Definition: Was ist Prokrastination?
Prokrastination (deutsch: Aufschieberitis) ist das absichtliche, aber unnötige Aufschieben wichtiger Aufgaben, obwohl Sie die nötige Zeit und Fähigkeiten haben – und sich den negativen Folgen bewusst sind.
Betroffene verschieben unangenehme Aufgaben auf einen späteren Zeitpunkt. Diese werden dann nur unter großem Druck erledigt oder gar nicht rechtzeitig fertiggestellt. Der Begriff stammt vom lateinischen Wort „procrastinatio“ = „Aufschub“ oder „Vertagung“.
Was ist das Prokrastination Gegenteil?
Das Gegenteil zur Prokrastination ist die sogenannte Präkrastination (engl. Precrastination): Der Zwang, eine Aufgabe sofort oder so schnell wie möglich zu erledigen, Hauptsache weg damit.
Ist Prokrastination eine Krankheit?
Prokrastination wird nicht als eigenständige Krankheit anerkannt und hat keinen ICD-Code (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems).
Sie gilt aber als Verhaltensauffälligkeit oder Arbeitsstörung mit erheblichem Leidensdruck für Betroffene. Zudem kann sie im Zusammenhang mit einer Angststörung stehen, ist aber keine Diagnose oder Krankheit im medizinischen Sinne.
Ignorieren Sie Prokrastination nicht
Trotzdem gilt: Nehmen Sie notorische Prokrastination ernst. Geht das Verhalten über gelegentliches Aufschieben hinaus, müssen Sie handeln:
- Prokrastination kann Symptom psychischer Erkrankungen sein.
- Probleme im Alltag = behandlungsbedürftige Prokrastination
- Chronische Prokrastination verschärft psychologische Probleme.
Leiden Sie ständig unter dem Prokrastinieren und kriegen das Problem selbst nicht in den Griff, sollten Sie deshalb mit einem Arzt sprechen. Es ist zwar keine eigenständig anerkannte Krankheit, kann aber ein behandlungsbedürftiges Verhaltensmuster und Teil anderer Erkrankungen sein.
Prokrastination überwinden: 16 effektive Tipps
Nur wenige Menschen benötigen eine Therapie, um ihre Prokrastination zu überwinden. Schon mit kleinen Tricks und Routinen lässt sich die Aufschieberitis im Alltag stoppen. Hier unsere effektivsten Tipps:
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Beobachten Sie sich selbst
Analysieren Sie Ihr Verhalten und beobachten Sie Ihre Prokrastinationsmuster. Wann schieben Sie Aufgaben auf? Welche Dinge schieben Sie häufig vor sich her? Aus welchen Gründen neigen Sie dazu? Schreiben Sie dazu beispielsweise ein Prokrastinations-Tagebuch. Mit dem Wissen können Sie Prokrastination leichter verhindern.
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Setzen Sie Prioritäten
Entscheiden Sie, was wichtig und dringend ist und was noch Zeit hat oder delegiert werden kann. Die Eisenhower-Methode eignet sich dafür besonders gut.
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Machen Sie eine konkrete Planung
Wollen Sie Prokrastination überwinden, sollten Sie Ihre Aufgaben und die Vorgehensweise möglichst genau planen. Nehmen Sie sich ganz konkret vor, was Sie in welcher Reihenfolge erledigen. Diese Schritte arbeiten Sie der Reihe nach ab.
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Zerlegen Sie große Aufgaben in kleine
Es ist wie mit dem physikalischen Gesetz der Trägheit: Ist ein schwerer Körper erst in Bewegung, wird es leichter ihn in Fahrt zu halten. Indem Sie große Projekte in kleine Teilschritte zerlegen, machen Sie es sich leichter, schaffen Mini-Erfolge und vermeiden das Prokrastinieren.
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Setzen Sie sich Limits
Das Parkinson’sche Gesetz besagt, dass Arbeit genau in dem Maß wächst, wie Zeit dafür zur Verfügung steht – und nicht, wie viel Zeit man tatsächlich dafür bräuchte! Setzen Sie sich Deadlines für einzelne Aufgaben und Teilschritte. So hat das Aufschieben keine Chance.
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Nutzen Sie Ihren Biorhythmus
Bei jedem Menschen gibt es innerhalb des Tages unterschiedliche Leistungsphasen (siehe: Chronobiologie). Organisieren Sie Ihren Alltag so, dass Sie schwierige Aufgaben in Ihre Hochphasen packen, eher unwichtigen Kleinkram erledigen Sie in den Durchhängerphasen.
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Beginnen Sie mit dem Unangenehmsten
Packen Sie den Stier bei den Hörnern: In der Regel ist es die unangenehmste Aufgabe, die Sie vor sich herschieben. Warum nicht gleich morgens hinter sich bringen, wenn Sie noch frisch sind? Der Rest des Tages wird Ihnen umso leichter von der Hand gehen.
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Bemühen Sie sich um Routinen
Wer einen geregelten Tagesablauf schafft oder bestimmte Aufgaben immer wieder zur selben Zeit erledigt, vermeidet das Aufschieben systematisch. Routinen klingen langweilig – gegen Prokrastination sind sie aber besonders wirksam!
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Vermeiden Sie Unterbrechungen
E-Mails, Telefon, Kollegen… Solche Unterbrechungen sind Gift für die Produktivität. Ebenso Multitasking. Indem Sie Zeitfresser und Ablenkungen ausschalten, konzentrieren Sie sich besser und fangen wirklich an.
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Belohnen Sie sich für Teilerfolge
Aufschieberitis stoppen, ist wie eine Sucht bekämpfen: Sie bekommen die Prokrastination in den Griff, wenn Sie Ihre Selbstdisziplin stärken. Das gelingt, indem Sie sich für Erfolge regelmäßig belohnen oder loben.
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Bezahlen Sie Geld
Auch das kann helfen: Jedes Mal, wenn Sie eine Aufgabe verschieben, stecken Sie Geld in eine Spardose. So viel, dass es wehtut und Sie sich ärgern! An das Geld dürfen Sie nicht sofort, sondern erst nach einem Zeitraum von 6 Monaten oder am Ende des Jahres.
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Schaffen Sie Verbindlichkeit
Sie können leichter Ihre Prokrastination überwinden, wenn Sie für Ihre Aufgaben mehr Verbindlichkeit schaffen. Einfache Methode: Erzählen Sie Familie, Freunden oder Kollegen von den Dingen, die Sie erledigen wollen. Das schafft einen zusätzlichen Anreiz, es wirklich in die Tat umzusetzen.
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Machen Sie sich weniger Druck
Sagen Sie sich selbst oft „Du musst“, „Du sollst“, „Mach jetzt, sonst…“? Aufschieber flüchten so erst recht. Ändern Sie den Mechanismus und machen Sie sich bewusst, wie schön es ist, wenn die Aufgabe erledigt ist.
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Ernähren Sie sich richtig
Was oft übersehen wird: Die Ernährung wirkt sich enorm auf die Leistungsfähigkeit aus. Wem nach dem Essen die Energie fehlt, um seine Aufgaben anzupacken, rutscht viel schneller in die Prokrastinationsfalle. Lieber leicht und gesund ernähren.
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Planen Sie vor
Notieren Sie schon am Abend, was Sie am nächsten Tag in welcher Reihenfolge tun werden – und halten Sie sich unbedingt daran! Eine Technik, die dabei hilft, ist das sogenannte Timeboxing. Legen Sie Zeitfenster für die Aufgaben des nächsten Tages fest.
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Beginnen Sie sofort
Die 72-Stunden-Regel sagt: Wer sich etwas vornimmt, muss innerhalb von 72 Stunden den ersten Schritt machen, sonst sinkt die Chance, dass er oder sie die Aufgabe jemals beginnt, auf 1 Prozent.
Eine Liste mit noch mehr Tipps gegen Prokrastination können Sie sich hier als PDF herunterladen.
Picken Sie sich aus der Liste die Tipps heraus, die am besten zu Ihnen passen und probieren Sie unterschiedliche Methoden. Um Prokrastination zu überwinden, hilft am Ende vor allem eines: Anfangen!
Prokrastination App
Weniger Aufschieberitis im Alltag ist auch mit zahlreichen technischen Hilfsmitteln möglich. Mit einer Prokrastination App beenden Sie das ewige Warten und fangen endlich an, die Dinge zu erledigen. Unsere Übersicht zeigt die beliebtesten Apps gegen Prokrastination:
Todoist ist eine einfache App, mit der Sie ToDo-Listen erstellen, die wichtigsten Aufgaben hervorheben und über Deadlines oder Mitteilungen daran erinnert werden.
Forest setzt auf einen spielerischen Ansatz gegen Prokrastination. In der App pflanzen Sie einen Baum. Dieser wächst, solange Sie arbeiten und nicht wieder ans Smartphone gehen. Wachsen genügend digitale Bäume, pflanzt das Unternehmen echte Bäume zum Schutz der Umwelt.
Freedom verhindert aktiver mögliche Ablenkungen von der Arbeit und dadurch ausgelöste Prokrastination. Mit der App blockieren Sie auf dem Smartphone Webseiten oder andere Anwendungen. In diesen Sperrzeiten konzentrieren Sie sich auf Ihre eigentlichen Aufgaben.
Doer will eine wissenschaftlich fundierte und langfristige Lösung für Prokrastination ermöglichen. Es gibt tägliche Audio-Lektionen mit psychologischen Erkenntnissen, Aufgaben mit anschließenden Reflexionen und Strategien zur nachhaltigen Verhaltensänderung.
Pluspunkt all dieser Prokrastination Apps: Sie sind kostenlos und stehen bei Google Play sowie im App Store zur Verfügung. Teilweise gibt es dafür Werbung innerhalb der App – oder Sie upgraden auf eine kostenpflichtige Pro-Version.
Prokrastination Ursachen
Prokrastination entsteht nicht zufällig, sondern hat verschiedene Ursachen. Diese sollten Sie unterscheiden, wenn Sie das eigene Verhalten verstehen und darauf richtig reagieren wollen:
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Psychologische Ursachen
Hinter der Prokrastination stehen häufig Versagensangst und übermäßiger Perfektionismus. Die hohen Ansprüche führen zu einer regelrechten Blockade und Aufgaben werden auf später verschoben.
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Persönliche Ursachen
Auch die Persönlichkeit spielt eine große Rolle. Negative Charaktereigenschaften wie fehlende Disziplin oder ein Mangel an Impulskontrolle und Selbstregulation begünstigen Prokrastination.
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Situative Ursachen
Ist das Verhalten nicht chronisch, hängt es meist von der konkreten Situation ab. Besonders komplexe Aufgaben werden häufiger aufgeschoben, weil sie zu einem Gefühl der Überforderung führen. Auch Ablenkungen sind eine typische Ursache für das Aufschieben – durch das Smartphone, E-Mails, Telefonate oder Kollegen.
Prokrastination: Ursachen in der Kindheit
Die Ursachen für Prokrastination im Erwachsenenalter liegen oftmals bereits in der Kindheit. Negative Erfahrungen prägen das Denken und Handeln für das weitere Leben.
Besonders übermäßige Kritik, mangelnde Struktur oder Hilfe sowie das Schüren von Angst vor Fehlern steigern die Wahrscheinlichkeit für späteres Prokrastinieren. Kinder verinnerlichen die unangenehmen Gefühle und schieben Aufgaben vor sich her, um diese zu vermeiden.
Prokrastination und Trauma
Wichtiges Thema in der Forschung ist der Zusammenhang von Prokrastination und Trauma. Gemein sind tiefe psychische Verletzungen durch extreme Ereignisse (zum Beispiel Vernachlässigung, Verlust, Missbrauch oder Gewalt).
Ein solches Trauma – besonders aus der Kindheit – schädigt das Selbstbild. Die Reaktion sind verschiedene Denk- und Handlungsweisen, die Prokrastination begünstigen oder auslösen.
- Trauma schädigt langfristig das Selbstwertgefühl.
- Betroffene fühlen sich „nicht gut genug“.
- Angst vor Bewertung und Meinung anderer
- Folge: Prokrastination als Selbstschutz
- Trauma führt zu Wunsch nach Kontrolle und Sicherheit.
- Fehler und Unsicherheit werden als bedrohlich wahrgenommen.
- Angst vor schlechter Leistung und Konsequenzen
- Folge: Prokrastination durch unerreichbaren Perfektionismus
- Trauma beeinflussen das Nervensystem und Stresssystem (Amygdala).
- Empfindung und Regulation von Emotionen ist gestört.
- Angst vor Aufgaben und der empfundenen Überforderung
- Folge: Prokrastination als Vermeidung von Drucksituationen
- Trauma sorgt für ein tief verankertes Gefühl der Scham.
- Betroffene glauben, sie können auch mit größter Mühe nichts erreichen.
- Angst vor Bestätigung, die Dinge nicht selbst in der Hand zu haben
- Folge: Prokrastination durch erlernte Hilflosigkeit
- Trauma führt zu Vermeidung als Durchhalte- und Überlebensstrategie
- Betroffene übernehmen das Denkmuster in den Alltag.
- Angst vor Wiederholung in anderen Situationen
- Folge: Prokrastination durch verinnerlichtes Verhalten
Angst vor Bewertung
Vermeidung von Fehlern
Verarbeitung von Emotionen
Gefühl von Scham
Übernahme von Verhalten
Bei traumatischen Erlebnissen braucht es oft Unterstützung von Psychologen oder Psychotherapeuten, um die Prokrastination zu überwinden.
Zusammenhang zwischen Prokrastination und Depression
Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Prokrastination und Depressionen in beide Richtungen – die Verhaltensstörung ist demnach eng verbunden mit Stress und chronischen Ängsten.
Chronisches Aufschieben sorgt für anhaltende Stresszustände und psychische Belastungen, das kann depressive Verstimmungen auslösen. Andersherum neigen Menschen mit depressiven Symptomen häufiger zur Prokrastination, weil der Antrieb fehlt und ihr Selbstwert leidet.
Prokrastination Symptome
Das Hauptsymptom von Prokrastination ist das Aufschieben von wichtigen Aufgaben, Problemen oder Fragestellungen trotz Zeit und Fähigkeiten. Hinzu kommen weitere typische Symptome:
- Akute Unlust
- Abschweifende Gedanken
- Angst vor Aufgaben und Fehlern
- Zunehmender Pessimismus
- Suche nach Ablenkung
- Fokus auf unwichtige Tätigkeiten
- Selbstzweifel und Schuldgefühle
Wichtig: Aufschieberitis ist keine Faulheit, sondern eine Vermeidungsstrategie! Begünstigt wird das Verhalten durch fehlende Prioritäten, unstrukturierte Planung oder unklare Deadlines.
Wer leidet unter Prokrastination?
Studien um Manfred Beutel von der Universität Mainz kommen zu dem Ergebnis: Besonders betroffen von Prokrastination sind junge Menschen und Singles.
Zugleich waren die Menschen vermehrt von Arbeitslosigkeit betroffen, verfügten über ein geringes Einkommen und litten öfter unter Stress und Minderwertigkeitsgefühlen.
Prokrastination Typen
Wissenschaftler unterscheiden vor allem zwischen zwei Typen von Prokrastinierern:
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Erregungsaufschieber
Diese Menschen reagieren erst auf den letzten Drücker und genießen den Kick, den der Hochdruck zum Schluss erzeugt. Viele dieser Typen sind überzeugt, erst dadurch kreativ zu werden.
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Vermeidungsaufschieber
Diese Betroffenen haben Angst zu versagen. Deshalb vermeiden sie den Leistungsdruck, verschieben die Herausforderung und erfinden dafür Ausreden.
Das Prokrastinieren wird so zur Ersatzhandlung. Weil die eigentliche Aufgabe zu groß erscheint, schaffen sich die Menschen schnellere Erfolgserlebnisse durch kleine Aufgaben wie Putzen, Aufräumen oder E-Mails beantworten.
Weitere Typen der Prokrastination
Die obige Einordnung ist nicht die einzige. Teilweise wird auch von aktiver und passiver Prokrastination gesprochen. Weitere Typen gibt es je nach konkreter Situation, Ursache und Verhaltensweise:
Typ | Erklärung |
Der Aufschieber | Wartet bis zur Deadline, arbeitet gut unter Druck |
Der Perfektionist | Schiebt Aufgaben wegen hoher Ansprüche auf |
Der Überforderte | Lässt große und komplexe Aufgaben liegen |
Der Belohnungstyp | Arbeitet nur kurz und belohnt sich übermäßig |
Der Ablenker | Beschäftigt sich mit Social Media und anderen Dingen |
Der Unentschlossene | Kann sich nicht entscheiden und blockiert den Start |
Der Rebellische | Demonstriert seinen eigenen Willen durch Verzögerung |
Der Kreative | Hat viele Ideen, setzt aber nichts um |
Der Chronische | Schiebt jede Aufgabe in allen Bereichen auf |
Depletion-Effekt: Das Paradoxon der Prokrastination
Es liegt in der menschlichen Natur, Energie zu sparen. Beim Prokrastinieren versuchen wir ebenfalls eine Abkürzung zu nehmen: Die Aufgabe kostet Überwindung, aufschieben fällt leichter. Doch das ist ein gefährlicher Irrtum – der Depletion-Effekt: Der Versuch, es uns leichter zu machen, erzeugt ein schlechtes Gewissen und kostet mehr Kraft, weil wir hinterher umso härter nachholen müssen, was wir vorher aufgeschoben haben.
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