Leerlauf: Es ist gut, nicht immer beschäftigt zu sein
Es gibt dazu eine wunderschöne Metapher:
Unser Geist ist wie Wasser: Je ruhiger das Wasser ist, desto klarer wird es.
So ist es: Entspannung sorgt für mehr Durchblick. Wenn sich die Wogen des Alltags erst einmal glätten, sehen wir mehr und bekommen einen neuen Überblick. Immer nur funktionieren, funktioniert eben nicht. Wir brauchen den Leerlauf zwischendurch, um zur Ruhe zu kommen, Kraft zu tanken, uns zu sortieren. Und sei es nur, um mal einen Blick auf die To-do-Liste zu werfen:
- Was haben wir schon alles geschafft?
- Haben sich eventuell Prioritäten verschoben?
- Was ist als nächstes dran?
Das kurbelt am Ende die Effizienz und Produktivität an.
Leerlauf klug nutzen
Das Problem daran: Viele bewerten den Leerlauf völlig falsch. Sie sehen nicht dessen Notwendigkeit und die positiven Seiten, sondern bekommen ein schlechtes Gewissen. Motto: „Wenn ich nichts zu tun habe, sieht das faul aus.“ Also wird der Leerlauf gleich wieder mit neuen Aufgaben erstickt. Oder die Betroffenen tun alles, um möglichst beschäftigt auszusehen.
Unfug! Darin liegt ein großer Denkfehler: Immer etwas zu tun zu haben und beschäftigt zu sein, macht nicht produktiver, im Gegenteil. Es gibt Studien, die zeigen, dass erst ein wenig Leerlauf am Tag die Produktivität steigert. Ganze 22 Prozent produktiver waren zum Beispiel jene Mitarbeiter, die nur eine Viertelstunde nicht hart schufteten, sondern sich die Auszeit nahmen, um über die Arbeit und damit verbundene Abläufe nachzudenken. Man könnte auch sagen: Klug genutzter Leerlauf bringt Sie eher zum Erfolg als Dauerarbeit.
Gehirn braucht 10 Minuten Pause zwischen 2 Aufgaben
Eine aktuelle Microsoft Studie konnte anhand mehrerer Hirnscans von Meeting-Teilnehmern nachweisen, dass unser Gehirn eine mindestens 10-minütige Pause zwischen zwei Meetings benötigt. Andernfalls steigt der Stresslevel im Gehirn deutlich an. Dasselbe gelte, laut Forschern, zwischen unterschiedlichen Aufgaben: Unser Gehirn braucht die kurze Pause, um eine Aufgabe, eine Herausforderung oder einen Gedanken abzuschließen. Erst dann kann es sich umso frischer der neuen Aufgabe widmen.
Verschnaufpause: So nutzen Sie den Leerlauf für sich
Zugegeben, es klingt zunächst widersinnig, wenn wir davon sprechen, den Leerlauf „richtig zu nutzen“. Man könnte meinen, die freie Zeit soll schon wieder gefüllt werden – nur nicht mit Arbeit. So ist das natürlich nicht gemeint. Leerlauf soll Leerlauf bleiben. Freie Zeit eben, eine Verschnaufpause, in der Sie kurz abschalten, runterkommen, und sich eben nicht gleich wieder in die nächste Aufgabe stürzen. Die nächste stressige Phase kommt sowieso bald wieder.
Es geht uns vielmehr darum, dass Sie sich bewusst machen, wie wertvoll diese (geschenkte) Auszeit ist – und dass Sie diese FÜR SICH nutzen. Für Körper und Geist. Eben weil es oben erwähnte Vorteile hat. Hier also ein paar Empfehlungen für Aus- und Freizeit:
1. Atmen Sie tief durch
Und erholen Sie sich ohne schlechtes Gewissen. Den Leerlauf haben Sie sich schließlich verdient. Er ist ja keine Pause, die Sie sich nehmen, sondern hat sich so ergeben! Und wir reden hier auch nicht von einer Stunde Nichtstun. Aber die Ruhephase dürfen Sie voll auskosten und als Belohnung für die harte Arbeit davor verstehen.
2. Reflektieren Sie Ihre Arbeit
Lassen Sie auch Ihren Gedanken freien Lauf. Sei es durch Tagträumen. Oder indem Sie etwas über Ihren Job sinnieren: Was läuft gerade gut? Was würden Sie gerne verbessern? Was hat bei den letzten Projekten gut funktioniert? Wo sind Sie auf Probleme gestoßen? Viel zu selten machen wir uns solche Gedanken und reflektieren über unsere Arbeitsweise oder die beruflichen Situation. Warum nicht damit anfangen, wenn ohnehin gerade Leerlauf herrscht?
3. Denken Sie ungewöhnlich
Für Kreativität, ungewöhnliche Lösungen und neue Ansätze bleibt im Kleinklein des Alltags oft zu wenig Zeit. Jetzt können Sie mal so richtig spinnen und den Gedanken beim Verklären zuschauen. Schicken Sie Ihren Geist auf eine Reise, spinnen Sie mal so richtig, nach dem Motto: Was wäre wenn…? Beim sogenannten Random Episodic Silent Thinking sind schon so manche Geistesblitze entstanden.
4. Planen Sie kommende Aufgaben
Vorbereitung ist die halbe Miete für cleveres Arbeiten. Vielleicht nutzen Sie ja eine To-do-Liste oder andere Hilfsmittel, um die Tagesaufgaben zu sortieren und den Überblick zu behalten. Auch dazu kann der Leerlauf dienen: Bringen Sie wieder Ordnung in Ihre Aufgaben. Haken Sie ab, was erledigt ist. Setzen Sie (neue) Prioritäten. Leerlauf ist die perfekte Gelegenheit, um anstehende Projekte, Aufgaben und Meetings zu gedanklich zu organisieren und vorzubereiten. Wohlgemerkt: Nicht wirklich organisieren! Das wäre wieder Arbeit. Nur gedanklich in Strukturen packen. Das reicht für die Auszeit völlig.
Tipps für mehr Flow und weniger Langeweile
In einigen Fällen ist Leerlauf die Folge von Erfahrung und Routine. Anfangs kämpfen Berufseinsteiger noch gegen Information Overload und sind viel beschäftigt, während Berufserfahrene ihre Aufgaben in kürzerer Zeit schaffen. Die so freigewordene Zeit führt bei gleichmäßiger Arbeitsbelastung zu konstanten Leerlauf – und damit leicht zu Langeweile. Das Phänomen lässt sich gut in der nachfolgenden Grafik erkennen:
Bei Anfängern mit geringeren Kompetenzen führen hohe Anforderungen schnell zur Überforderung. Währenddessen fühlen sich erfahrene Mitarbeiter schneller unterfordert (links in der Grafik). Damit Berufsanfänger in den Flow kommen, braucht es daher weniger hohe Anforderungen als bei Experten (rechts in der Grafik).
Raus aus der Langeweile
Sie müssen den drohenden Boreout aber nicht als Schicksal akzeptieren. Das können Sie tun:
- Kollegen unterstützen
Sie drehen Däumchen während der Kollege nebenan schon seit Tagen über die hohe Arbeitslast klagt? Dann bieten Sie Ihre Unterstützung an. Das ist nicht nur kollegial, sondern gibt Gelegenheit, die sozialen Kontakte auf der Arbeit zu intensivieren. - Wissen erweitern
Wurde zuletzt neue Software eingeführt? Dann nutzen Sie doch den Leerlauf, um sich damit vertraut zu machen. Oder Sie buchen einen Kurs im Intranet. Lässt Ihr Arbeitsvertrag es zu, können Sie sich auch im Internet weiterbilden – Sprachkenntnisse verfeinern oder Management-Kurse belegen. - Chef ansprechen
Den Dauerleerlauf können Sie mit Job Enlargement (mehr Aufgaben mit gleichem Anforderungsniveau) oder Job Enrichment (Aufgaben mit neuem Anforderungsniveau) beenden. Sprechen Sie dazu mit Ihrem Vorgesetzten – am Ende könnte sogar eine Beförderung winken.
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