Umgang mit depressiven Kollegen: Viele Unsicherheiten
Depressionen betreffen mehr Menschen, als den meisten bewusst ist. In Deutschland leiden 3-4 Millionen Menschen darunter. Während körperliche Beschwerden und Erkrankungen gesellschaftlich akzeptiert sind, sieht es bei psychischen Erkrankungen anders aus. Außenstehende denken oft, dass sich ein Kollege bloß anstellt. Ein gefährlicher Irrtum!
Weil Depressionen immer noch stigmatisiert sind, fällt es Erkrankten schwer, offen damit umzugehen. Sie haben Angst vor Ausgrenzung oder fürchten sogar um ihren Arbeitsplatz, weil ihre Leistungsfähigkeit sinkt.
Da sich viele Kollegen mit den Symptomen einer Depression nicht auskennen, bleibt das Thema im Berufsleben häufig unausgesprochen. Dabei sollten Arbeitgeber und Kollegen aufmerksam werden, wenn sie langfristige, negative Veränderungen beobachten…
Anzeichen für eine Depression
Eine Depression kann jeden treffen. Dabei können sich eine Reihe von Symptomen zeigen, die einzeln noch nichts bedeuten müssen. Erst recht nicht, wenn sie nur vorübergehend auftauchen. Bei einem gesunden Menschen haben einzelne Probleme oftmals keine oder nur kurzfristige Auswirkungen.
Häufen sich die Anzeichen aber und existieren längerfristige Symptome, kann eine psychische Erkrankung die Ursache sein. Folgende Anzeichen sind für eine depressive Verstimmung oder Depression typisch:
- Antriebslosigkeit
- Niedergeschlagenheit
- Interessenlosigkeit
- Konzentrationsstörungen
- Minderwertigkeitsgefühle
- Schuldgefühle
- Pessimismus
- Schlafstörungen
- Appetitlosigkeit
Symptome wie Schlafstörungen oder Appetitlosigkeit lassen sich von Außenstehenden schwerer beurteilen. Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Interessenlosigkeit dagegen können bei regelmäßigem Kontakt mit einem Kollegen gut beobachtet und beurteilt werden.
Beispiel: War der Kollege immer ein großer Fussballfan und zeigt nun länger keinerlei Interesse mehr daran, kann das ein erster Hinweis sein. Auch eine dauerhaft freudlose und traurige Mimik kann ein Anzeichen sein. Genauso wie pessimistische Einstellungen für die Zukunft und übertriebene Schuldgefühle für Dinge, die bei der Arbeit schieflaufen.
Arbeitsbezogene Auffälligkeiten
Neben den allgemeinen Symptomen gibt es einige konkrete Anzeichen, die sich in der Arbeitssituation zeigen können:
- Rückgang der Arbeitsleistung
- Höhere Fehler- und Unfallrate
- Verspätungen ohne erkennbaren Grund
- Häufiges Fehlen
- Rückzug von Kollegen und Vorgesetzten
- Überempfindlichkeit
Als Arbeitgeber depressive Mitarbeiter erkennen
Neben privaten Problemen können auch berufliche Umstände zu einer Depression führen. Ausgelöst werden kann sie zum Beispiel durch:
- Angst vor Jobverlust, wenn etwa eine Kündigungswelle durchs Unternehmen geht
- Burnout durch unzählige Überstunden oder übertriebenen Perfektionismus
- Mobbing durch Kollegen oder Vorgesetzte oder
- Überforderung aufgrund neuer oder zu vieler Aufgaben oder schlechtem Zeitmanagement
Als Arbeitgeber unterliegen Sie einer Fürsorgepflicht gegenüber Mitarbeitern. Dies gilt besonders, wenn sich Symptome und Verhaltensauffälligkeiten zeigen.
Klärendes Gespräch führen!
Ob der Mitarbeiter tatsächlich erkrankt ist, kann und darf eine Führungskraft nicht feststellen. Dies ist einem Arzt oder Therapeuten vorbehalten. Ein klärendes Gespräch, das die Sorge um den Mitarbeiter in den Vordergrund stellt, gehört jedoch in einer frühen Phase zu den Aufgaben einer Führungskraft.
Aufhänger für ein 4-Augen-Gespräch sollten stets Verhaltensauffälligkeiten im Job sein – nicht vermutete psychische Probleme! Nennen Sie Beispiele, die Ihnen aufgefallen sind und geben Sie dem Mitarbeiter Zeit, sich dazu zu äußern. Ob er das abblockt oder froh ist, über seine Probleme sprechen zu können: Hören Sie zunächst aufmerksam zu! Zeigen sich berufliche Ursachen, sollten Sie die Arbeitssituation anpassen. Ansonsten geben Sie bitte Hinweise auf professionelle Hilfe oder eine Empfehlung für den Betriebsarzt.
Als Kollege: Wie kann ich helfen?
Für Kollegen, die noch keine Erfahrung mit psychischen Erkrankungen gemacht haben, ist der Umgang mit einem depressiven Mitarbeiter am Anfang ungewohnt: Wie verhalte ich mich richtig? Hilfsbereitschaft signalisieren und den Kollegen ansprechen? Oder lieber in Ruhe lassen, weil es sich um ein intimes Thema handelt?
Pauschal lässt sich die Frage nicht beantworten. Hier ist immer Fingerspitzengefühl nötig. Ob Sie Ihren Kollegen ansprechen, hängt zum Beispiel davon ab, wie gut Sie ihn kennen und wie eng das Verhältnis ist. Wollen Sie das Thema bei Ihrem Kollegen ansprechen, haben wir fünf Empfehlungen, wie Sie vorgehen können:
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Fragen Sie sich selbst
Wie würden Sie behandelt werden wollen? Würden Sie sich freuen, wenn jemand ein freundliches Wort an Sie richtet? Eine nette kleine Geste kann schon aufmunternd wirken. Oder machen Sie ein Angebot, dass sich Ihr Kollege gerne nach Feierabend mit Ihnen näher unterhalten kann, vielleicht gehen Sie gemeinsam etwas trinken oder spazieren.
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Suchen Sie eine Gelegenheit
Da das Thema nicht einfach ist, sollten Sie in jedem Fall einen passenden Moment suchen. Haben Sie ein enges und privates Verhältnis zu Ihrem Kollegen, sollten Sie ihn nicht am Arbeitsplatz ansprechen. Ein derartiges Gespräch braucht einen geschützten Raum. Ihr Gegenüber muss das Gefühl haben, sich Ihnen anvertrauen zu können, ohne dass eine dritte Person hineinplatzt oder andere Kollegen mithören. Räume mit viel Durchgangsverkehr (wie Kantine, Kaffeeküche oder Büroflur) sind ungeeignet.
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Sprechen Sie Unsicherheit an
Wenn Sie sich unsicher sind, wie Sie Ihren depressiven Kollegen ansprechen können, sollten Sie diese Unsicherheit offen und direkt kommunizieren. Sprechen Sie über die Dinge, die Ihnen am Kollegen auffallen und zeigen Sie Ihre Sorge, dass das keine vorübergehende Phase ist.
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Bitten Sie um Erklärung
Wenn Ihr Kollege sich öffnet und zu verstehen gibt, dass er depressiv ist, fragen Sie nach einer Erklärung seines Zustandes. Fragen Sie nach seinen Gefühlen und Befindlichkeiten und geben Sie ihm zu verstehen, dass Sie davon nicht viel verstehen.
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Stellen Sie Hilfsangebote vor
Weder die Führungskraft noch der Kollege können Ersatz für einen Psychotherapeuten sein. Sofern Sie den Eindruck gewinnen, dass der Kollege depressiv ist, sollten Sie auf verschiedene Hilfsangebote verweisen. Das kann der Betriebsarzt oder eine Vertrauensperson sein, mit der ein erstes Gespräch geführt wird. Daneben gibt es verschiedene externe Hilfsstellen, die Sie bei der Deutschen Depressionshilfe nachschauen können.
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