Hochsensibilität verstehen: Symptome, Test & Umgang

Bei Hochsensibilität empfinden Menschen Reize intensiver und nehmen ihre Umwelt stärker wahr. Dieses Persönlichkeitsmerkmal hat Vor- und Nachteile. Wir erklären, was Hochsensibilität ist, zeigen Symptome (inklusive Selbsttest) und wie Sie mit den starken Empfindungen besser umgehen…

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Definition: Was ist Hochsensibilität?

Hochsensibilität (englisch: Highly Sensitive Person, HSP) ist ein verstärktes Empfinden von Sinneswahrnehmungen. Betroffene reagieren besonders stark auf sensorische, emotionale und auch soziale Reize.

Sehen, Hören, Riechen und alle anderen Wahrnehmungen sind intensiver. Das steigert die Empfindlichkeit und Empathie, gleichzeitig aber auch das Risiko für Überforderung und Reizüberflutung.

Ist Hochsensibilität eine Krankheit?

Hochsensibilität ist in der Psychologie weder eine Krankheit noch eine Störung. Es gilt als Persönlichkeitsmerkmal und subjektives Empfinden – teilweise wird es dem Neurotizismus zugeordnet (siehe: Big Five). Bei HSP werden Eindrücke weniger gefiltert. Kleinere und unwichtige Reize werden nicht ausgeblendet, sondern in vollem Umfang wahrgenommen.

Ursprung der Hochsensibilität

Die amerikanische Psychologin Elaine N. Aron hat den Begriff Highly Sensitivy Person in den 1990er Jahren geprägt. Erste Forschungen zu dem Thema gibt es aber bereits seit fast 100 Jahren. In den letzten Jahren wächst die Aufmerksamkeit für das Wesensmerkmal.

Wie viele Menschen betroffen sind, ist umstritten. Einige Experten gehen von fünf bis zehn Prozent aus. Andere Studien geben sogar 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung an.

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Hochsensibilität erkennen – Symptome

Neurologische Besonderheiten und Vererbung gelten in der Forschung als Ursachen. Sinnesverarbeitende Bereiche sind im Gehirn bei HSP deutlich aktiver. Das führt zu klassischen Symptomen und Anzeichen bei Hochsensibilität:

  • Hohe Reizempfindlichkeit

    Hauptmerkmal ist die Überempfindlichkeit für alle Sinnesreize. Geräusche sind besonders laut, Licht ist grell oder blendend und Gerüche oder Berührungen werden äußerst intensiv wahrgenommen.

  • Starke Emotionen

    Nicht nur äußere Reize, auch Emotionen werden besonders stark empfunden – das gilt für positive wie negative Gefühle gleichermaßen. Hochsensible freuen sich extrem, verfallen aber auch in tiefe Trauer.

  • Ausgeprägte Empathie

    Hochsensibilität steigert auch die Wahrnehmung für Emotionen anderer Menschen. Wer hochsensibel ist, erkennt kleine Veränderungen im Verhalten und deutet diese mit viel Empathie.

  • Häufige Reizüberflutung

    Das starke Empfinden aller Eindrücke führt zu Reizüberflutung. Gerade soziale Kontakte, stressige Situationen und Umgebungen mit vielen verschiedenen Reizen sind für Betroffene ein Problem.

  • Schnelle Erschöpfung

    Intensive Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen ist anstrengend. Hochsensible fühlen sich ausgelaugt und überfordert. In der Folge ziehen sie sich zurück, um weitere Eindrücke zu minimieren.

Hinzu kommen körperliche Symptome. Begleiterscheinungen von HSP sind innere Unruhe, Schlafprobleme, Kopfschmerzen oder auch Konzentrationsstörungen, wenn zu viele Eindrücke den Fokus erschweren.

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Test: Bin ich hochsensibel?

Psychologen nutzen verschiedene Tests, um Hochsensibilität festzustellen. Bekannt sind zum Beispiel der HSP-Test von Elaine Aron oder die HSPS-G-Skala. Weil HSP die subjektive Wahrnehmung betrifft, basieren die Testverfahren auf Selbsteinschätzung und Bewertung verschiedener Aussagen oder Fragen.

Wir haben einen kurzen Selbsttest zusammengestellt. Kreuzen Sie von den folgenden 15 Aussagen direkt online an, was auf Sie zutrifft:

  • Ich bin sehr detailverliebt.
  • Als Kind war ich eher schüchtern und sensibel.
  • Ich bin ein kreativer und fantasievoller Mensch.
  • Die Emotionen anderer schätze ich oft richtig ein.
  • Auf Koffein oder Alkohol reagiere ich empfindlich.
  • Bei negativen Nachrichten leide ich intensiv mit.
  • Ich habe regelmäßig ein starkes Rückzugsbedürfnis.
  • Die Stimmungen anderer Menschen beeinflussen mich stark.
  • Ich bin häufig überwältigt von meinen Sinneseindrücken.
  • Ich habe Probleme damit, Nein zu sagen und Grenzen zu setzen.
  • Ich habe Schwierigkeiten mit Veränderungen und neuen Situationen.
  • Ich reagiere mit körperlichen Symptomen auf Stress und Belastungen.
  • Ich stelle mich selbst oft infrage und wünschte mir eine robustere Psyche.
  • Ich bin nach vielen sozialen Interaktionen regelrecht erschöpft.
  • Ich fühle mich von meiner Umgebung häufig unverstanden und falsch eingeschätzt.
  • Ich habe Probleme mit hellem Licht, lauten Geräuschen oder starken Gerüchen.

Viele Zustimmungen (mindestens 8 bis 10) sind ein Indiz, dass Sie hochsensibel sind. Der Test ersetzt aber keine psychologische Beratung und dient nur einer ersten Selbsteinschätzung!

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4 Typen der Hochsensibilität

Hochsensibilität ist nicht für jeden Menschen gleich. Die Forschung unterscheidet mehrere Typen. Entscheidend für die Einteilung ist, bei welchen Sinneseindrücken und Wahrnehmungen sich die Eigenschaft besonders zeigt:

  • Sensorische Sensitivität

    Dieser Typ reagiert verstärkt auf sensorische Reize wie Licht, Geräusche, Gerüche und Berührungen. Die Eindrücke gehen nahezu ungefiltert ins Gehirn, sind intensiv und werden schnell als unangenehm oder belastend empfunden.

  • Emotionale Sensitivität

    Hier ist die emotionale Wahrnehmung stärker und besser als bei anderen Menschen. Betroffene spüren in kürzester Zeit, wie es anderen geht. Sie deuten Körpersprache und Aussagen intuitiv mit großem Einfühlungsvermögen.

  • Kognitive Sensitivität

    Die Sensitivität bezieht sich auf komplexe Zusammenhänge und analytisches Denken. Die kognitiven Fähigkeiten sind stark ausgeprägt und ermöglichen schnelles Schlussfolgern sowie logisches Handeln und Entscheiden.

  • Ästhetische Sensitivität

    Kunst und Musik lösen starke Eindrücke und Emotionen aus. Dieser Typ der Hochsensibilität erkennt die Schönheit der Werke und nimmt sie ebenso intensiv wie bewusst wahr.

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Hochsensibilität: Vor- und Nachteile

Hochsensibilität ist Fluch und Segen zugleich. In manchen Situationen scheint es eine Gabe zu sein, in anderen ist es fast ausschließlich eine Belastung. Wir stellen die Vor- und Nachteile gegenüber:

    Nachteile

  • Reizüberflutung
  • Schreckhaftigkeit
  • Überforderung
  • Stressanfälligkeit
  • Selbstkritik
  • Soziale Isolation
  • Allergien
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Umgang mit Hochsensibilität

Hochsensibilität ist keine Krankheit, erschwert Betroffenen aber den Alltag. Hier finden Sie bewährte Tipps, die Ihnen den Umgang erleichtern:

    Akzeptanz

  • Akzeptieren Sie Ihre Persönlichkeit und die intensive Wahrnehmung.
  • Erkennen Sie die Vorteile, aber auch Ihre Grenzen und Schwierigkeiten.
  • Informieren Sie sich, um Ihre eigene Hochsensibilität besser zu verstehen.
  • Struktur

  • Planen Sie Tage und Wochen für möglichst feste Strukturen.
  • Entwickeln Sie Routinen und bekannte Abläufe.
  • Lassen Sie Zeit für Pausen oder unerwartete Dinge.
  • Stressbewältigung

  • Schaffen Sie Rückzugsmöglichkeiten und reizarme Umgebungen.
  • Nutzen Sie Atemübungen oder Entspannungstechniken zur Verarbeitung.
  • Probieren Sie Methoden der Achtsamkeit oder Meditation.
  • Bewegen Sie sich (alleine) an der frischen Luft als Auszeit von Stress und Reizen.
  • Umfeld

  • Sprechen Sie mit Familie, Freunden und Kollegen.
  • Erklären Sie Ihre intensive Wahrnehmung und das resultierende Verhalten.
  • Bauen Sie Kontakt zu anderen Hochsensiblen auf.
  • Hobbys

  • Hobbys helfen bei der Verarbeitung von Eindrücken und Emotionen.
  • Nutzen Sie kreative Ausdrucksmöglichkeiten wie Malen, Basteln, Schreiben, Singen oder Tanzen.
  • Finden Sie eine Freizeitgestaltung, die zu Ihnen passt.
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Hochsensibilität Therapie

Bei ausgeprägter Hochsensibilität und starken Belastungen im Alltag ist eine Psychotherapie möglich. Hier wird keine Krankheit behandelt, sondern den Betroffenen zu mehr Lebensqualität durch Verständnis und Umgang mit dem Persönlichkeitsmerkmal geholfen. Mögliche Ansätze sind Gesprächstherapie, Gruppentherapie und Kreativtherapien.

Zusätzlich werden Coachings und Beratungen angeboten. Hierbei erkennen Hochsensible die eigenen Stärken und Potenziale, um diese im Alltag und für berufliche Ziele zu nutzen.

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Umgang mit hochsensiblen Menschen

In Ihrem privaten oder beruflichen Umfeld sind hochsensible Menschen? Der Umgang ist nicht immer leicht, wenn Sie deren Besonderheiten nicht verstehen oder nachvollziehen können. Abschließend haben wir noch vier Tipps für den Umgang mit hochsensiblen Menschen:

  • Akzeptieren Sie die Wahrnehmung

    Was für Sie normal ist, empfinden Hochsensible möglicherweise stärker und extrem. Akzeptieren Sie diese Unterschiede und verstehen Sie, dass HSPler sich die eigenen Empfindungen nicht ausdenken oder einbilden.

  • Machen Sie keine Vorwürfe

    „Jetzt sei doch nicht so empfindlich!“ Oder: „Stell dich bitte nicht so an!“ – Vorwürfe und Schuldzuweisungen helfen weder Ihnen noch einer hochsensiblen Person.

  • Geben Sie den nötigen Freiraum

    Hochsensible ziehen sich zurück, um der Reizüberflutung zu entkommen. Lassen Sie ihnen diesen Freiraum, und fühlen Sie sich nicht angegriffen. Es ist keine Kritik an Ihnen, sondern eine Notwendigkeit für Betroffene.

  • Passen Sie die Umgebung an

    Treffen Sie sich mit hochsensiblen Freunden nicht in einem bunten Kaffee mit lauter Musik. Nehmen Sie Rücksicht und wählen Sie ruhigere Orte mit weniger Reizen.


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