Angeber: Große Klappe – nichts dahinter
Man sieht das zur Genüge in den Kommentaren auf Facebook oder Xing (auf Twitter oder Linkedin bemerkenswerterweise seltener) – egal, welche Tipps und Anregungen jemand gibt: Es gibt immer irgendwen, der ins Forum schreibt…
- Steht nichts Neues drin.
- Längst bekannt!
- Uraaaalt! Weiß man doch.
- Gott wie einfach.
Neben dem offensichtlichen Mitteilungsbedürfnis und der relativen Nutzlosigkeit solcher Kommentare für Mitleser offenbaren die unverlangt eingesandten Bekenntnisse vor allem zweierlei:
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Eine latente Profilneurose
Die Mitteilung über den eigenen Wissensvorsprung dient in erster Linie der Selbsterhöhung. Die Botschaft im Subtext lautet: „Seht her, ich wusste das schon vorher!“ Gleichzeitig deklassiert sie natürlich alle anderen als gestrige Spätzünder („Hast du es etwa nicht gewusst, Depp?!“) – eine schallende Ohrfeige für jeden Ratsuchenden. Nebenbei transportiert die eitle Aussage eine typische Dominanzgeste: „Ich kann (als einzige(r)) beurteilen, was neu ist und was alt. Also stehe ich über den Dingen.“ Damit aber ist die Eigen-Aufwertung nichts anderes als ein Indiz für eine veritable Profilneurose.
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Ausgeprägten Geltungsdrang
Hinter der Aussage verbirgt sich zugleich eine verstellte Form der Arroganz und der anmaßenden Autorität. Sie offenbart, wie wichtig sich jemand nimmt, insbesondere wie sehr er oder sie sich zum Maßstab macht. Wer sagt denn, dass das Kommentierte exklusiv an diese Person adressiert war und allen anderen gefälligst bekannt sein muss? Was der Ausdruck von Überheblichkeit indes ignoriert, ist, dass wir alle Lernende sind und niemand alles weiß oder kann. Statt das eigene Wissen aber zu teilen, geht es dem Angeber nur darum einen Standard festzulegen – den eigenen, überlegenen.
Zugegeben, das ist im Grunde nur viel Lärm um nichts. Wie ein Gorilla, der sich auf die Brust trommelt, um sein Revier zu markieren. Oder wie Heinz Erhardt es einmal so schön formuliert hat:
Manche Menschen wollen glänzen, obwohl sie keinen Schimmer haben.
Trotzdem bleibt die Frage nach dem Warum hinter all der Prahlerei und Angeberei:
Warum entwickeln manche überhaupt das Bedürfnis, Ihre Zeit damit zu verbringen, Menschen, die sie nicht einmal kennen und die keinerlei Bedeutung für ihr Leben haben, mitzuteilen, wie schlau sie sind, über welches Herrschaftswissen sie verfügen und was sie alles können – wohlgemerkt: ungefragt und im Effekt auch irrelevant.
Was hat Erna Kasuppke davon, zu wissen, dass Hugo Hundersassa nichts Neues erfuhr? Und wer weiß schon, ob das überhaupt stimmt? Eben.
Prahlen Psychologie: Eine Form der Positionierung
Entsprechend lässt sich das psychologische Phänomen häufig auf eine einfache Formel reduzieren: Wer prahlt, hat es nötig.
Gesucht wird oft die Anerkennung, die Bedeutung und der Status in der Gruppe. Tatsächlich ist Angeberei zunächst nichts anderes als eine Form des Selbstmarketings und der Positionierung. Zuweilen allerdings auch eine degenerierte bis zwanghafte.
Wer (fremde) Menschen durch sein Wissen, sein Können, sein Geld, seinen Besitz oder Statussymbole beeindrucken oder gar dominieren will, verrät eine labile Persönlichkeit und ein ausgeprägtes Defizit. Oft soll das Prahlen vorhandene Minderwertigkeitskomplexe überdecken und ein angeknackstes Selbstwertgefühl durch den provozierten Applaus stärken.
Doch geht der Schuss fast immer nach hinten los: Wer prahlt, stellt sich nur selbst ein Armutszeugnis aus. Nicht zuletzt, weil die Masche viel zu durchschaubar bleibt.
Bis heute ist sich die Forschung uneinig, ob die Ursache dafür angeboren oder anerzogen ist. Unbestritten aber ist der große Einfluss der Kindheit und der Mangel an Liebe und Aufmerksamkeit in derselben.
Bescheidene Prahlerei: „Oh weh, ich bin ja toll!“
Nicht alle prahlen so offenkundig, dass es gleich als plumpes Angeben zu erkennen wäre. Es gibt auch die subtilere Variante der sogenannten bescheidenen Prahlerei, Motto: „Hach, immer wieder werde mit einem Model verwechselt…“ Oder: „Ständig diese vielen Kundenanfragen…“ Hinter der gespielten Entrüstung und dem aufgesetzten Leid verbirgt sich freilich auch nichts anderes als die Aussage: „Guck mal, wie gut ich aussehe!“ beziehungsweise: „Schau her, wie gefragt ich bin!“ Nur eben nicht ganz so platt.
Forscher der Harvard-Universität um Ovul Sezer, Francesca Gino und Michael I. Norton haben diese Form des Prahlens kürzlich genauer untersucht und festgestellt: Die ständige Selbstpräsentation ist zwar heute ein wesentlicher Teil des (virtuellen) Soziallebens. Aber gerade die vorgetäuschte Bescheidenheit wird von den meisten durchschaut und als unauthentisch geächtet. Bei entsprechenden Experimenten kassierten die „bescheidenen“ Prahler die geringsten Sympathiewerte.
Oder anders formuliert: Wenn Sie schon angeben müssen, dann tun Sie es richtig.
So wie der Chemie-Nobelpreisträger Linus Pauling. Der Legende nach wurde der einmal vor Gericht gefragt, wer denn der beste zeitgenössische Chemiker sei. Seine kurze Antwort: „Ich natürlich!“ Als sich seine Kollegen später über das ungenierte Eigenlob beschwerten, sagte Pauling nur trocken: „Ich konnte nicht anders, ich stand schließlich unter Eid.“
Angeber: Woran Sie diese erkennen
Nicht nur in den Sozialen Netzwerken, sondern auch im Job haben wir es immer wieder mit Angebern, Schaumschlägern und Blendern zu tun. Den Mangel an Substanz machen sie meist durch Vehemenz und Lautsprecherei wieder wett. Zumindest vorübergehend.
Blöd, wer erst hinterher merkt, einem solchen Kollegen auf den Leim gegangen zu sein. Die folgenden Warnsignale können helfen, einen Angeber und Prahlhans frühzeitig zu erkennen, bevor er dem Team und der Arbeitsatmosphäre nachhaltig schaden kann:
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Es gibt kein Wir
Angeber lassen sich häufig schon an der Sprache identifizieren. Spricht ein Mitarbeiter immer nur in der Ich-Form und erwähnt seine Kollegen praktisch gar nicht, offenbart das nicht nur einen Einzelkämpfer, sondern jemanden, der Lob und Anerkennung gerne für sich allein beansprucht.
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Eine Einarbeitung ist unnötig
Wenn ein neuer Mitarbeiter zu Ihrer Abteilung stößt und eine Einarbeitung oder Ratschläge und Hinweise ignoriert, sollten Sie hellhörig werden. Auch der kompetenteste Fachmann braucht Zeit, um sich in einem neuem Umfeld und Team zu orientieren.
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Aufgaben werden gerne delegiert
Auch das ein Warnsignal: Wenn Kollegen (unliebsame) Aufgaben geschickt delegieren, verrät das den Gernegroß. Schließlich machen die nur Arbeit ohne Aufmerksamkeit. Prüfen Sie die Kompetenz solcher Kollegen trotzdem erst mal im Kleinen, bevor Sie ihnen anspruchsvolle Aufgaben übertragen, sonst droht womöglich eine Katastrophe (für die dann natürlich andere verantwortlich sind).
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Es gibt immer was anzumerken
Meinungsstarke Kollegen, die sich in jeder Diskussion zu Wort melden und sich immer wieder als Wortführer positionieren wollen, sind entweder enorm kompetent – oder klassische Luftpumpen und Angeber.
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Fehler existieren nicht
Schuld sind immer die anderen. Prahler und Angeber übernehmen praktisch nie die Verantwortung – es sei denn, alles läuft rund. Fehler machen alle anderen. Denn eigenes Versagen zuzugeben, würde dem mühsam aufgebauten Image schaden.
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Kritik wird überschätzt
Angeber sind nicht selten auch Narzissten. Entsprechend auffällig ist ihr Umgang mit Kritik: Kritik – auch sachliche – verstehen sie grundsätzlich als Angriff auf ihre Person, denn sie kratzt am Lack.
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Fehler der anderen gehören an den Pranger
Bei Fehlern von Kollegen sieht die Sache jedoch anders aus. Diese sind die perfekte Gelegenheit, sich selbst in Szene zu rücken und zu erhöhen. Wer andere an den Pranger stellt, erhebt sich zum Richter und lenkt zugleich von eigenen Defiziten ab. Das vergiftet allerdings die Atmosphäre in jedem Team.
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Nichts ist unmöglich
Das wohl offensichtlichste Warnsignal für einen Prahlhans: die Chuck-Norris-Attitüde. Alles ist kinderleicht, alles easy, null problemo. Selbstüberschätzung ist aber oft nur die Vorstufe zum Fall.
Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten, wie Sie mit solchen Typen umgehen: Entweder Sie nehmen die Luft aus der Pumpe und enttarnen den Blender als das was er oder sie ist: eine laute selbstgefällige Windmaschine (was sich die allerdings selten gefallen lässt – Wortgefechte und Racheaktionen sind also programmiert). Oder aber Sie ignorieren die arme Wurst und ihr Getöse.
In der Regel wird es sowieso bald schnell wieder still um sie.
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