Psychologischer Vertrag: Beispiele & Mitarbeiterbindung

Der psychologische Vertrag beschreibt die impliziten, unausgesprochenen gegenseitigen Erwartungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber. Er beeinflusst die Arbeitsbeziehung maßgeblich und hat große Bedeutung für das Arbeitsklima, die Arbeitszufriedenheit oder Leistungsbereitschaft. Was ein psychologischer Vertrag alles beeinhaltet und wie er sich dynamisch verändern kann…

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Definition: Was ist ein psychologischer Vertrag?

Ein psychologischer Vertrag beschreibt die unausgesprochenen, wechselseitigen Erwartungen und Verpflichtungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die über den schriftlichen Arbeitsvertrag hinausgehen.

Der psychologische Vertrag ist nicht juristisch bindend, sondern basiert auf individuellen Vorstellungen. Er ist aber oft entscheidend für die Zufriedenheit und Motivation im Job und die gefühlte Fairness. Er kann sich mit der Zeit verändern, was eine regelmäßige Kommunikation und Mitarbeitergespräche notwendig macht.

Ein gefühlter Vertragsbruch führt häufig zu Dienst nach Vorschrift oder einer Kündigung.

Psychologischer Vertrag – Hintergrund

Bekanntheit erlangte der psychologische Vertrag in den 1990er Jahren durch Studien der US-Psychologin Denise M. Rosseau. Sie beschäftigte sich mit den Auswirkungen des Arbeitswandels auf die Einstellung und Erwartungen der Mitarbeiter.

Das Konzept geht jedoch bis in die 1960er Jahre zurück: Schon damals entwickelte Chris Argyris, Professor für Verwaltungswissenschaften, die Grundidee einer impliziten Abmachung innerhalb des Arbeitsverhältnisses. Er sprach dabei von einer „stillschweigenden Übereinkunft“.

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Inhalt: Was umfasst ein psychologischer Vertrag?

Im psychologischen Vertrag können zahlreiche Vorstellungen und Annahmen enthalten sein, die Mitarbeiter und Arbeitgeber an die Zusammenarbeit haben. Diese unterscheiden sich allerdings teilweise von den klassischen Inhalten im Arbeitsvertrag.

Bei der stillschweigenden Übereinkunft geht nicht um konkrete Aufgaben, Arbeitszeiten oder Gehalt, sondern vielmehr um die gegenseitigen Erwartungen.

Psychologischer Vertrag – Beispiele & Erwartungen

Die folgenden typischen Inhalte eines psychologischen Vertrags sind im Grunde Selbstverständlichkeiten in der Zusammenarbeit. Sie können aber von beiden Seiten unterschiedlich priorisiert werden – mit der Folge von Frustration oder Konflikten.

Arbeitnehmer

Arbeitgeber

Faire Bezahlung Leistungsbereitschaft
Sinnvolle Aufgaben Eigenverantwortung
Gutes Betriebsklima Selbstständiges Arbeiten
Respektvolle Atmosphäre Problemlösung
Gute Führung Sorgfalt & Qualität
Förderung & Entwicklung Teamfähigkeit
Aufstiegsmöglichkeiten Lernwille
Wertschätzung & Feedback Loyalität
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Zusammenarbeit verändert psychologischen Vertrag!

Der psychologische Vertrag entsteht mit Beginn der Zusammenarbeit – nicht explizit oder schriftlich, sondern eben implizit und unausgesprochen. Je länger das Arbeitsverhältnis jedoch andauert und je länger die Betriebszugehörigkeit, desto mehr verändert sich auch die Erwartungshaltung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Ein Beispiel: Berufsanfänger suchen meist spannende Aufgaben und wollen sich erproben und entwickeln. Mit der Zeit aber werden Jobsicherheit und die Arbeitsatmosphäre immer wichtiger.

Umgekehrt kann es sein, dass Arbeitgeber das Potenzial in den Mitarbeitern erkennen und erwarten, dass diese mehr Verantwortung übernehmen oder sich in wichtigen Projekten stärker engagieren.

Ursachen für veränderte Erwartungen

Für solche Veränderungen bei den gegenseitigen Erwartungen kann es unterschiedliche Ursachen geben. Zu den häufigsten gehören:

  • Erfolge

    Wer sich seit Jahren engagiert, in den Job reinhängt und Überstunden, macht, erwartet irgendwann – zurecht – dafür Anerkennung. Zum Beispiel in Form einer Gehaltserhöhung oder Beförderung.

  • Selbstwert

    Mit den Erfolgen und der Betriebszugehörigkeit wächst meist auch das Selbstwertgefühl: Es entsteht ein positives Selbstbild – dafür erwarten Arbeitnehmer entsprechenden und wachsenden Respekt – auch von den Jüngeren.

  • Prioritäten

    Mit der Zeit und durch die Familie können sich Prioritäten im Leben verschieben. So wird vielen Arbeitnehmern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtiger. Entsprechend verschieben sich die Ansprüche an flexible Arbeitszeitmodelle oder Homeoffice-Regelungen.

  • Erfahrungen

    Beide Seiten machen in der Zusammenarbeit viele Erfahrungen. Auch dadurch wird der psychologische Vertrag geprägt und verändert. Stündige Erreichbarkeit oder ein Chef, der auch nach Feierabend noch E-Mails schreibt, können das Verhältnis belasten.

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Welche Folgen hat ein psychologischer Vertragsbruch?

Für Unternehmen und Arbeitgeber hat der psychologische Vertrag eine große Bedeutung. Er beeinflusst maßgeblich die Mitarbeiterbindung, Identifikation mit dem Unternehmen und das Employer Branding.

Zwar sind die Erwartungen im psychologischem Vertrag stets individuell und subjektiv. Viele Unternehmen wissen aber oftmals gar nicht, welche impliziten Anforderungen ihre Mitarbeiter an die Zusammenarbeit haben! Umso schwerer wiegt es, wenn diese gebrochen und enttäuscht werden.

Konsequenzen bei einem Vertragsbruch

  • Sinkende Zufriedenheit

    Bei kleineren Vertragsbrüchen sinkt zunächst „nur“ die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Es kommt zu wachsendem Jobfrust und dem Gefühl, nicht so behandelt zu werden, wie man es verdient. Mit der Zeit geht der Spaß verloren und viele suchen den Ausgleich dann in der Freizeit oder am Wochenende.

  • Nachlassendes Engagement

    Auf lange Sicht und bei mehreren Brüchen lässt das gesamte Engagement nach. Die Mitarbeiter distanzieren sich zunehmend von der Arbeit, geben sich weniger Mühe und bringen kaum noch Leidenschaft mit.

  • Innere Kündigung

    Im weiteren Verlauf und bei häufigen Brüchen des psychologischen Vertrags kommt es zur inneren Kündigung der Mitarbeiter: Die Motivation ist auf dem Nullpunkt, es wird nur noch das Nötigste erledigt. Auch die Loyalität zum Arbeitgeber ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden.

Das alles hat massive Auswirkungen auf die Produktivität und Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Deshalb sollte das Personalwesen diese meist unausgesprochenen Erwartungen regelmäßig überprüfen und zum Beispiel mithilfe von Fragebögen erheben.

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Wie kann der psychologische Vertrag gestaltet werden?

Grundvoraussetzung für den impliziten Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind regelmäßige Gespräche, in denen nicht nur Arbeitgeber Feedback geben, sondern auch Mitarbeiter ihre Sicht schildern.

Zusätzlich können Sie den psychologische Vertrag durch folgende Maßnahmen fördern und gestalten:

  • Offene Kommunikation

    Pflegen Sie im Unternehmen eine klare und transparente Kommunikation, die nicht nur gegenseitige Erwartungen und Ziele formuliert, sondern auch Missstände anspricht.

  • Gegenseitige Wertschätzung

    Unverzichtbar ist die Anerkennung der unterschiedlichen Leistungen und des Beitrags jedes einzelnen Mitarbeiters. Selbst das Gehalt kann fehlende Wertschätzung nicht ausgleichen.

  • Wachsendes Vertrauen

    Schaffen Sie eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre. Zuverlässigkeit und eingehaltene Versprechen fördern die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zur Erfüllung von Erwartungen.

  • Neue Feedback-Kultur

    Regelmäßiges und konstruktives Feedback hilft, Annahmen abzugleichen und Missverständnisse zu vermeiden.

Ein psychologischer Vertrag ist jedoch immer ein dynamisches Konzept, das sich jederzeit verändern kann. Deshalb ist es wichtig, die Hintergründe dazu regelmäßig zu reflektieren und zu besprechen, um eine positive und produktive Arbeitsbeziehung zu erhalten.


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