Was ist ein Late Bloomer?
Der englischsprachige Begriff Late Bloomer wird im Deutschen häufig mit Spätzünder übersetzt. Gemeint ist eine Person, deren Fähigkeiten oder Talente sich erst später zeigen als zu erwarten wäre. So lässt sich die Entwicklung eines Kindes beobachten, indem man anhand körperlicher, intellektueller und sozialer Fähigkeiten die Fortschritte misst. Was auffällt: Im anglophonen Bereich herrscht eine positive Grundhaltung. Das zeigt sich bereits im Vergleich beider Begriffe. Late Bloomer gelangen spät zur Blüte, dann aber zur vollen Pracht und Entfaltung. Bei „Spätzünder“ überwiegt die negative Komponente. Jemand, der Dinge nicht so schnell begreift, Zusammenhänge erst spät erkennt. Spätberufener wäre ein weiteres deutsches Synonym.
Die deutlich positivere Konnotation bei Late Bloomer ist keineswegs naiv: Viele prominente Persönlichkeiten hatten in frühen Jahren mit Schwierigkeiten zu kämpfen, so dass man ihnen sicherlich keinen großartigen Erfolg zugetraut hätte. Zu unrecht. Albert Einstein, Entdecker der Relativitätstheorie, litt in früher Kindheit unter Sprachschwierigkeiten. Schauspieler Tom Cruise und Virgin-Mogul Richard Branson sind Legastheniker. Betroffenen dieser Lernschwäche wird häufig unterstellt, langsam im Denken zu sein. Am Erfolg jedenfalls hindert es sie nicht.
Maximalgehalt mit Anfang 50
Sie wollen viel Geld verdienen? Dann beeilen Sie sich! Laut einer Stepstone-Studie (250.000 Datensätze) erreichen die meisten Menschen mit 52 Jahren ihr Maximalgehalt. Durchschnittlich 58.539 Euro. Danach verdienen abhängig Beschäftigte kaum noch mehr. Eher sinkt das Gehalt, weil die Betroffenen beruflich kürzer treten oder sich weniger verantwortungsvolle Jobs und Positionen suchen (Stichwort: Downshifting). Die größten Gehaltssprünge machen Arbeitnehmer im Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Ab Mitte 50 seien die meisten Optionen dann ausgereizt.
Veränderungen Teil der Berufsbiographie
Eine eindeutliche Definition davon, was ein Late Bloomer ist und wann eine Person in diese Kategorie fällt, ist dennoch unklar. Muss jemand in derselben Branche Karriere machen, in der er oder sie begonnen hat? Geht es eigentlich nur um einen Jobwechsel oder vielmehr um das damit verbundene Gefühl? Berufliche Veränderungen sind heutzutage viel häufiger als noch vor 40, 50 Jahren. Damals war es üblich, eine Ausbildung oder Studium zu absolvieren und diesen Beruf bis zur Rente auszuüben. Arbeitnehmer mussten sich erst dann beruflich verändern, wenn das Unternehmen Insolvenz anmeldete.
Heutzutage sind die Anforderungen an Arbeitnehmer viel höher: Rasanter technischer Fortschritt erfordert eine ständige Anpassung. Jobs sind längst nicht mehr so sicher wie früher. Aber auch die Bindung ans Unternehmen ist geringer. Viele Arbeitnehmer wollen nicht nur einen guten Verdienst, sondern eine Tätigkeit, die sie erfüllt.
Diese Eigenschaften zeichnen Spätblüher aus
Mit zunehmenden Alter (Mitte 20 bereits) nimmt die fluide Intelligenz ab. Sie ist für logisches und abstraktes Denken verantwortlich. Nicht ganz unerheblich ist die Lerngeschwindigkeit. Dass all das nachlässt, veranlasst manch einen zu denken, dass herausragende Leistung nur im jugendlichen Alter möglich ist. Ein anderer Fakt bleibt dabei oft unberücksichtigt: Die kristalline Intelligenz nimmt zu. Sie zeichnet sich durch Erfahrungswissen aus, darunter Allgemeinwissen und Menschenkenntnis. Forschungen zeigen, dass zahlreiche kognitive Fähigkeiten sich erst im fortgeschrittenem Alter entwickeln. Dabei geht es Vor allem um solche, die es zur Unternehmens- und Teamführung braucht.
Aber nicht nur das. Rich Karlgaard zufolge, Herausgeber des Forbes-Magazins und selbst ein Late Bloomer, sind Spätberufene keineswegs weniger begabt. Er sieht zahlreiche Fähigkeiten. Demnach zeichnen Late Bloomer folgende Charaktereigenschaften aus:
Late Bloomer haben eher ein Imageproblem, da sie hinter den Erwartungen anderer zurückbleiben. Wenn sie dann beruflich durchstarten, überraschen sie all jene, die ihnen nichts zugetraut haben. Statt um jeden Preis die Erwartungen anderer an sich zu erfüllen, gehen sie ihren eigenen Weg in ihrem eigenen Tempo.
Druck durch prominente Vorbilder
Teilweise kommt der Druck durch prominente Vorbilder zustande, die selbst in jungen Jahren erfolgreich waren. Steve Jobs und Mark Zuckerberg sind nur zwei typische Beispiele. Aber auch Wirtschaft und Institutionen haben in den vergangenen Jahren darauf hingearbeitet, dass Menschen immer früher ins Arbeitsleben steigen. Entscheidend dazu beigetragen hat die Verkürzung der Oberstufe (teilweise wieder zurückgenommen) und die Umstellung der Hochschulabschlüsse auf Bachelor und Master. Wer früh zu arbeiten beginnt, müsste also auch früh Karriere machen. Dabei ist die Mehrheit derjenigen, die Herausragendes leisten, deutlich älter.
Das belegen Studien, die beispielsweise den Zusammenhang zwischen Alter und erfolgreicher Unternehmensgründung untersucht haben. Maßgeblich dafür war, ob es einem Gründer gelang, sein Start-up an einen Konzern zu verkaufen. Dieser als Exit benannter Verkauf gilt als Indikator für Erfolg. Die Ergebnisse des Ökonoms Pierre Azoulay und seines Teams vom Massachusetts Institute of Technology sind deutlich: Unter 25 gelingt es nur wenigen Gründern. In der Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen steigen die Chancen. Ganz klar überwiegen hier die Late Bloomer mit einem Alter von 35 Jahren aufwärts.
Und die Forscher machten noch eine interessante Beobachtung: Mit Blick auf besonders schnell wachsende Start-ups stellten sie fest, dass deren Gründer im Schnitt bereits Mitte 40 waren. Hier bestätigt sich, was Karlgaard in seinem Buch „Late Bloomer“ beschreibt: Es braucht Lebenserfahrung, um bestimmte Fähigkeiten herauszubilden und herausfordernde Situationen zu meistern. Wer Erfahrungen mit Niederlagen gemacht hat, weiß in der Regel, welche Dinge nicht funktionieren.
3 Tipps, wie Sie zum Late Bloomer werden
Wer früh seine Ausbildung oder Studium beendet, hart arbeitet und einen gut bezahlten Job erlangt, hat es scheinbar geschafft. Nicht immer setzt ein Gefühl der Zufriedenheit ein. Bei gar nicht wenigen jungen Arbeitnehmern kommt es zum Burnout. Kein Wunder, wenn 60, 70 Stunden in der Woche geschuftet wird. Aber genau das wird ehrgeizigen jungen Managern oft abverlangt. An der Spitze angelangt, bekommen viele eine Quaterlife-Crisis: Soll es das schon gewesen sein?
Dabei hält das Leben viel mehr bereit. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man sich ausreichend Zeit gibt, den eigenen Neigungen nachzuspüren. Das soll nicht als Aufruf zur Untätigkeit missverstanden werden: Das eigene Potenzial zu entdecken, gelingt nicht von der Couch aus oder gar im Schlaf. Aber es ist ein Prozess, der nicht automatisch mit einem bestimmten Abschluss beendet ist. So wie Blumen meist über mehrere Jahre und nicht nur einmalig blühen, haben Sie immer wieder die Chance, als Late Bloomer Ihre Begabung zu finden und Ihrer Leidenschaft nachzugehen. Dazu diese drei Tipps:
Finden Sie etwas, woraus Sie Sinn ziehen
Um als Late Bloomer so richtig aufzublühen, sollten Sie überlegen, bei welchen Tätigkeiten Sie am meisten Spaß haben. Was geht Ihnen gut von der Hand, womit würden Sie sich viel länger beschäftigen, wenn Sie genügend Zeit hätten? Hobbys oder Tätigkeiten im sozialen Engagement liefern erste Hinweise.
Konkretisieren Sie Ihre Vorstellungen
Nicht nur die Tätigkeit als solches wirkt sich auf die Zufriedenheit aus. Denn klar ist auch: Jeder Beruf hat langweilige Anteile, enthält Routineaufgaben, die lästig aber wichtig sind. Eine entscheidende Rolle ist aber das Umfeld: Welche Unternehmenskultur ist Ihnen wichtig, wie stellen Sie sich die konkrete Arbeitssituation vor, wie wichtig sind Gehalt und Urlaub?
Verlassen Sie Ihre Komfortzone
Es mangelt an Lebenserfahrung? Dagegen lässt sich was tun. Erfahrungen sammeln Sie, wenn Sie Ihre Komfortzone verlassen. Indem Sie Praktika in Bereichen absolvieren, die Sie bisher nicht auf dem Radar hatten. Oder eine neue Fremdsprache erlernen. Dinge probieren, die Ihnen nicht einfach zufallen. An solchen Aufgaben wachsen Menschen.
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