr, können wir Möglichkeiten sehen, die wir zuerst nicht gesehen haben.
- Untersuchungen haben ergeben, dass wir ebenfalls schlechter wahrnehmen, wenn wir emotional beteiligt sind. Je emotionaler wir sind, desto schlechter nehmen wir wahr (fassen Sie nie einen Entschluss, wenn Sie wütend sind!). Eine entspannte Lebenshaltung ist eine gute Basis für eine exakte Wahrnehmung.
- Außerdem können wir uns vornehmen, weniger schnell eine Meinung zu fällen, offen zu sein für das Gegenteil und einzusehen, dass wir die Wirklichkeit nicht immer begreifen müssen. Wir neigen dazu, fehlende Informationen hinzuzufügen. Doch wenn man nur Punkte sieht, ist es nicht ratsam, diese sogleich zu einer Linie zu verbinden.
- Eine gute Methode, um ein genaues Bild der Wirklichkeit zu bekommen, ist es, um Feedback zu bitten. „Was habe ich übersehen? Denken andere auch so? Schaffe ich ein Problem oder ist da wirklich eines? Was denkt, fühlt, sieht ein anderer?“ Vielleicht finden Sie es in manchen Fällen auch angenehm, gar keine Meinung zu haben.
Der niederländische Kabarettist Toon Hermans sagte dazu einmal:
Ich finde Nicht-Wissen immer noch wichtiger als Sehr-wohl-Wissen. Wenn man etwas nicht weiß, gibt das viel mehr Raum. Wenn man etwas weiß, ist das das Ende des Satzes, das Ende des Verstehens. Aber es gibt nichts zu verstehen. Man kann nichts verstehen. Das Leben ist ein Wunder, ein Spiel, aber verstehen tue ich es nicht. Und ich gebe mich dem Nicht-Verstehen hin.
Diese Artikel finden andere Leser interessant: