Bildungsteilzeit: Heute an morgen denken

Bildungsurlaub kennen die meisten Arbeitnehmer. Allerdings wird der nicht in allen Bundesländern gewährt, ist an bestimmte Bedingungen geknüpft und gilt auch nur für wenige Tage. Eine interessante Alternative kann die Bildungsteilzeit sein. Unser Nachbarland Österreich macht es bereits seit einigen Jahren erfolgreich vor und auch hierzulande wächst das Interesse. Was Bildungsteilzeit genau bedeutet und für wen sie infrage kommt…

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Bildungsteilzeit Deutschland: Was ist das?

Teilzeit heißt für gewöhnlich: Weniger arbeiten, zumindest im Betrieb. Oftmals sind es Mütter, die infolge von Familiennachwuchs kürzer treten, damit sie Arbeit und Kinder unter einen Hut kriegen können. Die Idee hinter der Bildungsteilzeit:

Ebenfalls weniger arbeiten, allerdings, damit Sie sich weiterqualifizieren können, gleichzeitig aber weiterhin bezahlt werden. Wer bereits eine abgeschlossene Ausbildung hat oder seit Jahren im Job ist, hat es schwer sich weiterzubilden. Das gilt in besonderem Maße für Arbeitnehmer, die im Schichtdienst arbeiten oder aber noch familiären Verpflichtungen neben der Vollzeittätigkeit nachkommen müssen.

Und so kann es funktionieren bei zwei Jahren Arbeitsphase und einer zweijährigen kompletten Freistellung: Sie arbeiten zwei Jahre lang in einem Unternehmen bei 80 Prozent des Gehalts, erhalten im dritten und vierten Jahr bei kompletter Freistellung ebenfalls 80 Prozent.

Oder Sie arbeiten in reduzierter Stundenzahl weiter und teilen den Tag in 50 Prozent Arbeit und 50 Prozent Zeit für die Weiterbildung auf.

Der Gedanke hinter der Bildungsteizeit: Nicht jeder Arbeitnehmer hatte in der Vergangenheit die Möglichkeit, sich ausreichend zu qualifizieren, manche sind als ungelernte Kräfte beschäftigt. Daneben kommt es immer wieder vor, dass Tätigkeitsprofile komplexer werden, Arbeitnehmer sich auf den neusten Stand bringen wollen, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Digitalisierung macht eine Weiterqualifizierung nötig

Schließlich werden im Zuge der Digitalisierung aber auch qualifizierte Tätigkeiten sich verändern oder ganz wegfallen. Im Zuge dessen – Experten sprechen von der Industrie 4.0 – wird sich knapp die Hälfte aller Jobs erübrigen.

Vor diesem Hintergrund ist es also wichtig, dass Arbeitnehmer sich rechtzeitig weiterbilden; dabei geht es nicht nur darum, betrieblich möglichst nah am jetzigen Job zu bleiben, sondern vorausschauend zukunftsträchtige Bereiche miteinzuschließen.

Im Juni 2017 stellte Arbeitsministerin Andrea Nahles daher zusammen mit dem Telekom-Personalvorstand Christian Illek ein Modell zur Bildungsteilzeit vor, wie sie flächendeckend in Deutschland aussehen könnte. Bisher gibt es diese Möglichkeit der Weiterbildung nur für IG Metall-Mitglieder in tarifgebundenen Betrieben.

Illek nennt als Beispiel für von Digitalisierung betroffene Arbeitnehmer den Beruf des Nachrichtentechnikers: Dieser hätte eine hardwareorientierte Ausbildung als Elektrotechniker. Moderne Netze sind jedoch von Software abhängig und die klassisch ausgebildeten Nachrichtentechniker verstünden nichts von Netzen.

Gebraucht würden „hybride Konzepte“, um Netze entsprechend ausbauen zu können, wofür die Bildungsteilzeit eine ideale Maßnahme sein könnte.

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Bildungsteilzeit Kosten: Arbeitgeber können bezuschussen

Es gibt vom Konzept her einige Parallelen mit der Altersteilzeit: Der Beschäftigte reduziert seine Arbeit auf 50 Prozent, erhält aber 80 Prozent vom Bruttolohn – die Differenz zahlen der Arbeitgeber und der Staat. Auch die Rentenbeiträge werden auf maximal 90 Prozent aufgestockt.

Im Gegensatz zur Altersteilzeit kehrt der Arbeitnehmer jedoch nach seiner Weiterbildung zurück in den Betrieb. Unklar ist allerdings, für welche Bereiche die Bildungsteilzeit gelten soll. Im Gespräch sind die sogenannten disruptiven Branchen, im Bereich Technik und Medien, Handel, Logistik, Versicherung, aber auch Banken.

Die IG Metall hat bereits mit Arbeitgebern solche Tarifverträge zur Weiterbildung geschlossen. Je nach Bundesland sind sie unterschiedlich benannt und heißen Tarifvertrag Bildung oder Tarifvertrag zur Qualifizierung; in Bayern ist daneben auch die Bezeichnung Tarifvertrag zur Bildungsteilzeit üblich.

Trotz möglicher Zuschüsse sind die Kosten für die Weiterbildung vom Arbeitnehmer komplett selbst zu zahlen, sofern es nicht um eine Entwicklungsqualifizierung handelt. In diesem Fall kann der Arbeitgeber die Hälfte der Zeit beisteuern.

In Ausnahmefällen sind dennoch Zuschüsse möglich, allerdings nur, wenn eine Betriebsvereinbarung beispielsweise eine Altersteilzeit vorsieht, aus deren Topf ebenfalls die persönliche Weiterbildung finanziert wird. Diese Fragen klären im Zweifelsfall der Betriebsrat.

Die IG Metall empfiehlt ein Bildungskonto einzurichten, das sich für folgende Dinge eignet:

  • Sie halten den Überblick über vereinbarte Arbeitszeiten und angesparte Arbeitszeiten (Mehrarbeit).
  • Bis zu 152 Stunden pro Jahr können Sie für eine spätere Qualifizierung dort ansparen.
  • Sie können Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld dort einzahlen.
  • Sie können es zum Ansparen für Ihre Weiterbildung nutzen.
  • Zuschüsse des Arbeitgebers können auf das Bildungskonto gehen.
  • Sie können das Bildungskonto um zehn Prozent überziehen und nach der Qualifizierung ausgleichen.
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Weiterbildung für alle?

Noch ist es nicht so weit, dass jeder ohne Weiteres eine Bildungsteilzeit beantragen kann. Vorreiter sind wie erwähnt die tarifgebundenen Betriebe. Wer nun eine Weiterbildung angehen möchte, sollte mit seinem Arbeitgeber ein Gespräch führen – ein Qualifizierungsgespräch steht dem Arbeitnehmer gemäß den Tarifverträgen einmal im Jahr zu.

Darin können konkrete Vorschläge erörtert werden, unter Umständen auch gemeinsam mit dem Betriebsrat. Wenn Sie Ihre Weiterbildung finanzieren können, muss der Arbeitgeber Sie dafür freistellen. Je nachdem, wie Sie Ihre Qualifizierung planen, kann das komplett und bis zu sieben Jahre sein: So können Sie bei garantierter Rückkehr sogar ein Studium abschließen.

Wer kann nun an der Bildungsteilzeit teilnehmen? Im Wesentlichen sind es folgende drei Gruppen:

  • Geringqualifizierte

    Gerade Menschen ohne Abschlüsse haben schlechte Erfahrungen mit dem Bildungssystem gemacht und sind oftmals entsprechend gehemmt. Sie werden von der Arbeitsagentur mit der Weiterbildungsinitiative WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) gefördert.

    Voraussetzung dafür ist, dass sie ohne Berufsabschluss sind und mindestens seit vier Jahren eine an- oder ungelernte Tätigkeit ausüben. Diesen Arbeitnehmern wird der Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf ermöglicht. Der Zuschuss der Arbeitsagentur beträgt hier zwischen mindestens 50 bis zu 100 Prozent.


  • Berufsanfänger

    Jungen Berufseinsteigern wird die Möglichkeit gegeben, ihren akademischen Abschluss nachzuholen. Das Praktische: Auch in diesem Fall verlieren sie nicht ihren Übernahmeanspruch, sondern können sich für die Dauer des Hochschulstudiums freistellen lassen.


  • Fachkräfte

    Auch erfahrene Fachkräften wird mit der Bildungsteilzeit wichtige Zeit eingeräumt, die neben familiären und anderen Verpflichtungen häufig fehlt. So wird eine Weiterbildung zum Meister oder Fachwirt möglich, ebenso ein Studium. Grundsätzlich wird dabei nicht nur an klassische Fortbildungsberufe gedacht – letztlich ist eine berufliche Neuorientierung ebenso möglich.

[Bildnachweis: goodluz by Shutterstock.com]