Hierarchiefreie Kommunikation: Was bedeutet Hierarchie?
Um uns mit dem Konzept der hierarchiefreien Kommunikation beschäftigen zu können, müssen wir uns dem Begriff Hierarchie nähern und erläutern, was damit gemeint ist.
Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Hierarchie als ein…
System der Über- beziehungsweise Unterordnung zwischen organisatorischen Einheiten.
Je mehr von diesen organisatorischen Einheiten existieren, desto steiler ist die Hierarchie – umgekehrt: je weniger existieren, desto flacher. Ein Unternehmen bildet letztlich die Gesellschaft ab, dort existieren in vielen Zusammenhängen Hierarchien.
Das fängt mit dem Verhältnis zu Eltern an und geht in der Schule mit Lehrern weiter. Es existieren Hierarchien in Vereinen und im Berufsleben ist es ebenso: Überall gibt es eine gewisse Rangordnung, der der Einzelne untergeordnet ist. Beispiele für Organisationen mit starken Hierarchien sind das Militär und die Kirche.
Mit dieser Rangordnung einher geht die Weisungsbefugnis, das heißt, der Ranghöchste verfügt im Gegensatz zu Rangniederen über eine stärkere Entscheidungsgewalt.
Hierarchische Organisationen und Unternehmen sind wie eine Pyramide aufgebaut, an deren Spitze sich das Machtzentrum befindet. Diese Ordnung führt zu einer ungleichen Verteilung von Macht, Status und Privilegien.
Hierarchiefreie Kommunikation: Was bedeutet Kommunikation?
Kommunikation wird je nach Wissenschaftszweig unterschiedlich definiert. Mal ist Kommunikation Information, dann Verhalten oder Interaktion. Die Kommunikationswissenschaftlerin Claudia Mast bezeichnet Kommunikation als…
einen Prozess, in dem zwei oder mehrere Menschen sich gegenseitig wahrnehmen und Aussagen, Botschaften und Gefühle austauschen, indem sie sich verbaler und nonverbaler Mittel bedienen und gegebenenfalls Medien benützen.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht hingegen ist Kommunikation vorrangig ein Mittel zur Koordination. Häufig findet in Unternehmen eine Form der Organisationskommunikation statt, die von oben gesteuert wird und über bestimmte Kommunikationskanäle verläuft.
Diese Kommunikation ist offiziell und verbindlich und wird als formelle Mitarbeiterkommunikation gesehen. Hierarchiefreie Kommunikation hingegen ist eine Form der informellen Mitarbeiterkommunikation. Das bedeutet, dass hierarchiefreie Kommunikation…
- wechselseitig füreinander verläuft,
- unvermittelt wahrnehmbar,
- ungeplant,
- inoffiziell und
- nicht von oben gesteuert ist.
Hierarchiefreie Kommunikation hieße, diese althergebrachten Rangordnungen zumindest auf kommunikativer Ebene weitestgehend abzuschaffen. Genau das ist aber das Problem: Hierarchien sind historisch gewachsen und hängen eng mit den Werten und Normen einer Gesellschaft zusammen.
So etwas wie hierarchiefreie Kommunikation lässt sich also nicht mal eben implementieren oder gar verordnen, sondern ist ein Prozess.
Kommunikation in stark hierarchischen Unternehmen
Aus der akzeptierten Rangordnung ergibt sich eine Wertigkeit. Je höher jemand in der Hierarchie steht, desto angesehener ist diese Position. Das spiegelt sich in der Kommunikation wider: Historisch lässt sich das sehr schön in der Ansprache von Majestäten belegen, der sogenannte Pluralis Majestatis ist so ein Beispiel.
Hohe Würdenträger wie Adelige und Geistliche (beispielsweise auch Papst Benedikt) sprachen von sich selbst im Plural oder ließen sich so anreden. Ganz so ehrerbietig geht es in Unternehmen dem Chef gegenüber nicht zu.
Dennoch führt eine strenge Hierarchie üblicherweise dazu, dass Mitarbeiter in unteren Hierarchieebenen diejenigen Mitarbeiter der höchsten Hierarchieebene kaum zu Gesicht bekommen, geschweige denn mit ihnen kommunizieren können. Teilweise ist es auch nicht erwünscht.
Es gilt gewissermaßen den Dienstweg einzuhalten. Manche Manager in der höchsten Hierarchiestufe wollen nicht mit irgendwelchen Nichtigkeiten belästigt werden, teilweise fehlt ihnen aber auch schlicht die Zeit. Ergo, ist das mittlere Management dafür zuständig, sich um die Belange der Mitarbeiter zu kümmern.
Es gibt also keine hierarchiefreie Kommunikation. Das führt nicht selten dazu, dass Informationen versickern und erst gar nicht „ganz oben“ landen.
Es ist ein bisschen wie das Stille-Post-Prinzip. So etwas führt zu Frustration bei den Mitarbeitern der unteren Hierarchieebene, da diese sich mit ihren Sorgen und Problemen nicht gesehen und insgesamt nicht wertgeschätzt fühlen.
Bedeutung hierarchiefreier Kommunikation: Wozu das Ganze?
Diese hierarchische Struktur bedingt eine typische Kommunikation: Der Informationsfluss und der Entscheidungsweg gehen von oben nach unten. Dies wird als Top-Down-Strategie bezeichnet.
Wenn es nur wenig hierarchiefreie Kommunikation gibt, wovon in Unternehmen mit einer streng hierarchischen Organisationsstruktur auszugehen ist, hat das Konsequenzen:
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Stärkere Demotivation
Wenn Mitarbeiter immer wieder mit denselben Hürden im Arbeitsalltag zu kämpfen haben und ihre Belange kein Gehör finden, führt das dazu, dass irgendwann nur noch Dienst nach Vorschrift gemacht wird. So kann aber auf Dauer kein Unternehmen im Wettbewerb gegen die Konkurrenz überleben. Es ist abhängig davon, dass Mitarbeiter sich engagieren und mit kreativen Ideen einbringen. Nur so können Wettbewerbsvorteile ausgebaut werden.
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Geringere Personalbindung
Wer seine Mitarbeiter nicht motivieren kann, wird sie auf Dauer nicht halten können. Schon jetzt können sich manche High Potentials unter etlichen Unternehmen das aussuchen, in dem sie arbeiten wollen. Sie wechseln mühelos, wenn ihre Anforderungen nicht passen. Zu den zeitgemäßen Anforderungen gehören für viele Arbeitnehmer der Generation Y flache Hierarchien und damit hierarchiefreie Kommunikation.
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Höherer Fachkräftemangel
Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nicht halten können, weil sie nicht mit der Zeit gehen, schaffen es konsequenterweise auch nicht, andere Fachkräfte für sich zu interessieren. Wer den Anschluss an bestimmte Entwicklungen verpasst, wird es schwerer haben, sich am Markt durchzusetzen. Der Fachkräftemangel wird in den kommenden Jahren aufgrund der demographischen Entwicklungen eher zu- als abnehmen.
Digitalisierung macht hierarchische Kommunikation nötig
Dabei sind es längst nicht nur die veränderten Bedürfnisse der Mitarbeiter, die Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Es sind vielfältige Aspekte wie der globale Wettbewerb, ein immer höherer Grad der Spezialisierung, aber vor allem die Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen, die Unternehmen nach einer Antwort darauf suchen lassen.
Gefragt sind Flexibilität und Schnelligkeit, um auf diese Herausforderungen reagieren zu können. Das sind wesentliche Merkmale hierarchiefreier Kommunikation. Das heißt nicht, dass bisherige Erfordernisse komplett über den Haufen geworfen würden. Planung und Steuerung von Abläufen haben nach wie vor ihre Bedeutung. Aber sie stehen nicht mehr an vorderster Stelle.
Wer auf die Wünsche von Kunden reagieren und zeitnah maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen anbieten will, schafft dies nicht mithilfe von starren, hierarchischen Strukturen. Ehemals große Stärken wie klare Verantwortlichkeiten, Zuverlässigkeit und planbare Qualität stellen sich heutzutage als Schwächen dar, da solche Unternehmen deutlich langsamer reagieren als notwendig.
Es gibt schon etliche Bereiche, in denen hierarchiefreie Kommunikation eingesetzt wird, weil die Notwendigkeit erkannt wurde. Bestes Beispiel hierfür ist die Scrum-Methode im agilen Management.
Vor allem während der Sprints ist hierarchiefreie Kommunikation für Projektmitarbeiter ein Weg, schnell und unkompliziert – das heißt, ohne offizielle Kanäle wählen zu müssen – untereinander kommunizieren zu können.
Hierarchiefreie Kommunikation: Wie kann es funktionieren?
Hierarchiefreie Kommunikation bedeutet nicht, dass fortan sämtliche Hierarchien abgeschafft werden. Das ist vielleicht die größte Befürchtung derjenigen, die diesem Konzept eher skeptisch gegenüberstehen. Aber hierarchiefreie Kommunikation ist genau betrachtet erstens nichts Neues:
Denn Betriebsausflüge und Weihnachtsfeiern oder ähnliche Firmenanlässe sind ja auch immer eine klassische Gelegenheit für Unterhaltungen, bei denen nicht irgendwelche offziellen Kanäle beschritten werden müssten. Zweitens muss hierarchiefreie Kommunikation kein Entweder-oder bedeuten, sondern kann als Ergänzung zu bisherigen formellen Wegen betrachtet werden.
Einige Unternehmen greifen dafür beispielsweise zu dem Microsoft-Tool „Yammer“, das eine Art internes Facebook darstellt. Dieses interne soziale Netzwerk ist gerade für große Unternehmen geeignet, die an verschiedenen Standorten stehen.
Ein weiterer, wichtiger Ansatz ist die Einführung flacher Hierarchien in Unternehmen. Hier wird den Mitarbeitern generell ein größerer Handlungsspielraum zugestanden, der sich auf das Engagement und die Motivation positiv auswirken.
In dem Moment, in dem Mitarbeitern Wertschätzung entgegengebracht wird, steigt die Identifikation mit dem Unternehmen und der Wunsch, zum Erfolg beizutragen. Wenn alle „im selben Boot“ sitzen, baut das automatisch Hemmungen ab, Vorschläge können leichter unterbreitet werden.
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