Einfach erklärt: Was ist das Kleine-Welt-Phänomen?
Das Kleine-Welt-Phänomen (auch: small world phenomenon oder „Six Degrees of Separation“) sagt: Jeder kennt jeden über maximal sechs Ecken. Der Name des Phänomens geht auf den US-Psychologen Stanley Milgram zurück, der 1967 bei Experimenten durchschnittlich 5,5 Kontakte (aufgerundet 6) benötigte, um eine völlig fremde Person zu erreichen. Wie groß die Zahl der nötigen Bekanntschaften tatsächlich ist, ist allerdings bis heute umstritten.
Bei einer Studie im Jahr 2006 um Jure Leskovec von der Carnegie Mellon Universität kam bei der Auswertung von 240 Millionen Messenger-Accounts heraus, dass nahezu die Hälfte aller Personen über 6,6 andere Accounts erreicht werden konnte. Social Media haben die Welt sogar noch kleiner gemacht. Als das Kleine-Welt-Phänomen 2016 vom Facebook-Konzern untersucht wurde, kam heraus: Heute reichen mitunter schon 3,57 persönliche Kontakte und Bekannte, um sich zum Beispiel mit Elon Musk zu vernetzen.
Was sind Superspreader?
Studien zum Kleine-Welt-Phänomen zeigen noch etwas: Es gibt Menschen, die mit einer großen Anzahl anderer Personen in Verbindung stehen – sogenannte Superspreader (deutsch: Superverbreiter). Sie sind verantwortlich dafür, dass sich Informationen über sechs Ecken oder weniger verbreiten. Wir nennen diese Menschen heute „Influencer“. Der Name passt: Denn Superspreader gibt es auch in der Medizin. Dort verbreiten vor allem Krankheitserreger, zum Beispiel Corona- oder Grippe-Viren (Influenza).
Das Kleine-Welt-Experiment
Das erste Experiment zum Kleine-Welt-Phänomen (PDF) wurde an der 1967 an der Harvard Universität durchgeführt. Stanley Milgram bat dazu 60 Teilnehmer aus Omaha und Wichita ein Paket an Zielpersonen in Boston zu schicken. Weil diese niemand persönlich kannte, sollten die Probanden das Paket ersatzweise an einen Bekannten schicken, der der jeweiligen Zielperson potenziell näher stand.
Damals erreichten insgesamt drei Pakete die Zielperson. Die durchschnittliche Pfadlänge lag bei 5,5 Bekanntschaften. Es folgten weitere Experimente in den Jahren 1969 und 1970 mit ähnlichem Ergebnis. Milgram und seine Kollegen schlossen daraus, dass – theoretisch – jeder US-Bürger eine andere Person in den USA durchschnittlich über sechs Kontakte erreichen kann.
Psychologie: Wie wirkt das Kleine-Welt-Phänomen auf uns?
Die Welt ist ein Dorf – und das wird immer kleiner. Soziale Netzwerke und das Internet sorgen dafür, dass wir immer mehr zusammenrücken. Und das ist gut so, sagt zum Beispiel die Psychologin Judith Kleinfeld, die an der Universität von Alaska ebenfalls das Kleine-Welt-Phänomen untersucht hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass das Phänomen vor allem unseren Wunsch nach Überschaubarkeit und Zugehörigkeit erfüllt.
Wir leben in einer zunehmend digitalen und immer schnelllebigeren Welt. Dabei kann es schnell passieren, dass wir uns verloren, allein oder sogar übersehen fühlen. Geschichten von Menschen, die sich nach vielen Jahren ganz zufällig und durch einen gemeinsamen Bekannten wiedersehen, faszinieren uns nicht nur. Laut Kleinfeld geben sie uns das Gefühl von Kontrolle und Beherrschbarkeit zurück. Das Kleine-Welt-Phänomen gibt uns psychologisch also auch mehr Halt im Leben.
Wie kann ich das Kleine-Welt-Phänomen nutzen?
Beziehungen schaden nur dem, der keine hat. Ein großes Netzwerk und das sprichwörtliche Vitamin B helfen uns sowohl im Job als auch bei der Karriere. Effektiv genutzt wird das zum Beispiel bereits im sogenannten Empfehlungsmarketing (auch: Mundpropaganda): Dabei profitieren Unternehmen von den positiven Bewertungen ihrer Kunden sowie von Referenzen.
Das Ganze funktioniert aber genauso auf persönlicher Ebene – und bei der Bewerbung: Hierbei können Sie Ihre Jobchancen ebenfalls durch Referenzen oder Empfehlungsschreiben steigern.
Wie Unternehmen das Kleine-Welt-Phänomen nutzen?
Gleichzeitig können sich Arbeitgeber das Kleine-Welt-Phänomen zunutze machen, indem Sie bei der Mitarbeitersuche beispielsweise auf Empfehlungen der eigenen Mitarbeiter setzen. Deren Kontakte und Netzwerke können eine enorme Macht entfalten. Zum Beispiel weil zufriedene (Ex-)Mitarbeiter Bestbewertungen auf Arbeitgeber-Bewertungsplattformen schreiben. Oder weil sogenannte Corporate Influencer viel Gutes über „ihre“ Firma im Internet verbreiten.
Letzteres ist übrigens schon eine Form des sogenannten Employer Branding und kann selbst unbekannten Unternehmen viel positive Aufmerksamkeit verschaffen.
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