Johari-Fenster: Einfach erklärt + Beispiel und Übungen

Was wissen Sie über sich selbst? Natürlich alles – denken Sie. Das Johari-Fenster zeigt: Viele Menschen haben zwar ein gutes, aber keinesfalls vollständiges Selbstbild. Familie, Freunde und das engere Umfeld wissen oft Dinge über uns, die wir persönlich gar nicht wahrnehmen. Im Johari-Fenster wird diese Selbst- und Fremdwahrnehmung in vier Bereichen gegenüber gestellt. Dabei können Sie mehr über sich selbst erfahren und sogar die Kommunikation verbessern. Wir erklären, wie die Methode funktioniert und mit welchen Übungen Sie die Quadranten des Fensters füllen können…

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Definition: Was ist das Johari-Fenster?

Das Johari-Fenster (auch: Johari Gitter, engl. „johari window“) ist eine visuelle Gegenüberstellung bewusster und unbewusster Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen. Laut Definition zeigt es die Unterschiede zwischen dem, was wir über uns selbst wissen und dem, was andere über uns denken (siehe: Selbstbild-Fremdbild).

Entwickelt wurde das Johari-Fenster von den beiden Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham bereits 1955. Die beiden Vornamen der Wissenschaftler dienten dabei als Namensgeber – aus Joseph und Harry wurde „Jo-hari“.

Anwendung durch Johari-Adjektive

Das Johari-Fenster ist eine Methode zur Verbesserung Selbstwahrnehmung und persönlichen Kommunikation. Die ursprüngliche Methode basiert auf den sogenannten Johari-Adjektiven. Dabei handelt es sich um insgesamt 56 Begriffe, die zur Beschreibung einer Person genutzt werden. Angefangen von A wie akzeptierend, anpassungsfähig oder aufmerksam, über I wie intelligent und introvertiert bis zu W wie witzig oder würdevoll.

Das Johari-Fenster funktioniert, indem die Teilnehmer zunächst einige Johari-Adjektive auswählen, um sich selbst zu beschreiben. Anschließend bekommen die anderen Gruppenmitglieder dieselbe Liste, um die Person ihrerseits zu charakterisieren. Diese Charaktereigenschaften werden in die vier Bereiche – den Johari-Fenstern – sortiert. So entsteht die Gegenüberstellung von Selbst- und Fremdbild.

Übersicht: 56 Johari-Adjektive

56 Johari Adjektive Übersicht: akzeptierend, albern, angespannt, anpassungsfähig, aufmerksam, bescheiden, bestimmt, energievoll, entspannt, extrovertiert, fähig, freundlich, fürsorglich, geduldig, geschickt, genial, glücklich, großzügig, heiter, hilfreich, idealistisch, intelligent, introvertiert, kompetent, komplex, kühn, liebevoll, logisch, mächtig, mitfühlend, nachdenklich, nervös, nett, organisiert, reaktionsschnell, reif, religiös, ruhig, scheu, schlau, selbstbewusst, selbstsicher, sentimental, spontan, still, stolz, suchend, tapfer, unabhängig, verlässlich, vernünftig, vertrauenswürdig, warmherzig, weise, witzig, würdevoll

Das Johari-Fenster wird besonders häufig in Teams eingesetzt, die eng zusammen arbeiten. Wer versteht, wie er oder sie auf andere wirkt, entwickelt ein größeres Verständnis für Verhaltensweisen und Reaktionen. So entsteht mehr Vertrauen und eine bessere Zusammenarbeit.

Theorie hinter dem Modell

Hinter dem Fenster-Modell steht die Theorie, dass die zwischenmenschliche Kommunikation einfacher und besser wird, wenn sich Selbstbild und Fremdbild annähern. Joseph Luft sagte, das Johari-Fenster könne „den gemeinsamen Handlungsspielraum transparenter und weiter gestalten.“ Dadurch könnten Missverständnisse vermieden und Konflikte einfacher gelöst werden.

Das Johari Fenster ist aber keine statische Beschreibung, sondern ein fortlaufender (Gruppen-)Prozess. Wenn sich beispielsweise Kollegen oder Teammitglieder besser kennenlernen, können sich die einzelnen Abschnitte mit der Zeit verändern. Deshalb wird empfohlen, die Methode regelmäßig in Teams anzuwenden.


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Die 4 Bereiche im Johari-Fenster – einfach erklärt

Das Johari-Fenster setzt sich aus vier Bereichen zusammen, die jeweils für eine unterschiedliche Kombination von Selbst- und Fremdwahrnehmung stehen. Jeder Bereich ist durch besondere Merkmale gekennzeichnet:

1. Persönliche Geheimnisse

In den Bereich der persönlichen Geheimnisse fallen all die Dinge, die Sie zwar selbst von sich wissen, die dem Umfeld aber verborgen bleiben. Das kann beabsichtigt sein, weil Sie nicht wollen, dass bestimmte Dinge über Sie oder persönliche Schwächen bekannt werden. In diesen sehr persönlichen Bereich fallen aber auch Wertvorstellungen, religiöse Ansichten, intime Wünsche oder Ängste. Wie groß dieser Bereich ist, hängt stark davon ab, wie sehr Sie anderen Menschen vertrauen. Je größer das Vertrauen, desto weniger Geheimnisse haben Sie.

Beispiele für persönliche Geheimnisse:

  • Angst, den Job zu verlieren
  • Eine Lese- und Rechtschreibschwäche
  • Angst vor sozialer Ablehnung

2. Öffentliche Person

Dieser Bereich steht für das freie und offen sichtbare Handeln eines Menschen. Das Fenster enthält alle Dinge, über die man sich selbst im Klaren ist und die auch andere von einem wissen. Hier stimmen Selbstbild und Fremdbild überein, das Handeln ist entsprechend selbstbewusst. Die öffentliche Person wird geprägt, von Informationen, die wir anderen gegenüber preisgeben, erzählen oder durch unser Verhalten zeigen. Dazu gehören persönliche Fähigkeiten sowie Teile der Persönlichkeit. Allerdings ist dieser Bereich oft der kleinste – gerade am Anfang, wenn eine Gruppe sich noch nicht lange kennt.

Laut verschiedenen Kommunikationsmodellen finden nur rund 20 Prozent auf der sichtbaren und bewussten Ebene statt, der Rest ist vor allem nonverbale Kommunikation (siehe: Eisbergmodell).

Beispiele der öffentlichen Person:

  • Sie sind kein Morgenmensch und trinken gerne Kaffee
  • Sie sind ein Experte im IT-Bereich
  • Sie ernähren sich vegetarisch

Unentdecktes

Es gibt Eigenschaften und Kompetenzen, die bisher noch unbekannt sind – sowohl Ihnen selbst als auch Ihrem Umfeld. Das sind ist in der Psychologie vor allem schlummernde Talente, von denen Sie und andere nichts ahnen. Dieser Bereich im Johari-Fenster ist besonders schwer zu beschreiben, weil das Wissen darüber noch nicht vorhanden ist

Beispiele des unbekannten Bereichs:

  • Eine unentdeckte Begabung für Musik
  • Verborgene Führungsqualitäten
  • Unbekannte analytische Fähigkeiten

Blinder Fleck

Der blinde Fleck bezeichnet all jene Eigenschaften oder Begabungen, die Ihnen selbst nicht bewusst sind, die andere aber sehr wohl an Ihnen wahrnehmen. Die Fremdwahrnehmung weicht hier stark von der Selbstwahrnehmung ab. Entstehen können solche negativen Unterschiede zum Beispiel durch die Körpersprache: Ihre Gestik und Mimik senden Signale, die Ihnen selbst nicht bewusst sind. Im Positiven: Sie besitzen Stärken, die Ihnen nicht bewusst sind – ein blinder Fleck eben.

Beispiele des blinden Flecks:

  • Sie wirken auf andere zu dominant
  • Sie haben Vorurteile gegenüber anderen Menschen
  • Sie können extrem gut eine Stegreifrede halten
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Johari-Fenster Übungen: Tipps, wie Sie die Methode nutzen

Die Erkenntnisse aus dem Johari-Fenster sind enorm aufschlussreich. Die Methode kann aber noch mehr – sowohl in der Gruppe, als auch für Sie persönlich! Im Kern geht es immer darum, die Größe der vier Fenster zu verändern. Auf welchen Bereich Sie sich konzentrieren, hängt von Ihren Zielen ab: Wollen Sie die Zusammenarbeit der Gruppe verbessern, liegt der Fokus auf der öffentlichen Person; wollen Sie stattdessen Ihr persönliches Wachstum forcieren, müssen Sie sich auf das Unbekannte und den blinden Fleck fokussieren.

Wichtig ist das Zusammenspiel zwischen den Bereichen: Wenn sich in einem Teil etwas ändert, ändert sich immer auch etwas in mindestens einem weiteren Fenster. Schrumpft beispielsweise der blinde Fleck, wächst der Bereich der öffentlichen Person um diese Eigenschaften oder Fähigkeiten.

Wie kann ich einzelne Bereiche verändern?

Die folgenden Übungen zum Johari-Fenster helfen Ihnen, bei der eigenen Entwicklung:

Johari Fenster 3 Übungen Tipps Beispiele

Übungen zum persönlichen Geheimnis

Entscheidend sind zwei zentrale Faktoren: Vertrauen und Selbstbewusstsein. Wenn Sie den Menschen in Ihrem Umfeld vertrauen, brauchen Sie sich nicht zu verstecken. Zudem können Sie mehr Hilfe erhalten, wenn Sie unangenehme Dinge offenbaren, die Sie bisher lieber für sich behalten haben.

Als Übung für diesen Bereich des Johari-Fensters sollten Sie trainieren, anderen mehr zu vertrauen und zu Ihren unterschiedlichen Facetten mehr zu stehen. Öffnen Sie sich Freunden gegenüber, weihen Sie diese ein und verkleinern Sie die Geheimnisse.

Übungen zur öffentliche Person

Für die öffentliche Person im Johari-Fenster kommt es auf Offenheit, Ehrlichkeit und Authentizität an. Zeigen Sie sich so, wie Sie sind und verstellen Sie sich nicht, um anderen zu gefallen. Scheuen Sie sich gleichzeitig nicht, Ihr Selbstbild zu hinterfragen und zum Beispiel berechtigte Kritik anzunehmen. Die Fremdwahrnehmung gibt Ihnen eine neue Perspektive, die Sie nicht ignorieren sollten.

Die wichtigste Übung für diesen Bereich ist regelmäßige Selbstreflexion. Hinterfragen Sie sich, Ihre Wirkung auf andere und das Feedback, das Sie erhalten.

Übungen zu Unentdecktem

Es ist natürlich schwer etwas zu üben, was Sie noch nicht kennen. Um den Bereich des bisher Unbekannten zu erforschen und zu verkleinern, müssen Sie deshalb zunächst über den Tellerrand blicken: Besuchen Sie Fortbildungen, lesen Sie über Themen, mit denen Sie sich bisher noch nicht beschäftigt haben, probieren Sie Neues aus und springen Sie öfter über Ihren Schatten.

Alles, was Sie aus Ihrer Komfortzone herausbringt und dazu anregt, sich mit Neuem zu beschäftigen, kann als Übung dienen. Auch durch eine Psychotherapie können Dinge herausgefunden werden, von denen Sie bisher noch gar nichts gewusst haben oder die Sie ins Unbewusste verdrängt haben.

Übungen zum blinden Fleck

Der blinde Fleck sollte möglichst klein sein, da Ihr Selbstbild sonst weit von der Fremdwahrnehmung entfernt liegt. Die beste Möglichkeit, um blinde Flecken aufzudecken, ist regelmäßiges Feedback. Sollten Sie dieses nicht erhalten, fragen Sie aktiv nach und bitten Sie um eine ehrliche Einschätzung Ihrer Person. Wenden Sie sich zunächst an Freunde oder Familie – Menschen, denen Sie vertrauen und die eine ehrliche Rückmeldung geben.

Dieser Input von außen ist wichtig, um Selbst- und Fremdwahrnehmung abzugleichen. Trotzdem kann genau das anfangs schwer fallen, wenn andere das Bild nicht ganz so rosarot malen wie man selbst. Versuchen Sie unbedingt offen zu bleiben. Selbst dann, wenn Sie eine Beschreibung von sich selbst hören, die Sie für komplett falsch halten.

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Was sind die Vor- und Nachteile der Johari-Fenster?

Wie jedes Modell hat auch das Johari Gitter spezifische Vor- und Nachteile, die wir hier abschließend – ganz im Sinne der Johari-Windows – einander gegenüberstellen:

Vorteile Nachteile
✚ Bessere Selbstwahrnehmung
✚ Neue Erkenntnisse
✚ Abgleich Selbst-/Fremdbild
✚ Kommunikation verbessern
✚ Vertrauen aufbauen
✖ Benötigt Ehrlichkeit
✖ Unbequeme Erkenntnisse
✖ Vertrauensmissbrauch
✖ Kann verletzen
✖ Braucht konstruktives Feedback

Das grafisch ansprechende Johari Fenster mit seinen vier Feldern – öffentlich, geheim, unbekannt und blinder Fleck – ist ebenso einfach wie aufschlussreich und kann die Selbsteinschätzung kontrollieren wie korrigieren. Wir finden, es ist immer ein Gewinn, Selbst- und Fremdwahrnehmung abzugleichen – im Negativen wie im Positiven.


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