Karrierezwang: Muss der Vize zum Chef werden?

Die Vize-Position gilt als klassisches Sprungbrett. Sie arbeiten, lernen, beobachten und unterstützen für einige Jahre in der zweiten Reihe – dann kommt der Sprung nach vorne. Eine typische Entwicklung, die oft stillschweigend erwartet wird. Doch es gibt keinen Karrierezwang. Der Weg auf die höhere Position scheint logisch, muss aber für Sie nicht die beste Option sein. Worauf Sie achten müssen und warum es sinnvoll sein kann, dem Karrierezwang zu entgehen…

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Karrierezwang: Die Vorteile der Vize-Position

Auf den ersten Blick steht der Vize immer im Schatten. Präsidenten kennt jeder, beim Vize-Präsidenten wird es schon schwieriger. Auch der Trainer der deutschen Nationalmannschaft ist bekannt, doch wie heißen seine Co-Trainer? Aufmerksamkeit und Anerkennung sind in der Position eher eine Seltenheit.

Das scheint den Vize-Posten unattraktiv zu machen. Doch gerade langfristig hat der Job einige Vorteile:

  • Sie tragen nicht die volle Verantwortung

    Im Hintergrund zu stehen, kann nützlich sein, weil Sie nicht so schnell in die Schusslinie geraten. Bei Problemen, Fehlern oder Misserfolgen konzentrieren sich Wut und Frust nicht auf den Vize, sondern auf den Hauptakteur. Dieser trägt die Verantwortung, muss sich rechtfertigen und gegebenenfalls auch die Konsequenzen tragen.

  • Sie sind mitten im Geschehen

    Als Vize stehen Sie nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, aber im Mittelpunkt des Geschehens. Sie erhalten alle Informationen aus erster Hand, werden bei Entscheidungen zurate gezogen und können mitgestalten. Durch Ihre Position erhalten Sie Einblicke, die anderen verwehrt bleiben und haben einen größeren Einfluss.

  • Sind sammeln Erfahrungen und lernen

    Großer Pluspunkt ist die Berufserfahrung. Arbeiten Sie eng mit einem Chef zusammen, der Sie einbezieht, an seinem Wissen, seinen Gedanken und Entscheidungen teilhaben lässt, können Sie in kurzer Zeit viel lernen.

  • Sie können üben und ausprobieren

    Ist der Chef im Urlaub, krank, auf einem auswärtigen Termin oder anderweitig verhindert, rutschen Sie für die Zeit auf den Hauptposten. Sie übernehmen Aufgaben, können üben, ausprobieren und herausfinden, ob die Stelle Ihren Erwartungen entspricht – und ob Sie diese im weiteren Verlauf übernehmen wollen.

Warum benennen Unternehmen einen Vize?

Die rechte Hand vom Chef oder der zweite Projektleiter: In Unternehmen gibt es häufig eine Vize-Position. Das ist kein Zufall, sondern Strategie. Zum einen unterstützt der Vize, hilft bei Aufgaben oder hält den Rücken frei, damit der Hauptverantwortliche sich um die wirklich wichtigen Themen kümmern kann.

Gleichzeitig bilden Arbeitgeber so den eigenen Nachwuchs aus. Wird ein Vize-Chef benannt, ist es Teil der Personalplanung und Führungskräfteentwicklung. Intern wird ein potenzieller Nachfolger ausgebildet und vorbereitet.

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Karrierezwang: Müssen Sie aufsteigen?

In der Position als Vize scheint der Aufstieg nur eine Frage der Zeit. Der aktuelle Chef wechselt den Arbeitgeber, die Abteilung oder geht vielleicht in Rente – schon stehen Sie als perfekter Nachfolger parat. Eine gute Chance, um die Karriereleiter zu erklimmen, mehr Verantwortung zu übernehmen und das eigene Gehalt zu steigern.

Aber nicht jeder Vize wünscht sich diese Entwicklung. Es ist ein Gefühl von Karrierezwang. Motto: Entweder die Position übernehmen und die Erwartungen erfüllen oder einen Karriereknick riskieren. Trotzdem sollten Sie genau überlegen, ob der Karriereschritt passt…

Wann sollten Sie dem Karrierezwang folgen?

Einen echten Karrierezwang gibt es zwar nicht. Sie haben einen Arbeitsvertrag, an den Sie sich halten – ein Jobwechsel auf höhere Posten ist darin nicht vorgeschrieben. Am Ende bleibt es Ihre freie Entscheidung, ob Sie die Position annehmen, wenn Sie das Angebot bekommen.

Wenn Sie ablehnen, muss Ihre Karriere nicht einmal darunter leiden. Dass Sie in der Hierarchie aufsteigen, bedeutet eine Beförderung, aber nicht zwangsläufig mehr Erfolg. Ob der Schritt für Sie sinnvoll ist, sollten Sie abhängig von Ihrer individuellen Situation entscheiden:

  • Wollen Sie aufsteigen?
    Der wichtigste Faktor: Wollen Sie überhaupt aufsteigen? Vielleicht sind Sie als Stellvertreter glücklich und wollen (noch) nicht in eine höhere Position. Die Beförderung würde nicht nur Ihre Zufriedenheit verringern, sondern auch Ihren Leistungen schaden. Hier bringt der scheinbare Karrierezwang Sie in eine neue Situation, mit der Sie nicht zurechtkommen.
  • Passt der Job zu Ihnen?
    Nicht jede und jeder ist für eine Führungsposition geschaffen. Als Vize haben Sie bereits den ersten Schritt in die Richtung getan. Können Sie aber mit der vollen Verantwortung und dem verbundenen Druck umgehen? Wenn Sie sich selbstkritisch hinterfragen: Bringen Sie alle notwendigen Führungskompetenzen mit? Siehe: Peter-Prinzip!
  • Kennen Sie die anstehenden Veränderungen?
    Mit der neuen Stelle verändern sich auch andere Faktoren. Längere Arbeitszeiten, Dienstreisen, Besuch von Fachmessen, Auftritte, Vorträge, Reportings, Interviews oder auch unangenehme Kündigungsgespräche mit Mitarbeitern. All das hat bisher Ihr Chef übernommen, nun fällt es auf Sie zurück. Sie müssen genau wissen, was auf Sie zukommt und alles in Ihre Entscheidung einbeziehen.
  • Ist es wirklich eine Verbesserung?
    Auf dem Papier sieht der Aufstieg gut aus, aber ist es wirklich eine Verbesserung – oder nur ein anderer Jobtitel? Achten Sie auch darauf, wie es Ihrem Vorgänger im Job ging. Hatte dieser dauerhaft Stress mit dem Management, erhielt keinerlei Unterstützung und war mit der Situation unzufrieden, droht Ihnen ein ähnliches Schicksal.

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