Definition: Was ist Präkrastination?
Präkrastination ist der Drang oder gar Zwang, jede Aufgabe sofort erledigen zu müssen. Was nach viel Fleiß und noch mehr Engagement klingt, hat auch Schattenseiten: Betroffene haben enormen Stress, handeln mitunter kopflos oder steuern in einen Burnout.
Präkrastination (englisch: precrastination) ist das Gegenteil zur Prokrastination – der bekannten Aufschieberitis von unangenehmen Aufgaben. Entdeckt hat das Phänomen der US-Pyschologe David A. Rosenbaum erstmals 2014 in seinen Studien an der Pennsylvania State Universität. Schätzungen gehen heute davon aus, dass rund 18 Prozent der Bevölkerung zum Präkrastinieren neigen.
Präkrastination Synonyme
Häufige Synonyme für Präkrastination sind: Erledigungswut, Erledigungszwang, Übermotivation, Übereuphorie, Aktionismus, Kopflosigkeit – oder salopp: Soforterlediger bzw. Vorzieheritis.
Das Eimer-Experiment von Rosenbaum
Der Entdeckung der Präkrastination ging das sogenannte Eimer-Experiment von David Rosenbaum voraus. Der Psychologe ließ dazu 250 Studenten einen Eimer von A nach B tragen – ohne absetzen. Ein Eimer stand näher an den Studenten, der andere etwas näher zum Ziel.
Erstaunlich: Obwohl es mehr Mühe machte (weil längere Strecke) griffen die meisten Probanden zum nöchstbesten Eimer. Das änderte sich auch nicht, als die Forscher den nahen Eimer durch zusätzliche Gewichte beschwerten. Nichts war für Betroffenen besser, als die erstbeste Aufgabe möglichst schnell zu erledigen.
Psychologie: Was sind die Präkrastination Ursachen?
Präkrastination hat laut Psychologie unterschiedliche Ursachen…
1. Kindheit
Eine häufige Ursache liegt in der Kindheit: Betroffene haben gelernt, sich mehr auf die Wünsche und Bedürfnisse anderer zu konzentrieren, statt auf die eigenen. In der Folge sind sie überangepasst und übereifrig. Nicht wenige würden dabei eine „oberflächliche Betäubung“ betreiben statt sich mit sich selbst zu beschäftigen, sagt zum Beispiel der Wirtschaftspsychologie Florian Becker.
2. Entlastung
Laut Rosenbaum steckt hinter der Erledigungswut oft der Wunsch, sich kognitiv zu entlasten. Offene Baustellen bedeuten für die Betroffenen extremen mentalen Stress. Also wollen sie diesen so schnell wie möglich hinter sich bringen und Aufgaben abhaken können. Die erstbeste Lösung wird für sie daher zur gefühlt „besten“ Lösung.
Hinter der Präkrastination kann allerdings ebenso wieder Prokrastination stecken: Zum Beispiel dann, wenn durch das Sofort-Erledigen die in Wahrheit wichtigen, aber unangenehmen Aufgaben verschoben werden.
3. Freizeit
Eine weitere Ursache liegt unserer modernen und beschleunigten Arbeitswelt. Dank Smartphone und Internet sind wir permanent erreichbar. E-Mails oder Social Media Kommentare müssen beantwortet werden, die offenen Baustellen werden nicht weniger. Hinter der Präkrastination und dem Wunsch, alle Aufgaben schnell erledigt zu haben, steckt dann der Wunsch nach mehr Freizeit oder einer besseren Work-Life-Balance.
4. Anerkennung
Ebenso kann Unsicherheit und der Wunsch nach Anerkennung Präkrastination auslösen. Betroffene führen eine Art Wettbewerb, bei dem es darum geht, ständig schneller, härter oder effizienter zu arbeiten. Eine Art Teufelskreis der Selbstoptimierung und Höchstleistung. Zwar sorgt getane Arbeit bei Betroffenen für ein starkes Glücksgefühl. Das hält aber nur kurzfristig, weshalb Sie sich sofort in neue Aufgaben stürzen.
Bedeutung: Welche Folgen hat Präkrastination?
Sie kennen bestimmt das gute Gefühl, eine Aufgabe auf der To-Do-Liste abhaken zu können. Was zunächst positiv klingt und nach Menschen, die anpacken können, ihre Arbeit in Rekordtempo erledigen, ist tatsächlich nicht ungefährlich. Präkrastination kann krank machen und zahlreiche negative Folgen haben:
- Aufgaben werden überhastet erledigt.
- Entscheidungen werden unüberlegt getroffen.
- Es gibt mehr Fehler.
- Den Ergebnissen fehlt die Tiefe.
- Effizienz und Produktivität sinken.
- Verlust von Fokus und sinnvollen Prioritäten.
- Betroffene plagt ein permanent schlechtes Gewissen.
- Die psychische und physische Belastung steigt.
Zudem können viele Präkrastinierer nicht delegieren. Sie suchen die schnelle Lösung, die nicht die beste sein muss. Durch ihre Ungeduld neigen Sie zum Multitasking und können sich nicht fokussieren beziehungsweise abwägen, was JETZT gerade wichtig ist.
Zu wissen, dass sie noch etwas erledigen müssen, erzeugt bei Präkrastinierern ungeheuren Stress.“ (David A. Rosenbaum)
Im Extrem führt Präkrastination dazu, dass Betroffene nicht mehr abschalten können, weil unerledigte Aufgaben Sie bis in die Freizeit und in den Schlaf verfolgen. Der permanente Stress und Turbo-Druck können neben Überlastung zu massiven Schlafstörungen (PDF) führen. Oft ist es die Vorstufe von Workaholismus und einem veritablen Burnout.
Was ist Bedtime Precrastination?
Weil viele Präkrastinierer nie so richtig abschalten können, sondern erst wenn alles erledigt ist, finden manche gar nicht mehr zur Ruhe. Sie wollen oder können nicht schlafen, bevor Aufgaben (auch gedanklich) abgeschlossen sind. Manche wachen oder stehen deswegen sogar nachts wieder auf und setzen sich an den Laptop oder Schreibtisch. „Bedtime precrastination“ nennen Forscher der Universität Utrecht das Extrem.
Tipps: Wie kann ich Präkrastination überwinden?
Gegen eine hohe Arbeitsmoral und gesundes Engagement ist nichts einzuwenden. Leidet aber die Lebensbalance darunter, sollten Sie das optimale Maß zwischen dem Pro- und Präkrastinieren wiederfinden und mehr Gelassenheit lernen.
Der erste Schritt zur Lösung ist immer, sich das Problem einzugestehen und bewusst zu machen. Erst dadurch lässt sich Präkrastination überwinden – und zwar dauerhaft. Versuchen Sie also den Druck herauszunehmen und die persönlichen Ursachen zu analysieren: Warum können Sie das Aufschieben nicht aushalten? Wem versuchen Sie dabei gerecht zu werden? Auch mit den folgenden Strategien lässt sich Präkrastination überwinden:
1. Prioritäten setzen
Den meisten Präkrastinierern fehlt der Fokus. Es gibt zwar viele unerledigte Aufgaben, ihnen bleibt aber unklar, welche davon wirklich wichtig und dringend sind und welche nicht. In dem Fall hilft zum Beispiel die klassische Eisenhower-Matrix: Sie ordnet Aufgaben nach Bedeutung und Dringlichkeit ein und sorgt dafür, dass Sie wieder klare Prioritäten setzen.
2. Nein sagen
Lernen Sie, öfter Nein zu sagen und Aufgaben abzulehnen oder zu delegieren. Indem Sie Grenzen setzen – auch beim Arbeitsende – geben Sie wieder Ihren Bedürfnissen den Vorrang. Auch den körperlichen und seelischen. Doppelter, positiver Effekt: Wer Grenzen setzt und sich nicht ausnutzen lässt, gewinnt Respekt und erreicht mehr von den eigenen Zielen.
3. Zeitfenster planen
Strukturieren Sie Ihren Alltag und Arbeitstag und schaffen Sie sich feste Zeitfenster für bestimmte Aufgaben. E-Mails zum Beispiel beantworten Sie nur zwischen 11 und 12 Uhr und nachmittags kurz vor Feierabend. So kommen Sie erst gar nicht in die Bredouille, andere Aufgaben erledigen zu müssen. Entscheidend ist, dass der Ablaufplan zu Ihrem Alltag passt und dass Sie sich daran halten.
4. Fokus behalten
Konzentration auf die eine Aufgabe, die gerade ansteht. Üben Sie Singletasking statt Multitasking und bleiben Sie konzentriert bei dem ToDo. Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn am Abend noch Aufgaben liegen geblieben sind. Diese erledigen Sie wesentlich schneller und effizienter morgen – wenn Sie ausgeruhter sind.
Und wenn nichts davon hilft, können Sie sich immer noch Unterstützung bei Profis holen. Zum Beispiel durch einen Psychologen oder in Seminaren zu Selbstmanagement und Stressbewältigung.
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