Stanley Milgram und das Kleine-Welt-Phänomen
Die erste Formulierung des sogenannten Kleine-Welt-Phänomens, das auch unter den Namen
- small-world phenomenon
- small-world experiment
- small-world paradigm
- Six Degrees of Separation
bekannt ist, geht auf den US-amerikanischen Psychologen Stanley Milgram zurück.
Entsprechend seiner Theorie ist jeder Mensch auf der Erde mit jedem anderen über relativ wenige Kontakte bekannt. Wie groß die Zahl der Bekanntschaften dabei tatsächlich ist, ist umstritten.
Dem ungarischen Schriftsteller Frigyes Karinthy, der bereits im Jahr 1929 in einer Kurzgeschichte das Phänomen beschrieb, reichten fünf Ecken, während die Versuchspersonen von Milgram in seinem Experiment von 1967 durchschnittlich 5,5 Kontakte (aufgerundet auf sechs) benötigten.
Eine Untersuchung von Jure Leskovec von der Carnegie Mellon University und Eric Horvitz von Microsoft Research, die die Analyse von 240 Millionen Instant-Messenger-Accounts zum Inhalt hatte, kam im Jahr 2006 zu dem Ergebnis, dass nahezu die Hälfte der Personen über sechs andere Accounts erreicht werden konnten. Wurde die Zahl auf sieben Accounts erweitert, gelang das sogar schon mit fast 80 Prozent der Accounts.
Der Durchschnitt lag bei 6,6 Accounts oder Personen, was dazu beigetragen hat, dass genau diese Zahl seitdem zitiert wird, wenn es um das Kleine-Welt-Phänomen geht.
Aber noch etwas anderes zeigten die verschiedenen Untersuchungen und Studien zum Kleine-Welt-Phänomen: Es gibt einige Personen, die mit einer sehr großen Anzahl anderer Personen in Verbindung stehen. Diese sogenannten Superspreader (zu Deutsch: Superverbreiter) sind verantwortlich dafür, dass sich Informationen über nur sechs oder sieben Ecken verbreiten können.
Und jetzt wird es interessant: Diese Superspreader verbreiten nicht nur Informationen in Sozialen Netzwerken, sondern tragen auch dazu bei, dass sich Krankheitserreger besonders schnell und effektiv ausbreiten können. Die Kontakte dieser Personen beschränken sich nämlich nicht nur auf die digitale Welt, sondern sind auch analog. Da bekommt der Ausdruck Influencer (Influenza) gleich eine ganz andere Bedeutung.
Und auch davon abgesehen hat das Kleine-Welt-Phänomen viel Anklang gefunden: Six degrees of Kevin Bacon nennt sich ein bekanntes Spiel für Filmliebhaber und Kinogänger, das auf der These beruht, dass jeder (unbekannte) Schauspieler mit Kevin Bacon über sechs Ecken bekannt ist. Auch Kevin Bacon höchstpersönlich ist auf diesen Zug aufgesprungen und hat im Jahr 2007 die wohltätige Organisation SixDegrees.org gegründet.
Kleine-Welt-Phänomen und Facebook
Im Jahr 2016 überprüften die Macher von Facebook anlässlich des zwölften Geburtstags des Sozialen Netzwerkes das Kleine-Welt-Phänomen in seiner bekannten Form. Also die Aussage, dass jeder Mensch mit jedem anderen über lediglich etwas mehr als sechs Ecken bekannt ist.
Das Ergebnis: Facebook hat das Kleine-Welt-Phänomen noch kleiner gemacht. In der Untersuchung kam heraus, dass man nicht mehr als sechs Bekannte haben muss, um sich beispielsweise mit der Donald Trump zu vernetzen, sondern dass im Schnitt schon 3,57 Personen ausreichen.
Dabei scheint die Anzahl der Kontakte sogar zu schrumpfen. Ein Jahr zuvor, als Facebook nur halb so viele Nutzer hatte, wie 2016, brauchte es noch 3,74 Kontakte, um sich mit jedem anderen Nutzer zu verbinden.
Die Sozialen Medien scheinen also dafür verantwortlich zu sein, dass unsere Welt stetig enger zusammenrückt. Und dabei spielt auch die Psychologie eine nicht unerhebliche Rolle.
Das Phänomen in der Psychologie
Die Psychologieprofessorin Judith Kleinfeld, die an der University of Alaska lehrt, hat sich ebenfalls das Kleine-Welt-Phänomen einmal genauer angesehen und kommt zu dem Ergebnis, dass auch unser Wunsch nach Überschaubarkeit und Zugehörigkeit eine große Rolle bei dem beschriebenen Phänomen spielt.
Uns faszinieren die Geschichten von Personen, die sich ganz zufällig nach vielen Jahren, in denen sie nichts voneinander gehört haben, durch einen gemeinsamen Bekannten wieder treffen. Das, so Kleinfeld, gibt uns ein Gefühl der Übersichtlichkeit. Und das ist gerade in unserer schnelllebigen Welt, in der sich das Individuum schnell verloren vorkommen kann, überaus wichtig.
Das Kleine-Welt-Phänomen im Recruiting neuer Mitarbeiter
Das Kleine-Welt-Phänomen scheint also einige Vorteile zu haben. Warum diese nicht für das eigene Unternehmen nutzen? Diese Frage sollten sich Personalverantwortliche und Führungskräfte stellen. Ein Unternehmen ist eben nur so gut, wie seine Mitarbeiter und die passenden und vor allem auch motivierten Mitarbeiter zu finden, ist heute gar nicht mehr so einfach. Stichwort: Fachkräftemangel.
Schon länger setzen Unternehmen bei der Mitarbeitersuche auf Empfehlungen der eigenen Mitarbeiter. Sieht man sich die Erkenntnisse an, die die verschiedenen Untersuchungen des Kleine-Welt-Phänomens zeigen, tun sie das auch vollkommen zu recht.
Denn Sie sind nicht nur über fünf, sechs oder sieben Ecken mit den Dalai Lama bekannt, sondern können Ihren Wunschkandidaten ebenso schnell erreichen.
Sehen wir uns dazu die Zahlen an. Das soziale Gefüge spielt für die beruflichen Aussichten eine große Rolle. In Deutschland finden mehr als 40 Prozent der Arbeitnehmer einen neuen Job über Empfehlungen oder persönliche Kontakte.
Vor allem, wenn es um Positionen mit Führungsverantwortung geht, ist eine persönliche Empfehlung wichtig. Fast 70 Prozent der Führungspositionen werden in Deutschland besetzt, nachdem ein Mitarbeiter eine Empfehlung für die Person ausgesprochen hat. Grund genug, sowohl für Mitarbeiter als auch für Recruiter, die persönlichen Kontakte zu aktivieren.
Wie können Unternehmen das Kleine-Welt-Phänomen nutzen?
Kontakte und Netzwerke können also eine enorme Macht entfalten – auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern. Damit Sie diese Geheimwaffe auch in Ihrem Unternehmen nutzen können, müssen Sie allerdings die richtigen Voraussetzungen schaffen.
Und das geht so:
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Zufriedene Mitarbeiter
Zunächst einmal müssen die bestehenden Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber zufrieden sein. Wohl kaum jemand wird einem Freund oder guten Bekannten eine Firma empfehlen, mit der er selbst unzufrieden ist. Daher startet ein erfolgreiches Recruiting bei den eigenen Mitarbeitern.
Wie Sie die Zufriedenheit der Beschäftigten in Ihrem Unternehmen steigern können, können Sie in unserem Artikel zum Thema Mitarbeiterzufriedenheit nachlesen.
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Empfehlungsprogramme
Natürlich kann es vorkommen, dass ein Mitarbeiter einen Bekannten aus der gleichen Branche ganz ohne Aufforderung empfiehlt. Die Chancen für ein erfolgreiches Mitarbeiterrecruiting steigen aber, wenn die eigenen Mitarbeiter über das Empfehlungsprogramm Bescheid wissen.
Dazu gehört, dass es ganz offen in der Firma kommuniziert wird und jedem neuen Mitarbeiter mit seiner Unterschrift unter den Arbeitsvertrag mitgeteilt wird.
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Unbürokratische Abwicklung
Ein Mitarbeiter hat einen anderen erfolgreich empfohlen? Dann haben Sie mit dem Empfehlungsprogramm erreicht, was Sie erreichen wollten. Damit es nun auch weiterhin läuft, sollten Sie keine Fehler machen.
Entlohnen Sie den Mitarbeiter so schnell wie möglich für die tolle Empfehlung. Das bedeutet auch, dass nicht noch umständlich irgendwelche Anträge ausgefüllt oder Fragebögen beantwortet werden müssen. Wenn Sie nach der erfolgreichen Einstellung unbürokratisch handeln, wird Ihnen das Ihr Mitarbeiter danken – und das übrigens auch weitererzählen.
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Soziale Medien
Damit die frohe Botschaft nach draußen gelangen kann, sollten Mitarbeiter die entsprechenden Kanäle nutzen dürfen. Das bedeutet, dass Sie Facebook, Twitter, Instagram und Snapchat nicht vollkommen verbieten sollten.
Vielleicht gibt es ja die Möglichkeit in Ihrem Unternehmen, den Mitarbeitern jeden Tag ein paar Minuten einzuräumen, in denen sie in den Sozialen Medien aktiv werden und die entsprechenden Inhalte teilen dürfen?
Das ist übrigens eine Form eines innovativen Employer Branding und kann Ihnen ebenfalls positive Aufmerksamkeit verschaffen.
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