Definition: Was ist der Hindsight Bias?
Der Hindsight Bias (deutsch: Rückschaufehler, Aussprache: „Haindsait Bias“) beschreibt in der Psychologie das Phänomen, dass Menschen zurückblickend glauben, den Ausgang eines Ereignisses richtig eingeschätzt zu haben. Dabei handelt es sich um eine kognitive Verzerrung: Wir erinnern uns systematisch falsch an frühere Vorhersagen – mit dem Ziel, diese passend zum tatsächlichen Ereignis umzudeuten.
Entdeckt und erstmals beschrieben wurde der Hindsight Bias 1975 von dem Risikoforscher Baruch Fischhoff an der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh. Die Wissenschaft unterscheidet beim Rückschaufehler drei Arten:
- Gedächtnisverzerrungen
Die Betroffenen können sich nur schlecht an ihre Vorhersage erinnern, sind aber fest davon überzeugt, dass ihre Prognose von einst richtig war. - Vorhersehbarkeit
Die Betroffenen glauben, es schon immer gewusst zu haben. Die Vorhersehbarkeit gilt als unbestreitbar. Oder aber der Ausgang wird mit absoluter Unwägbarkeit entschuldigt: „Damit konnte nun wirklich keiner rechnen.“ - Zwangsläufigkeit
Die Betroffenen glauben felsenfest, dass es unausweichlich so kommen musste, wie es kam. Das Ereignis war ein zwangsläufiges Ergebnis – „unter diesen Umständen!“
Psychologie: Warum gibt es den Hindsight Bias?
Der Rückschaufehler hat verschiedene Ursachen. Teils geschieht das Umdeuten der eigenen Vorhersagen, um Schuld zuzuweisen oder um das geringe Selbstbewusstsein aufzuwerten. In dem Fall kann sogar eine veritable Profilneurose dahinter stecken. Tatsächlich hat die Persönlichkeit der Betroffenen erheblichen Einfluss auf diese Form der Selbsttäuschung.
Menschen mit starkem Hang zur Selbstdarstellung behaupten signifikant öfter als andere, die richtige Antwort schon vorher gewusst zu haben. Am stärksten zeigt sich der Hindsight Bias bei jenen, die zum Dogmatismus neigen – also Menschen mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Sicherheit und einer geordneten, vorhersehbaren Welt.
Hindsight Bias Beispiele: „Ich hab’s euch gleich gesagt!“
Immer dort, wo es um Vorhersagen und deren Bewertung geht, schlägt der Hindsight Bias zu. Inbesondere bei politischen Wahl-Prognosen und in der Wahlforschung. Nicht minder betroffen sind wirtschaftliche Bereiche, wie zum Beispiel die Marktforschung und das Marketing. Damit besitzt er eine hohe Relevanz für Parteien, Unternehmen, Behörden und andere Organisationen. Auch auf persönlicher Ebene und in privaten Beziehungen lässt sich die kognitive Verzerrung beobachten – etwa, wenn es um das typische Rechthaben geht. Weitere Beispiele:
Beispiel: Hindsight Bias im Job
Ein klassisches Beispiel für den Hindsight Bias im Job: Es geht um ein wichtiges Projekt. Der alte Lemberg überträgt seinem fähigsten Mitarbeiter die Aufgabe, eine strategische Entscheidung vorzubereiten. Binnen fünf Tagen braucht er eine umfassende SWOT-Analyse. Müller hängt sich voll rein und ist nach 3 Tagen fertig. Sein Konzept wird umgesetzt – und floppt. Natürlich ist Lemberg davon überzeugt, dass man das alles hätte vorhersehen können, ja sogar müssen! Müller, dieser Galgenstrick, hat den Laden ganz allein in den Dung geritten. Daran, dass auch er den Flop nicht vorausgesehen hat, denkt Lemberg nicht mal im Traum. Auf seine Verantwortung festnageln kann man ihn so gut wie Eigelb.
Beispiel: Hindsight Bias an der Börse
Auch an der Börse lässt sich der Rückschaufehler regelmäßig beobachten: Stürzt eine Aktie überraschend ab, sagen viele, dass sie damit längst gerechnet haben – trotzdem haben sie ihr Depot zuvor weder verkauft noch eifrig Optionen auf sinkende Kurse geordert.
Beispiel: Hindsight Bias in der Medizin
Ein typisches Experiment zum Hindsight Bias geht so: Den Probanden werden zunächst verschwommene Bilder gezeigt, die zunehmend schärfer werden. Den Testpersonen verraten die Forscher schon im Voraus das Motiv und fragen sie, wann sie es frühestens erkannt haben. In nahezu allen Fällen schätzen diese den Zeitpunkt systematisch zu früh ein – sie schummeln, um sich den Schein des Durchblickers zu geben. Dämlich? Dann stellen Sie sich bitte einen Arzt vor, der ein Röntgenbild betrachtet und entscheiden muss, ob der Tumor darauf hätte eher erkannt werden können oder nicht.
Bis heute hat der Hindsight Bias in der Rechtsprechung ebenfalls eine erhebliche Bedeutung. Oft geht es vor Gericht um die Frage: Handelte der Täter fahrlässig und wider besseren Wissens? Und hätte er oder sie es vorher besser wissen können?
Barnum-Effekt: Warum wir Aussagen über uns glauben
Der Barnum-Effekt (synonym: Forer-Effekt) beschreibt in der Psychologie die Neigung von Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über sich selbst als zutreffend und wahr zu empfinden. Namensgeber und Entdecker des psychologischen Phänomens ist Phineas Taylor Barnum, der Mitte des 19. Jahrhunderts in New York ein Kuriositätenkabinett leitete.
Das Erschreckende am Barnum-Effekt: Immer wieder stimmen Menschen wilden Behauptungen über ihre Persönlichkeit oder Zukunft zu, selbst wenn die Aussagen oder Horoskope vollkommen aus der Luft gegriffen sind. In der Rückschau versuchen dann viele, Hinweise zu entdecken, warum die Vorhersagen zutreffend waren. Solche Barnum-Aussagen können durch verschiedene Texte erzeugt werden:
Hindsight Bias: Die Gefahr der Faustformeln
Der Hindsight Bias ist mitunter eine Form der selektiven Wahrnehmung: Im Nachhinein lagen wir immer richtig. Die Wirkung des Hindsight Bias ist allerdings fatal: Die Umdeutung und Verzerrung der Wirklichkeit sorgt dafür, dass die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, die wahren Umstände und Gründe, die zu dem Ereignis führten, richtig zu beurteilen. Kurz: Der Hindsight Bias verhindert, dass sie aus ihren fehlerhaften Voraussagen und Annahmen lernen.
Stattdessen greifen wir immer wieder auf erlernte Verhaltensmuster oder auf Faustformeln zurück. Allerdings hat das mit Fortschritt herzlich wenig zu tun. Dazu kommt es erst, wenn wir uns darüber bewusst werden, dass wir Mustern und nicht unserem Verstand folgen…
Was gibt es für Bias?
Der Begriff „Bias“ stammt aus dem Englischen und beschreibt einen systematischen Wahrnehmungs- oder Beurteilungsfehler. Weitere Bias sind: