Definition: Worin unterscheiden sich Spezialist und Generalist?
Spezialist oder Generalist – da scheiden sich die Geister. Für die einen ist der Generalist der Alleskönner, synonym wird auch gerne vom Allrounder oder Multitalent gesprochen.
Gemeint sind Menschen, die eine enorme Wissensbreite bei vielen Themen haben und daher auch vielfältige Aufgaben in unterschiedlichen Bereichen übernehmen können. Allerdings gehen die Kenntnisse des Generalisten nirgends so wirklich in die Tiefe. Weniger wohlwollend sehen manche in ihm eher einen Nichtskönner.
Dem Generalisten gegenüber steht der Spezialist. Wie die Bezeichnung vermuten lässt, hat dieser sich auf einen bestimmten Bereich spezialisiert und kennt sämtliche Details.
Er gilt daher schnell als Fachmann, als Experte für seinen Bereich. Hier kritisieren manche wiederum, dass so ein Experte eher ein Fachidiot sei – in seinem Bereich ganz gut, aber darüber hinaus für nichts zu gebrauchen.
Studie zeigt: Generalisten werden bevorzugt
Aufsehen erregte vor wenigen Jahren eine Studie, die unter dem Namen „Generalisten-Verzerrung“ bekannt wurde. Die beiden Wissenschaftler Keith Murnighan und Long Wang von der Northwestern Universität beziehungsweise Universität von Hong Kong wiesen in mehreren Experimenten nach, dass Stellenangebote und die endgültige Besetzung der Stelle nicht übereinstimmten.
Konkret ging es darum, dass die Teilnehmer einen Bewerber für den Posten als Personalmanager auswählen sollten. Hauptkriterium dabei: Fünf Jahre Berufserfahrung mit Vergütungssystemen. Genommen wurde letztlich aber nicht der Kandidat, der als Spezialist genau auf die Stelle gepasst hätte, sondern ein Generalist.
Auch in anderen Versuchen kämen ähnliche Ergebnisse heraus. Bei genauerer Betrachtung stellten die beiden Forscher fest, dass die Teilnehmer sich in allen Fällen vom umfangreichen Lebenslauf der Generalisten über deren mangelnde Qualifikation hatten hinweg täuschen lassen.
Vor- und Nachteile von Spezialisten und Generalisten
Vorteile des Spezialisten
- Marktwert
Als Spezialist decken Sie eine Nische ab. Das rechnet sich vor allem dann, wenn Sie ein gefragter Experte in einer boomenden Branche sind. Sie sind dann – wie derzeit viele Ingenieure – in der glücklichen Position, sich den Arbeitgeber aussuchen zu können. Das schlägt sich natürlich auch im Gehalt nieder. - Konkurrenz
Sie genießen im Unternehmen schnell Expertenstatus, da Sie als Spezialist wenig Konkurrenz haben werden. - Klarheit
Position und Aufgaben von Spezialisten sind meist klar umrissen – sie kommen eben nur dafür infrage. Sie für andere Tätigkeiten einzusetzen, wäre Perlen vor die Säue zu werfen.
Nachteile des Spezialisten
- Schweinezyklus
Klingt ein Hype ab, stehen diejenigen, die sich zuvor auf genau diese Sache spezialisiert haben, schnell auf der Straße. Ein Risiko bei der Spezialisierung ist beispielsweise der sogenannte Schweinezyklus: In regelmäßigen Abständen kommt es zu einem Überangebot an Fachkräften bei gesättigtem Markt. Wer die Zeichen nicht rechtzeitig erkennt, steht hochspezialisiert bei der Arbeitsagentur. - Aktualität
Um Ihren Expertenstatus halten zu können, müssen Sie sich ständig fortbilden, die neusten Trends und Entwicklungen in Ihrem Bereich mitkriegen und vor allem anwenden können. - Jobwechsel
Mit der Spezialisierung geht eine Festlegung einher: Meist entwickeln sich Arbeitnehmer in der für sie zugeschnittenen Position. Selbst wenn der Arbeitsmarkt gut ist, kann es Gründe geben, warum Sie den Jobwechsel in eine andere Branche oder Tätigkeit in Erwägung ziehen. Genau das wird allerdings deutlich schwer, denn für gewöhnlich können Spezialisten nur Erfahrungen auf einem Gebiet vorweisen.
Vorteile des Generalisten
- Überblick
Generalisten sagt man gerne den Überblick über das große Ganze nach. Sie sind für den Einsatz übergeordneter Tätigkeiten geeignet, da sie zu vernetztem Wissen neigen. Deshalb beherrschen sie ihren Aufgabenbereiche gut, obwohl Ihnen das Detailwissen fehlt, das Spezialisten haben. - Abwechslung
Generalisten sind oft vielfältig interessiert und legen sich nur ungerne fest. Ihre generalistischen Fähigkeiten lassen sich auf viele Aufgabenbereiche übertragen, so dass Abwechslung bei den Tätigkeiten gewährleistet ist. - Flexibilität
Dadurch, dass Sie insgesamt breiter aufgestellt sind, sind Sie flexibel einsetzbar. Das gilt sowohl innerhalb des Unternehmens, aber auch im Falle eines Jobwechsels. Dazu kommt, dass Sie durch berufliche Weiterbildung in Ihrem Bereich aufsatteln und so den Status eines Spezialisten erlangen können.
Nachteile des Generalisten
- Konkurrenz
Sie haben kein Alleinstellungsmerkmal – klassischerweise rekrutieren sich Generalisten aus den Geisteswissenschaften. Erfahrungsgemäß sind hier die meisten Studierenden, das heißt, Sie konkurrieren mit sehr vielen anderen, was sich negativ auf Ihr Gehalt auswirkt. - Unschärfe
Als Generalist haben Sie kein klareres Profil, das erschwert Ihnen häufig die Bewerbung, da viele Arbeitgeber sehr klar umrissene Stellenausschreibungen haben. - Zeitfaktor
Während ein Spezialist sich schnell den Ruf eines Experten erarbeiten kann, dauert das bei einem Generalisten deutlich länger. Grund dafür ist auch hier das unklare Berufsbild.
Gibt es eine Ausbildung zum Generalist oder Spezialist?
Sowohl Spezialist als auch Generalist ist kein erlernbarer Beruf, dennoch taucht der Zusatz immer wieder in Jobtiteln auf, zum Beispiel:
Für Spezialisten
- Marketing-Spezialist
- Spezialist Bilanzierung
- E-Learning-Spezialist
- Spezialist Strategische Entwicklung
- Spezialist IT Support
Für Generalisten
- Human Resources Generalist
- HR Generalist und Recruiter
- HR Generalist / Personalreferent
- Systemadministrator/IT-Generalist
- HR-Fachspezialist / Generalist
Sämtliche Jobbezeichnungen sind aktuellen Stellenanzeigen unserer Jobbörse entnommen.
Besonders interessant: Dafür, dass beide so unvereinbar erscheinen, gibt es offenbar Arbeitgeber, die sich wenig daran stören. Das letztgenannte Stellenangebot schließt keins von beidem aus.
Der Eindruck der mangelnden Vereinbarkeit kommt nicht von ungefähr. Beim Blick in die Arbeitswelt stehen sich häufig Geisteswissenschaftler und Sozialwissenschaftler auf der einen, Naturwissenschaftler und Techniker auf der anderen Seite gegenüber.
Berufe lassen sich in drei Kategorien einteilen:
- Berufe mit klarem Berufsbild: Das sind solche, deren Ausbildung/Studium zu einem klar umrissenen Job führt. Wer beispielsweise Medizin studiert, wird üblicherweise Arzt – das ist zumindest die naheliegende Verwendung, auch wenn ein Mediziner ebenso gut Medizinjournalist werden könnte.
- Berufe mit Berufsfeld: Dazu gehören beispielsweise Fächer wie Betriebswirtschaftslehre. Die Branchen können völlig unterschiedlich sein, die Aufgaben ähneln sich dennoch.
- Berufe für Generalisten: Besonders Geistes- und Sozialwissenschaften sind generalistisch angelegt. Die Branchen sind ebenfalls völlig unterschiedlich, allerdings wird ein Generalist nie einen Beruf mit klarem Berufsbild ausüben können, sofern er nicht qua Ausbildung/Studium dafür qualifiziert ist. Ähnliches gilt für das Berufsfeld.
Natürlich kann auch ein Geisteswissenschaftler sich spezialisiert haben, beispielsweise auf indische Dialekte im 16. Jahrhundert. Auf dem Arbeitsmarkt wird so eine Spezialisierung allerdings wenig Erfolg haben. Akademiker, die nicht in der Lehre oder in der Forschung unterkommen, müssen sich bei der Berufswahl breiter aufstellen.
Gefragt sind hier Kompetenzen, die dem Arbeitgeber einen wirtschaftlichen Nutzwert versprechen – so etwa, wenn der potenzielle Arbeitgeber Handelspartner in Indien hat und der spezialisierte Generalist in unserem Beispiel auch moderne indische Sprachen beherrscht.
Berufliche Aussichten für Spezialisten und Generalisten
Um es vorweg zu nehmen, die Frage, ob Sie als Spezialist oder Generalist bessere Karriereaussichten haben, lässt sich nicht pauschal beantworten. Zu stark ist dies einerseits von Ihrer Ausbildung und Qualifizierung, ebenso von Ihrer Lernbereitschaft abhängig.
Auf der anderen Seite sind es die Unternehmen selbst, die völlig unterschiedliche Anforderungen haben. Ein Beispiel: Je größer das Unternehmen, desto stärker fallen die Spezialisierungsgrade aus. Umgekehrt: Wer in einem kleinen Familienbetrieb arbeitet, ist ganz automatisch für mehrere Aufgaben zuständig.
Grob lässt sich sagen, dass Großkonzerne sich für Spezialisten eignen, hingegen kleine und mittlere Unternehmen für Generalisten. Das sagt aber weder etwas darüber aus, welche Positionen Sie später bekleiden werden, noch über die persönliche Zufriedenheit.
Mit Blick auf die derzeitige Arbeitswelt geht es auch immer weniger um ein „Entweder-oder“, vielmehr um ein „Auch“. Häufig werden nämlich Generalisten mit Spezialisierung in einem oder zwei Bereichen gesucht. Und wer als Spezialist nicht bereit ist, sich neue Gebiete zu erschließen, wird es schwer haben in einer Arbeitswelt, in der eine immer stärkere Flexibilität gefragt ist.
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