Arbeitslos mit 55: Was nun?
Etwa jeder fünfte Arbeitssuchende in Deutschland ist über 55 Jahre alt. Werden Arbeitnehmer mit 55+ arbeitslos, heißt das jedoch erst einmal: Ruhe bewahren! In der ersten Zeit bekommen Sie in den meisten Fällen finanzielle Unterstützung:
-
Krankenkasse
Wer krank und arbeitsunfähig ist, für den ist zunächst die Krankenkasse zuständig. Die Krankenversicherung zahlt nach der 6-wöchigen Lohnfortzahlung des Arbeitgebers bis zu 72 Wochen Krankengeld. Handelt es sich um eine krankheitsbedingte Kündigung, sollten Sie zudem prüfen, ob diese zulässig war. Sie ist an strenge Voraussetzungen gebunden!
-
Arbeitsagentur
Wer innerhalb der vergangenen 24 Monate mindestens 12 Monate lang einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind, bekommt mindestens 6 Monate lang Arbeitslosengeld (ALG). Der Bezugszeitraum steigt sogar mit der Zahl der Beitragsjahre. Ältere Arbeitslose haben daher oft einen längeren ALG-Anspruch.
TIPP: Wer eine Kündigung erhält, sollte sich umgehend bei der Arbeitsagentur als arbeitssuchend melden, um keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu riskieren.
Wie lange gibt es Arbeitslosengeld mit 55?
Für Arbeitslose über 50 Jahre steigt die Anspruchsdauer für das Arbeitslosengeld mit den Monaten die sie zuvor sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren und mit dem Alter:
Beschäftigungsdauer |
Alter |
Höchstanspruch |
12 Monate | – | 6 Monate |
16 Monate | – | 8 Monate |
20 Monate | – | 10 Monate |
24 Monate | – | 12 Monate |
30 Monate | 50. | 15 Monate |
36 Monate | 55. | 18 Monate |
48 Monate | 58. | 24 Monate |
Ab dem 50. Lebensjahr haben Sie Anspruch auf eine längere Zahlung des Arbeitslosengeldes von 15 Monaten, sofern Sie in den letzten 5, mindestens aber 2,5 Jahren (30 Monate) beschäftigt waren. Der Höchstanspruch von 2 Jahren Arbeitslosengeld gilt für Arbeitslose, die 58 Jahre alt sind und mindestens 48 Monate Versicherungspflichtzeit nachweisen können.
TIPP: Stehen Sie kurz vor dem 55. oder 58. Geburtstag, kann es sich lohnen, den ALG-Antrag erst danach zu stellen. Durch die verzögerte Antragstellung erhalten Sie das ALG länger!
Rente statt Arbeitslosigkeit: Eine Option?
Wenn es mit der Jobsuche und Bewerbung überhaupt nicht klappt, kann die Frührente eine Option sein. Für die Jahrgänge ab 1967 liegt das reguläre Rentenalter bei 67 Jahren.
Wer früher in Rente geht, sollte sich bewusst sein, dass das bares Geld kostet: Dabei wird die Rente jeden Monat um 0,3 Prozent gekürzt. Bei einem vorgezogenen Renteneintritt um 4 Jahre, bekommen Betroffene insgesamt 14,4 Prozent weniger Rente. Diese Abschläge bleiben dauerhaft bestehen, auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze!
Um aus einer Arbeitslosigkeit heraus früher in Rente zu gehen, müssen Arbeitnehmer überdies mindestens 35 Beitragsjahre vorweisen. Das geht in der Regel frühestens mit 63 Jahren. Eine echte Option ist das deshalb nur in Notfällen. Arbeitslose mit 55 sollten sich das gut überlegen und ausrechnen, ob sie dauerhaft bis ans Lebensende mit der gekürzten Rente auskommen. Der Vorruhestand statt Arbeitslosigkeit kostet doppelt!
Förderprogramme für Arbeitslose ab 50
Weil eine Arbeitslosigkeit mit 55 die Jobsuche erschwert, gibt es für Betroffene inzwischen einige Förderprogramme und Finanzhilfen vom Staat:
-
Eingliederungszuschuss
Die Jobcenter unterstützen Arbeitslose mit einem Eingliederungszuschuss. Arbeitgeber, die sie einstellen, erhalten bis zu 36 Monate lang bis zu 50 Prozent des Bruttolohns von der Arbeitsagentur. Ein echter finanzieller Anreiz. Wer arbeitslos mit 55 wird, sollte das bei der Bewerbung erwähnen.
-
Existenzgründerzuschuss
Sich mit 55, 57 oder 59 einen neuen Job suchen, ist eine Option. Die andere: sich selbstständig machen. Das machen noch einige in dem Alter – und erhalten von der Bundesagentur für Arbeit oft einen Existenzgründerzuschuss. Dabei gibt es monatlich 300 Euro extra zum Arbeitslosengeld – für 6 Monate. Teils kann der Bezug auf 9 Monate erhöht werden. Einen Anspruch auf den Zuschuss gibt es aber nicht, die Förderung ist immer eine Einzelfallentscheidung.
-
Grundsicherung
Diesen Anspruch haben Arbeitslose, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, deren Rente aber nicht zum Leben reicht. Die Grundsicherung ist vergleichbar mit der Sozialhilfe für Arbeitslose. Allerdings müssen zuvor Ersparnisse von mehr als 5000 Euro aufgebraucht sein und die Arbeitssuchenden das Rentenalter erreicht haben.
Arbeitslos mit 55 und dann? Tipps zur Bewerbung
Es stimmt: Arbeitskräfte mit 55 Jahren tun sich beim Wiedereinstieg schwerer, weil Arbeitgeber ihnen gegenüber oft Vorurteile haben. Das macht die Arbeitgebersuche nicht leichter, aber auch nicht unmöglich: 35 Prozent der Arbeitssuchenden 50plus finden innerhalb von 2 Jahren nach Verlust des Arbeitsplatzes einen neuen Job. Mit der richtigen Bewerbungsstrategie geht es oft noch schneller…
Der beste Tipp für Arbeitslose ab 55 ist, selbst aktiv zu werden, um schnell wieder einen neuen Job zu bekommen. Das kostet zwar mehr Mühe als mit 30 und braucht häufig auch länger. Mit jedem Tipp, den Sie nutzen, erhöhen Sie aber die Jobchancen. Den größten Fehler, den Sie bei einem Jobwechsel mit 55 machen können, ist, zu denken, Sie hätten keine Chancen mehr!
Lebenslauf aktualisieren
Falls Ihre letzte Bewerbung schon eine Weile her ist, sollten Sie zunächst Ihre Bewerbungsunterlagen auf den neusten Stand bringen. Heißt: Bewerbungsschreiben neu formulieren, Lebenslauf aktualisieren, Zeugnisse sammeln und insgesamt das Bewerbung Layout optimieren. Für die Bewerbung ab 50+ finden Sie bei uns viele verlinkte kostenlose Ratgeber, inklusive Beispielen und Mustern.
Kostenlose Bewerbungsvorlagen: 200 Muster in Word
Moderne Bewerbung schreiben – ganz einfach mit unseren kostenlosen Bewerbungsdesigns und Bewerbungsmustern in Word. 200 Muster im Set, inklusive Anschreiben, Deckblatt und Lebenslauf. Hier gratis herunterladen:
Jobmessen besuchen
Gehen Sie auf Jobmessen und Firmenkontaktmessen. Die gibt es inzwischen auch speziell für erfahrene Fachkräfte und ältere Arbeitnehmer (z.B. job40plus.de). Mit cleverer Vorbereitung kommen Sie dort schnell und einfach mit mehreren Arbeitgebern ins Gespräch und finden vielleicht sogar Ihren neuen Traumjob.
Wir empfehlen, hierfür eine Kurzbewerbung oder aussagekräftige Bewerbungsflyer vorzubereiten, die Sie auf der Jobmesse an Personaler verteilen können und so besser in Erinnerung bleiben.
Digital bewerben
Gemeint ist damit weniger die Stellensuche über Jobbörsen und Bewerberdatenbanken. Die sollten Sie auch weiterhin nutzen! Vor allem digitale Bewerbungsformen haben aktuell beste Chancen: Dazu zählen die Online-Bewerbung, die E-Mail-Bewerbung sowie die passive Bewerbung – per Linkedin oder Bewerbungsvideo.
Informieren Sie sich über diese Bewerbungsarten und wählen Sie jene Kanäle, die zu Ihrer Zielgruppe und Branche passen. Die Qualität Ihrer Unterlagen sollte immer hoch und das Anschreiben dazu individuell formuliert sein. Tatsächlich gilt hierbei: „Viel hilft viel.“
5-teiliges Bewerbungs-Training: 100% kostenlos!
Knacken Sie den Bewerbungs-Code mit unserem kostenlosen Video-Training: 5 Videos in 5 Tagen mit praxiserprobtem Insider-Wissen zeigen Ihnen, wie Ihre Bewerbung Personaler überzeugt:
Netzwerke nutzen
Gerade im 5. Lebensjahrzehnt haben Arbeitnehmer schon viele Kontakte aufgebaut. Diese sollten Sie jetzt aktivieren. Hierbei helfen vor allem Karrierenetzwerke wie Linkedin und Xing.
Auf den sozialen Netzwerken sollten Sie jedoch zunächst Ihr Profil aktualisieren und verbessern, bevor Sie potenzielle Arbeitgeber oder Personalvermittler ansprechen. Das wirkt professioneller und öffnet mehr Türen. Zum Beispiel für eine Initiativbewerbung.
Fortbildungen absolvieren
Sie besitzen zwar einige Berufserfahrungen und Sozialkompetenzen mit 55. Darauf ausruhen sollten Sie sich aber nicht. Beweisen Sie Arbeitgebern, dass mit Ihnen noch zu rechnen und Ihr Know-how aktuell ist. Manche Fortbildungen und sogar Umschulungen werden von der Arbeitsagentur finanziell gefördert – per Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS) oder Bildungsgutschein.
Aktuell machen sich vor allem KI- und IT-Kenntnisse im Lebenslauf gut. Viele Unternehmen müssen aufgrund der Digitalisierung umstrukturieren. Wer entsprechende Qualifikationen mitbringt, kommt der Erwerbstätigkeit ein gutes Stück näher.
Alleinstellungsmerkmale identifizieren
Sie werden eher zum Vorstellungsgespräch eingeladen, wenn Sie gefragte Alleinstellungsmerkmale in der Bewerbung angeben. Machen Sie sich dazu unbedingt ihre spezifischen Stärken bewusst – und fokussieren Sie sich nicht auf vermeintliche Schwächen wie zum Beispiel das Alter.
Personaler blicken nach vorne: Sie suchen die künftige Idealbesetzung für die Stelle. Jemand, der deren Herausforderungen lösen kann. Das sollten Sie auch tun. Betonen Sie stets relevante Erfolge, die belegen, dass Sie den neuen Job meistern.
Der Neustart beginnt im Kopf!
Arbeitslosigkeit ist das Gespenst, das viele Arbeitnehmer erschreckt. Auch jene, die arbeitslos mit 55+ werden. Es ist aber kein Zustand, in den Sie sich ergeben müssen! Das vermeintliche Manko des Alters beginnt im Kopf. Viele ältere Bewerber, die schon ein paar Absagen kassiert haben, rücken irgendwann ihr Lebensalter in den Mittelpunkt: Es wird zur Entschuldigung und Rechtfertigung für die stockende Karriere. Effekt: Sie bestätigen die herrschenden Vorurteile statt sie zu entkräften.
Ein Neustart bei einem anderen Arbeitgeber ist nicht leicht, ja. Berufserfahrene tun sich manchmal schwer damit, die damit verbundenen Veränderungen zu akzeptieren. Sie haben zu konkrete Vorstellungen davon, wie der neue Job aussehen muss – und schränken sich dabei selbst ein. Der Tunnelblick aber macht die Jobsuche schwierig. Bleiben Sie offen für Neues. Adaptieren Sie Trends und Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Sie sind älter – aber bestimmt nicht unvermittelbar!
Was andere dazu gelesen haben