Definition: Was bedeutet Déformation Professionnelle?
Der französische Ausdruck Déformation Professionnelle (deutsch: professionnelle Verformung) beschreibt die Veränderung des Charakters und der Persönlichkeit, die mit der Ausübung des Berufs einher geht. In der Psychologie spricht man auch von der „beruflichen Sozialisation“ – oder schärfer von der „beruflich bedingten Missbildung“.
Ob Lehrer, Anwalt, Vertriebler oder Politiker: Unser Beruf – unsere „Profession“ – verändert uns mit der Zeit. Je größer die Leidenschaft für unsere Arbeit, desto größer der Effekt, der unser Denken, Handeln und sogar die Ausdrucksweise und Sprache beeinflusst.
Bedeutung: Profession formt Persönlichkeit
Der Effekt der Déformation Professionnelle beginnt oft schon mit der Berufswahl und im Studium. Bereits im Hörsaal lassen sich angehende Juristen von BWLern oder Sozialpädagogen an Kleidung und Habitus unterscheiden.
Oft ist die Veränderung den Betroffenen gar nicht bewusst. Sie nutzen die Vokabeln und Redewendungen, die alle auf der Arbeit benutzen – oder verhalten sich auch privat wie im Job: einmal Chef, immer Chef; einmal Verkäufer, immer Verkäufer… Typisch!
Déformation Professionnelle schafft Gemeinschaftsgefühl
Natürlich hat die Déformation Professionnelle auch gute Seiten: Im Job vermittelt sie den Kollegen Zugehörigkeit und Loyalität. Obendrein schafft sie ein Wir-Gefühl: „wir Journalisten“, „wir Lehrer“, „wir Polizisten“. Das Gemeinschaftsgefühl der Berufsgruppen schafft Verbundenheit und Solidarität unter seinesgleichen.
Doch was der Beruf aus uns macht, strahlt oft auch dorthin, wo wir es eigentlich nicht wollen: ins Privatleben, in die Beziehung, in die eigenen Werte. Häufig ist das ein schleichender Prozess – bis der Partner eines Tages bemerkt: „Du hast dich verändert. Du bist nicht mehr der, der du warst!“
Erfolg kostet Kompromisse
Gerade der Erfolg und die Karriere fordern ihren Preis. Anfangs fällt das nicht auf, weil der Job sich gut anfühlt. Betroffene surfen auf einer Welle des Erfolgs. Freunde und Kollegen teilen vielleicht sogar ähnliche Ambitionen oder bewundern einen dafür.
Doch irgendwann bleiben die sozialen Kontakte auf der Strecke. Für Familie und Kinder bleibt kaum noch Zeit – oder Verständnis. Auf dem Weg nach oben opfern viele Teile ihrer Werte und Grundsätze:
- Welches Spiel spiele ich noch mit?
- Über welche Leichen bin ich bereit zu gehen?
- Wozu schweige ich sehenden Auges?
- Wozu sage ich „Ja“, obwohl das Gewissen längst „Nein“ schreit?
Kompromisse und Konzessionen beginnen in der Regel bei der Sprache, dann werden Verhaltensweisen angeglichen. Zum Schluss folgt die moralische Rechtfertigung für ein schlechtes Gewissen.
Wer solche faulen Kompromisse zu oft schließt, wird sich selbst immer fremder, bis er nur noch eine Hülle ist – so kalt und dickfellig, dass er oder sie auch ohne Rückgrat aufrecht stehen kann. Traurig.
Déformation professionnelle Beispiel
Die Beschäftigung, der wir einen Großteil unserer Lebenszeit widmen, macht etwas mit uns. Das lässt sich nie gänzlich vermeiden. Routinen und eine berufsspezifische Haltung, Skepsis oder Akribie sorgen Schritt für Schritt für eine Verformung des Menschen.
Besonders auffällig ist das bei Führungskräften. Ständig entscheiden müssen, Druck von oben, Menschen fordern und fördern – auch dann, wenn es unbequem wird… Es ist schwer zwischen Effizienz und Menschlichkeit zu oszillieren, ohne dabei innerlich zu zerreißen.
Viele entwickeln irgendwann einen Schutzmechanismus und unterscheiden nicht mehr zwischen Rolle und Mensch, zwischen Sein und Schein. Manche werden dabei autoritär und einsam (siehe: Einsamkeit an der Spitze), andere heben ab – und das ist bekanntlich die Vorstufe vor dem Fall.
Was tun gegen die Déformation professionnelle?
Ein echtes Gegenmittel gibt es leider nicht. Am Ende bleibt es eine Frage der eigenen Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion. Wir müssen uns immer wieder selbstkritisch hinterfragen, wer wir sind und ob wir so bleiben wollen.
Karriere bleibt eine Frage der Balance der eigene Werte und Ziele. Dazu müssen wir etwas Abstand zu uns selbst gewinnen und Kritik von außen zulassen, um die Bodenhaftung zu behalten. Vor allem aber müssen wir uns regelmäßig fragen, ob wir bereit sind den Preis zu bezahlen, den die professionelle Deformation mit sich bringt.
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