Was sind Kränkungen im Job?
Kränkungen sind Angriffe auf das Selbstwertgefühl einer Person. Was jemand als Kränkung – synonym auch Verunglimpfung, Erniedrigung oder Herabsetzung – empfindet, ist individuell unterschiedlich. Für den einen kann es ein anzüglicher Blick, eine dumme Bemerkung sein. Ein anderer empfindet die ungerechte Behandlung durch seinen Vorgesetzten als Demütigung.
Beide vereint das intensive Gefühl, dass sie unfair behandelt werden. Geschehen die Kränkungen im Job, fühlt sich jemand umso stärker gekränkt, je bedeutsamer die Arbeit für den Betroffenen ist.
Ursachen: Wie entstehen Kränkungen am Arbeitsplatz?
Lässt man absichtlich verletzende Gemeinheiten beiseite, bedarf es bestimmter Voraussetzungen für eine Kränkung. Sie geschieht im Inneren des Gekränkten und ist mit seiner Persönlichkeit verknüpft:
- Es existiert ein wunder Punkt
- Andere tragen die Schuld für das eigene Erleben
- Die Verantwortung für die eigenen Gefühle lehnt der Betroffene ab
- Häufig nimmt er Dinge persönlich
Der Organisationspsychologin Bärbel Wardetzki zufolge steigt zudem das Risiko von Konflikten durch Kränkungen im Job. Grund dafür seien prekäre Beschäftigungsverhältnisse, etwa befristete Arbeitsverträge und geringere Jobsicherheit.
So kann ein auslaufender Arbeitsvertrag leicht als Zurückweisung verstanden werden. Auch wenn ein Unternehmen infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen Mitarbeiter bei der Beförderung übergeht oder es Arbeitsplätze streicht, fördert das Kränkungen im Job.
Umgang mit Kränkungen am Arbeitsplatz
Der lösungsorientierte Umgang mit Kränkungen ist ein echter Erfolgsfaktor. Wer sich nicht sofort wie eine beleidigte Leberwurst zurückzieht, bleibt handlungsfähig. Natürlich beherrscht nicht jeder die hohe Kunst der konstruktiven Kritik. Und manch einer macht auch einfach nur ungerechtfertigt seinem Frust Luft.
Aber nicht jeder mit anderer Meinung ist automatisch im Unrecht. Wer vermeiden will, sich selbst ins Aus zu stellen und von sozialen Kontakten abzuschneiden, sollte folgende Tipps beherzigen:
Zuhören
Das Wichtigste: Lernen Sie zuzuhören. Lassen Sie Ihr Gegenüber ausreden und seine Kritik vortragen. Bleiben Sie ruhig. Zählen Sie innerlich bis zehn.
Nachfragen
Wenn Sie Fragen haben, nachdem Ihr Gegenüber zu Ende geredet hat, formulieren Sie so: „Ich habe diesen und jenen Punkt (ausführen) nicht verstanden. Könntest Du bitte erklären, woran Du das festmachst? Könntest Du das mit anderen Worten erklären?“ Das hat zweierlei Vorteile: Zum einen signalisieren Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie die Kritik ernst nehmen und sich damit beschäftigen wollen – das ist gleichzeitig ein Zeichen der Wertschätzung Ihrerseits. Zweitens haben Sie so Zeit, das Gesagte aufzunehmen.
Reflektieren
Es geht nicht darum, sofort zurückzuschießen und zum Rundumschlag auszuholen. Gibt es Vorwürfe zu konkreten Situationen, die Sie anders in Erinnerung haben, bei denen der Sachverhalt anders liegt, können Sie das benennen. Beispielsweise können Ihrem Gesprächspartner Informationen fehlen, die ihm dabei helfen, Dinge anders einzuordnen. Genauso gut kann es allerdings sein, dass ein- und dieselbe Situation anders empfunden wird. In diesem Fall sollte die Kritik angenommen und darüber nachgedacht werden. Versuchen Sie die Perspektive der anderen Person einzunehmen. Hätten Sie an ihrer Stelle womöglich auch so empfunden?
Distanzieren
Lernen Sie, nicht jede Kritik persönlich zu nehmen. Auch andere haben mal einen schlechten Tag. Das bedeutet nicht, dass die ohne Rücksicht auf Verluste alles sagen dürfen, was ihnen gerade in den Kopf kommt. Aber umgekehrt muss nicht immer jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden. Entscheiden Sie im konkreten Fall: Ist es das wert, jetzt in eine Diskussion einzusteigen? Denn das verbraucht letztlich viel Energie, die Sie an anderer Stelle gebrauchen können.
Kränkung verzeihen
Aus den oben genannten Gründen können Sie sich auch bewusst entscheiden, die Kränkung zu verzeihen. Vor allem, wenn es sich um eine einmalige Lappalie handelt, kann das der sinnvollere Weg sein. Tipps zum Verzeihen:
Feststellen
Kränkungen im Job können sich viel leichter ihren Weg zu jemanden bahnen, der bereits ein angeknackstes Selbstwertgefühl hat. Meist kreisen diese Menschen vor allem um ihre Schwächen. Das ist kontraproduktiv. Besinnen Sie sich daher auf Ihre Stärken. Was fällt Ihnen leicht? Worin sind Sie gut? Was macht Ihnen Spaß? Wer sich seiner Fähigkeiten und Qualitäten bewusst ist, strahlt automatisch eine gewisse Selbstsicherheit aus, die auf andere anziehend wirkt.
Kommen Sie an einem Punkt nicht weiter, sollten Sie in einem ruhigen Moment den Kollegen auf die bestimmte Situation ansprechen. Klären Sie sachlich, dass eine bestimmte Äußerung nicht fair war, beispielsweise, weil er pauschal etwas diskreditiert hat oder Ähnliches. Kommt dies wiederholt vor, kann ein neutraler Dritter möglicherweise vermitteln, der die Perspektive beider Beteiligten einnimmt.
Auswirkungen auf die Arbeit
Sensible Gemüter sollten nicht nur sich selbst zuliebe an ihrer Kränkbarkeit arbeiten. Auch für Unternehmen können Kränkungen im Job zum echten Problem werden. Dann nämlich, wenn vermeintlich unbedachte Bemerkungen ausgrenzenden Charakter haben und in Mobbing enden.
Wer dauerhaft Kränkungen im Job erlebt, ist weniger motiviert, bis letztlich die Arbeitsfähigkeit nachlässt. Schreiten Vorgesetzte nicht rechtzeitig ein, missachten sie ihre Fürsorgepflicht. Schmähungen wirken sich negativ auf die Arbeitsatmosphäre und letztlich auf die Leistungen aus.
Gekränkte übernehmen die Opferrolle
Häufig wollen die Gekränkten den Kontakt zu denen meiden, die sie für ihre Misere verantwortlich machen. Das ist auf der Arbeit nur bedingt möglich und mündet leicht in einer regelrechten Kränkungsspirale: Die Gekränkten fühlen sich missverstanden und alleingelassen. Manche Menschen fallen in eine Opferrolle. Selbstmitleid ist das vorherrschende Gefühl, die notwendige Selbstreflexion bleibt aus. Stattdessen machen sie andere für die eigene Gefühlslage verantwortlich: Mir geht es schlecht, weil andere gemein/unfair/ungerecht sind.
Kränkungen eskalieren leicht
Gekränkte denken oft in Täter-Opfer-Kategorien, in denen eine Partei der anderen die Schuld für das eigene (in diesem Fall: schlechte) Befinden zuschiebt. So schaukeln sich Konflikte jedoch eher hoch, denn die andere Partei sieht sich ebenfalls im Recht. Die Schuldfrage löst das Problem jedoch nicht. Wer Kränkungen verarbeiten und zukünftige vermeiden will, sollte zweierlei verinnerlichen:
- Erkennen Sie, dass jeder selbst für seine Gefühlslage verantwortlich ist.
- Gehen Sie Ihrerseits wertschätzend mit anderen Menschen um.
Was verrät Empörung und warum schadet sie?
Empören Sie sich auch manchmal öffentlich – zum Beispiel im Internet und in den Kommentarspalten? Lassen Sie es besser, denn Empörung schadet. Fast ausnahmslos!
Empörung ist ein sogenanntes „sekundäres Gefühl“. Bedeutet: Mit diesem Gefühl versuchen wir das (wahre) primäre Gefühl zu unterdrücken. Wer also beispielsweise (primär) traurig ist, ist dann nach außen aggressiv oder zornig (sekundär). Und das nur, weil er oder sie einfach nicht verletzt sein will. Doch diese Form der Verarbeitung und Bewältigung von Gefühlen ist schädlich. Sie destabilisiert unsere Psyche und Selbststeuerung, begünstigt eskalierende Konflikte, Rückzug und Einsamkeit.
Bei der Empörung ist es ähnlich. Um sich zu empören, muss man zunächst eine Art moralischen Kompass haben – also eine klare Vorstellung davon, was korrekt ist und was nicht. Dann muss es jemanden geben, der gegen diese (eigenen) Regeln verstößt. Die Rollen sind dabei klar verteilt: Der sich Empörende ist der oder die Rechtschaffene – der oder die Verursacherin missachtet dagegen die (uns wichtigen) Regeln und Werte.
Die Folge: Wir sind zunächst gekränkt. Weil das aber schwach wirken könnte, gibt es den Heldennotausgang: die Empörung. Sie dient damit also zunächst der Selbststabilisierung. Und sie erhebt – in eine Position der moralischen Überlegenheit. Aus der anfänglichen Not wird so eine Tugend. Und aus Kränkung Überheblichkeit.
Und genau das macht die Empörung so gefährlich und schädlich: Sie macht blind für andere Sichtweisen und Standpunkte und lässt die eigenen alternativlos erscheinen. In einer Welt, in der es allerdings viele mögliche und ebenso zulässige Meinungen (oder Gegenmeinungen) gibt, findet sich der Empörte kaum noch zurecht. Sein Selbstbild bleibt fragil. Und nach außen permanent erregt. Das aber macht ziemlich einsam.
Kränkungen durch den Chef: Berechtigte oder unberechtigte Kritik?
Kanzelt der Chef seinen Mitarbeiter vor versammelter Belegschaft ab, sitzt der Schock häufig tief. Der Gesichtsverlust in aller Öffentlichkeit verstärkt das Gefühl der Kränkung, denn die Person wird in dem Moment überrascht, fühlt sich hilflos. Angst, Wut, Scham und Trauer sind die Folge. Oft lassen Betroffene diese Gefühle nicht zu. Stattdessen empfinden diejenigen Ohnmacht, Empörung oder Rachegedanken, so Wardetzki.
Bei der öffentlichen Demontage nutzen Vorgesetzte ihre Macht aus. Sie erniedrigen andere, um sich selbst zu überhöhen. Souveränität sieht anders aus – es gibt eben auch in der Hierarchie höher Stehende, die ein zu geringes Selbstwertgefühl haben. Und manche vertreten die Auffassung, dass man Kritik vor anderen aushalten können müsse, sofern sie berechtigt sei.
Öffentliches Loben, aber bei Misserfolgen und Fehlern eben auch öffentliches Tadeln. Wertschätzender – und in dem Fall: gesichtswahrender – Umgang wird mit Harmoniesucht gleichgesetzt. Inhaltlich berechtigt oder nicht: Bekanntlich macht der Ton die Musik. Im Gegensatz zu früher reicht eine hohe Position nicht, um automatisch als Führungspersönlichkeit zu gelten.
Erniedrigung am Arbeitsplatz: Das können Sie tun
Ausraster in aller Öffentlichkeit, Herumschreien, Beleidigungen ausstoßen – all das ist keine angemessene Art, auch nicht bei faktischen Fehlern. Es sind eher Merkmale des autoritären Führungsstils und Zeichen dafür, dass jemand seine Emotionen nicht angemessen unter Kontrolle hat.
Heutzutage ist jedoch Sozialkompetenz gefragt. Das heißt, sich in andere hineindenken zu können, seine Emotionen im Griff zu haben – auch wenn man wütend ist. Was tun, wenn Ihr Vorgesetzter das nicht kann?
1. Thematisieren
Wer genügend Mut besitzt, spricht das Verhalten unmittelbar (nach der Tirade) an, ebenfalls öffentlich. Benennen Sie die Kränkungen, beispielsweise: „Es ärgert mich, dass Sie das so sehen, denn ich habe nachweislich bereits vor Wochen darauf hingewiesen, dass wir das mit der gegenwärtigen personellen Besetzung nicht schaffen werden.“
2. Besprechen
Für weniger Mutige oder wenn das Thema einfach zu persönlich ist, empfiehlt sich ein Gespräch unter vier Augen: „Es war mir unangenehm, so vor den anderen von Ihnen angegriffen zu werden. Ich habe mich bloßgestellt gefühlt. Ich würde mir wünschen, das nächste Mal unter vier Augen auf meinen Fehler hingewiesen zu werden, da ein Verhalten wie das gestrige wenig wertschätzend ist.“
3. Abgrenzen
Für Fortgeschrittene empfiehlt sich: Aufstehen, Krone richten, weitermachen. Gelassenheit üben. Sofern diese Ausraster nicht häufiger (und möglicherweise ausschließlich bei Ihnen?) vorkommen. Denn dann könnte der Eindruck entstehen, dass Sie nur nicht das Rückgrat haben Ihrem Chef zu sagen, dass er kein Recht darauf hat, Sie respektlos zu behandeln. Wenn ein Gespräch nichts bewirkt und die Kränkungen im Job massiv zunehmen, hilft nur noch ein Jobwechsel.
Was andere Leser dazu gelesen haben
- Erlernte Hilflosigkeit: Wie Sie diese überwinden
- Ärger im Job: Wer nervt? Wer hilft?
- Streitkultur: Beispiele für schlechte + 7 Tipps für eine gute Diskussion
- Nachtragend sein: Darum lohnt es sich nicht
- Kontrollverlust fördert Illusionen